In den Jahren meiner Tätigkeit als Hebamme habe ich viele Frauen mit Ängsten oder Sorgen erlebt, die aus unbedachten und teilweise schlichtweg falschen Behauptungen entstanden sind, von Leuten, die es „gut meinen“. Wir leben Gott sei Dank nicht mehr in einer Zeit, in der Muttermale ein Zeichen des Teufels sind und Zwillinge etwas Abnormes, aber bei den Dingen, die man teilweise noch heute zu hören bekommt, stellen sich mir ähnlich die Nackenhaare hoch. Hier ein paar Mythen, die sich immernoch über all die Jahre gehalten haben, und unnötig Unsicherheiten oder Ängste schüren…. „Durch übermäßiges Strecken in der Schwangerschaft kommt es zur Nabelschnurumschlingung“ Tatsächlich wußte ich das bis vor einigen Jahren selber nicht. Damals wurde ich von einer Frau im Geburtsvorbereitungskurs aufgeklärt, deren Schwiegermutter sie beim Einräumen des Geschirrschrankes darauf hingewiesen hatte und die jetzt ängstlich auf den nächsten Ultraschall wartete. Seitdem spreche ich diese These in meinen Kursen an und erlebe in fast jedem Kurs eine Frau, die das ebenfalls schon gehört hat. Das ist absoluter Quatsch! Unsere Yogakurse sind voll mit Frauen und eine der häufigsten Bewegungen dort ist das Strecken. Eine Nabelschnurumschlingung entsteht durch entsprechende Bewegungen des Kindes, unabhängig davon, was Ihr macht. Im Übrigen haben sicher mehr als die Hälfte aller Kinder die Nabelschnur irgendwo herumgewickelt und das ist in den meisten Fällen überhaupt nichts Schlimmes. „Nach Blasensprung muß das Kind innerhalb von 24 Stunden ‚geholt‘ werden“ Fakt ist: sobald die Fruchtblase ein Loch hat, sollten Mutter und Kind überwacht werden (Temperatur und Blutwerte der Mutter, Herztöne vom Kind), da eine aufsteigende Infektion zum Kind theoretisch möglich ist. Richtig ist auch, dass die meisten Kliniken maximal 24 Stunden warten, bis sie Maßnahmen ergreifen, um die Geburt anzuschubsen. Das Baby muß aber, wenn alles okay ist und beide gut betreut werden, nicht zwangsläufig innerhalb von 24 Stunden da sein und wird auch auf keinen Fall dann nur wegen des Blasensprungs nach 24 Stunden per Kaiserschnitt „geholt“. „Wenn das Fruchtwasser weg ist, tut die Geburt mehr weh“ Das habe ich în der Tat im Kreißsaal schon relativ oft gehört. Eine sogenannte „trockene“ Geburt, die extrem schmerzhaft sein soll. Aber ich kann Euch auch hier komplett beruhigen. Allein durch einen Blasensprung liegt Euer Kind ganz sicher nicht auf dem Trockenen, da erstens kleine Fruchtwasserdepots immer in der Gebärmutter zurückbleiben und sich zweitens permanent neues Fruchtwasser bildet, so dass bei vielen Frauen auch bis zum Schluß noch Fruchtwasser herauströpfelt. Eine „trockene“ und dadurch schmerzhaftere Geburt nach Blasensprung gibt es nicht! „Wenn die Mutter nicht stillen ‚konnte‘, kann die Tochter es bestimmt auch nicht“ In den 70-er und 80-er Jahren wurden die wenigsten Kinder gestillt, angeblich meistens, weil „keine Milch da war“ oder es eben einfach aus vermeintlichen anatomischen Umständen nicht ging. Ich denke, dass die geringe Milchmenge in erster Linie dadurch begründet war, dass Mutter und Kind meist unmittelbar nach der Geburt getrennt wurden und das Baby dann lediglich alle 4 Stunden zum Anlegen gebracht wurde. Und das manchmal sogar auch erst nach 3-4 Tagen, weil vorher ja eh „keine Milch da ist“. Heutzutage weiß man, dass intensiver Hautkontakt in den ersten Stunden und Tagen nach der Geburt die Stillhormone in Schwung bringt und Mütter, die ihr Kind permanent bei sich haben und nach Bedarf anlegen (was in den seltensten Fällen 4 Stunden entspricht) für gewöhnlich ausreichend Milch produzieren. Also, laßt Euch nicht einschüchtern. Dass man Müttern mit Sodbrennen ein Kind mit ganz besonders viel Haaren in Aussicht stellt oder dass die Bauchform angeblich das Geschlecht verrät,tut ja niemandem weh und bedarf an dieser Stelle deshalb auch nicht unbedingt der Aufklärung ;-)