„Mein Baby weint. Es sieht gar nicht so glücklich aus, wie die Babys von den ganzen Plakaten und Elternzeitschriften. Da strahlen sie, die glücklichen, gut gelaunten, süßen Babys.“ Und manche Eltern beginnen, an ihren Fähigkeiten zu zweifeln, wenn ihr Baby kein so gut gelauntes und immer strahlendes, sondern eher ein quengelndes oder unzufrieden scheinendes Kind ist. Und die Frage, die diese Eltern umtreibt und mit der ich als Hebamme dauernd konfrontiert bin, ist: Was kann ich tun, damit mein Baby endlich aufhört zu weinen?
Warum ein Baby weint
Ich denke, jeder hat in seinem Leben schon Situationen erlebt, wo es einem richtig schlecht ging und man emotional, psychisch oder physisch im Ausnahmezustand war. Vielleicht aufgrund von einer beruflichen Situation, Trauer um einen geliebten Menschen, Trennung, was auch immer – man kann sich gut daran erinnern, wie es einem in der Situation ging. Vielleicht kannst Du Dich auch daran erinnern, was Dir in dieser Situation geholfen hat? Manche sagen jetzt wohl erst einmal „gar nichts“, manchen fällt gleich etwas ein. Aber vermutlich kannst Du bestätigen, dass es Zeit gebraucht hat, trotz aller Hilfestellung von außen. Dass man erst langsam auf die Beine kommen musste und bestimmt noch eine Weile traurig, wütend und frustriert war. Und irgendwann wurde es langsam besser.
Dein Baby macht in den ersten Wochen und Monaten nichts anderes durch. Es hat alles verloren, was es kannte, sein Zuhause, seine vertraute Umgebung, seine Sicherheit. Das ist einer der Gründe, warum Dein Baby weint. Und es wurde mit einer gewaltigen Kraft in eine völlig neue Situation geschleudert, der es zunächst einmal hilflos und desorientiert gegenübersteht. Es muss sich erst einmal zurechtfinden in dieser neuen Welt, positive Erfahrungen sammeln und feststellen, dass sie eine wirklich gute Alternative zu so einer engen Gebärmutter ist.
Dein Baby weint, weil es hat keine andere Möglichkeit zu kommunizieren hat. Es kann nicht sagen „mir geht’s heute nicht so gut“ oder „mir ist grad alles zu viel“. Aber nichts anderes drückt es wahrscheinlich durch sein Quengeln und Weinen aus.
Mein Baby weint! Was kann ich als Elternteil tun?
Wenn das Baby weint, werden die Eltern kreativ: viele Eltern erzählen dann, was sie schon alles versucht haben: die nächtliche Spritztour im Kinderwagen oder Papas Auto sind da noch das Harmloseste. Wenn das Baby weint, werden nachts um 3 die Waschmaschine, der Staubsauger oder der Fön angeschmissen, weil das so beruhigend ist. Papa legt sich mit dem Baby vor den Fernseher oder man läuft stundenlang durch die Wohnung, ständig die Position des Babys wechselnd, immer in der Hoffnung, dass es in einer anderen Lage / im anderen Zimmer besser wird.
Meine Antwort auf die oben genannte Frage verunsichert viele Eltern zunächst einmal und stellt sie in den seltensten Fällen zufrieden. Denn ich halte von diesen ganzen Babyberuhigungsszenarien nicht sonderlich viel. Wenn ich gefragt werde, was Eltern tun sollen, dann lautet meine Antwort: Wenn Ihr alles getan habt, was wirklich notwendig ist (Stillen/Füttern, Wickeln, evtl. aufstoßen lassen) dann macht doch einfach mal gar nichts. Damit meine ich NICHT das Baby schreien lassen, Du solltest nur einfach mit blankem Aktionismus aufhören, der durch die eigene Hilflosigkeit entsteht und die Situation meistens eh nicht verbessert. Setz‘ Dich mit Deinem Baby hin, lege es auf die nackte Brust und rede einfach beruhigend mit ihm. Vielleicht sagst Du immer wieder das Gleiche, vielleicht singst Du etwas oder Du klopfst im stetig gleichen Rhythmus auf seinen Po und mach‘ „sch…sch…“ – ganz egal. Aber „tut“ nichts, das hilft nämlich meistens nicht.
Ein Baby, das herumgewirbelt, gefönt oder gefahren wird soll in erster Linie eines: endlich ruhig sein.
Ein Baby, das gehalten wird, mit dem Du redest oder singst, merkt, dass es erst einmal sagen darf was los ist, und macht die Erfahrung, dass auch im schlimmstem Leid jemand da ist, der es hält und tröstet – ohne nur zu wollen, dass es endlich mit Schreien aufhört.
Der Unterschied zwischen Beruhigung und Trost
Als es Dir schlecht ging, da hast Du vielleicht Hilfe bei einer vertrauten Person gesucht, Dich ausgeweint. Hätte es Dir da geholfen, wenn jemand Dir hemdsärmelig auf die Schulter geklopft und gesagt hätte „Wird schon wieder!“? Oder war es nicht eher ein Trost, von jemandem gedrückt zu werden, der sagt „Ich bin für Dich da, wenn Du mich brauchst, auch wenn ich vielleicht gar nicht viel tun kann“?
Es geht in erster Linie darum zuzuhören und die Bereitschaft zu zeigen, es mit dem anderen „auszuhalten“. Und wenn Du bei der nächsten Schreistunde auch nur 5 Minuten länger wartest, bis Du den Autoschlüssel holt, dann hat sich in puncto „Trost“ für Dein Baby schon etwas verändert.