Der Bub war gerade frisch geschlüpft, als er auf dem Bauch liegend sein Köpfchen hob und es hielt. Nicht nur ein paar Sekunden, nein; er konnte eine halbe Ewigkeit in dieser für Neugeborene ungewöhnlichen Position verbringen! „Oh je, das ist doch viel zu früh“, schoss es mir durch den Kopf. „Was für ein kräftiges Kerlchen!“ hörte ich von Freunden und Bekannten. „Der Kleine hat jede Menge Körperspannung“, beobachtete meine Hebamme, ähnlich kritisch wie ich. Sie riet mir, den Buben im Blick zu behalten und fand meinen Plan – ihn von einer Osteopathin durchchecken zu lassen – ziemlich gut. Denn er hob seinen Kopf nicht nur in der Bauchlage viel zu hoch, er befand sich grundsätzlich in einer sehr angespannten, nach hinten überstreckten Haltung – den Blick vorzugsweise nach rechts oben gerichtet. Legte ich ihn auf den Rücken, sah er aus wie ein „C“. Hielt ich ihn aufrecht auf dem Arm, legte er den Kopf nie entspannt auf meine Brust. Nein im Gegenteil, er stemmte sich stets mit seinen Armen von mir ab und drückte den Kopf nach hinten weg. Da stimmte etwas nicht. Leider hatte die Osteopathin, die unserem Mädchen (3,5 Jahre) damals bei ähnlichen Symptomen gut helfen konnte, erst im Februar einen freien Termin für uns. Ein Besuch bei einer Kollegin wenige Tage nach der Geburt ergab, dass der Knabe starke Spannungen im Brustwirbelbereich hat. Sie behandelte ihn und war nach der Behandlung der Meinung, dass alles wieder in Ordnung sei. Von Woche zu Woche wurde der Bub jedoch immer steifer und angespannter. Nach der 6. Lebenswoche vereinbarte ich wieder einen Termin, weil ich den Kleinen kaum noch aufrecht auf dem Arm halten konnte und er sich abends in den Schlaf schrie und dabei volles Rohr in die Überstreckung ging. Es sei normal, dass sich solche Symptome nach Wachstumsschüben wieder zeigen bzw. dass sie sich nach Phasen des Wachstums verschlimmern, versuchte uns die Osteopathin zu beruhigen. Den Schub in der 5. Woche hatten wir deutlich gespürt (der Kleine war für seine Verhältnisse extrem quengelig und ließ sich kaum ablegen) und dass es ihm anschließend schlechter ging, brachten wir ebenfalls damit in Verbindung. Sie behandelte seine Verspannungen in zwei weiteren Sitzungen. Es wurde jedoch nur minimal besser. Außerdem ließ sie ihn beim letzten Termin lange schreien und ignorierte seinen Protest – sein Unwohlsein – gänzlich. Ich fand das seltsam und wurde zunehmend nervöser, je länger er brüllte. Ich fragte sie, ob sie ihn nicht behandeln könne, während ich ihn stille, aber sie meinte, das ginge schon so. Er schrie über 10 Minuten, bevor sie ihn endlich erlöste und es dauerte weitere 10 Minuten bis er sich auf meinem Arm beruhigte. Er schlief schließlich erschöpft ein, aber schreckte immer wieder laut jaulend hoch. Ich konnte verstehen, dass sie sich ein bestimmtes Pensum für eine Stunde vornimmt, aber muss man die Kleinen so quälen, um das Tagesziel zu erreichen? Ich verließ die Praxis mit gemischten Gefühlen… Gestern trafen wir unsere Osteopathin. Ohne dass ich ihr von dem „Weinvorfall“ erzählt hatte (sie weiß wohl, dass wir bei ihrer Kollegin waren), legte sie kurze Pausen ein, sobald die Behandlung dem Bub nicht mehr richtig behagte. Sie unterbrach insgesamt drei Mal, damit er durchschnaufen und etwas trinken konnte. „Ich hätte ihm ja lieber etwas schneller geholfen“, sagte sie, „aber er gibt nun mal ein anderes Tempo vor.“ Dieser Ansatz gefiel mir wesentlich besser und dem Kleinen offensichtlich auch. Nach der Stunde war er tiefenentspannt und während ich ihn ins Tragetuch band, hing er ganz ruhig an mir dran und schaute er die ganze Zeit nach links aus dem Fenster. Nicht seine Lieblingsseite. Den nächsten Termin vereinbarten wir für März. Er habe keine Blockaden, sondern „nur“ eine sehr hohe Körperspannung und eine starke Tendenz nach rechts, so unsere Osteopathin. Sie vermutet, dass das seine Geburtshaltung war. Er lag ja mit dem Gesicht nach oben (ein sogenannter Sternengucker) und ich versuchte ihn so über 2 Stunden lang hinauszupressen (siehe „Hausgeburt mit Hindernissen“). Ob die letzte Behandlung so gut angeschlagen hat, weil unsere Osteopathin ein besseres Händchen hat oder weil ihre Kollegin so gute Vorarbeit leistete, steht in den Sternen. Für mich zählt jedenfalls, dass der Bub Hilfe erhält, ohne unnötig lange weinen zu müssen und allein deswegen bevorzuge ich die friedliche, wenn auch langsamere Methode.
Ein Kommentar zu Überstreckung und Lieblingsseite – Osteopathie?