Bevor Lukas bei uns einzog, machten wir uns so unendlich viele Gedanken – Gedanken, die viel mit uns selbst zu tun hatten. Wie wuchsen wir auf, welche Werte wurden uns mitgegeben, wie wollen wir selber ein Kind erziehen, was ist uns dabei wichtig und was ist uns vielleicht völlig unwichtig? Und plötzlich entwickelten sich Gedankenwege, die wir bis dahin gar nicht so richtig kannten, mussten wir bisher doch immer nur auf uns selber aufpassen.
Generell ist uns völlig wurscht, was Menschen über uns und unsere Lebensweise denken. Trafen uns in den geouteten Anfangsjahren Stimmen, die sich über Homosexuelle lustig machten oder sich in anderer, negativer Weise über uns äußerten, so interessieren sie uns heute schon lange nicht mehr. Und trotzdem sind wir natürlich überglücklich, unsere Familien und Freunde im Rücken zu haben, die uns genauso akzeptieren wie wir sind.
Wie integriert sind zwei Papas mit Kind?
Allerdings änderte sich diese „Gedankenlosigkeit“ bezüglich der Einstellung anderer mit der Aufnahme eines Kindes. Plötzlich sollte es um mehr, als um unsere eigene Verantwortung gehen. Und auf einmal waren wir mitten in gemeinsamen Gesprächen über das homosexuelle Leben und die Gesellschaft. Wie integriert sind wir wirklich? Wo gibt es nach wie vor Vorurteile oder sogar Ablehnung?
Wir leben in einem kleinen Dorf, sind dort total integriert, aber wird dies mit Kind auch so bleiben? Nicht wir sind wichtig, wir können uns wehren und mit Sprüchen umgehen. Es geht um unser Kind und die Sonderstellung, die es eben doch mit sich bringt – als Pflegekind ohne Kontakt zur leiblichen Mutter, bei Pflegeeltern aufwachsend und dann mit der äußerlichen Besonderheit, zwei Papas an seiner Seite zu haben.
Es war uns wichtig, dass schnell allen möglichen Bedenkenträgern der Wind aus den Segeln genommen wird. Wir gingen zum Musizieren-Singen-Tanzen, Kleinkindersport, zum Dorf-Christkindlmarkt und waren einfach viel in unserer Hood unterwegs.
Nachdem Lukas so glücklich im Umfeld von Kindern wirkte und total aufgeschlossen war, meldeten wir ihn in der Kita an. Auch hier war es uns wichtig, dass möglichst schnell ein Kontakt zu unserem Familienmodell aufkam. Immerhin werden die Kinder in der Kita untereinander noch nicht diskutieren oder Fragen stellen, und auch der Einfluss ihrer Eltern wird sich in Grenzen halten.
Heute, ein Jahr später können wir mit Stolz sagen, dass wir so viele wunderbare Menschen in unserem direkten Wohnumfeld kennenlernen durften. Da wurden die Verkäuferinnen in der Bäckerei oder beim Dorfmetzger zu Lukas besten Freundinnen. So herzlich, offen und unvoreingenommen hatten wir es uns gar nicht vorgestellt, und wir freuen uns für ihn, dass es so gekommen ist, wie wir es uns und vor allem ihm gewünscht haben.
Regenbogenfamilien sind immer noch nicht in den Köpfen angekommen
Nun könnte man fragen, warum wir überhaupt solche Befürchtungen hatten und haben. Wir sind doch in einer Zeit angekommen, in dem solche Lebens- und Familienmodelle völlig normal sind. Ja, sie sind zwar völlig normal, aber die Denkweise und Einstellung zu diesen Themen ist immer noch nicht in allen Köpfen positiv angekommen. Und selbst, wenn es eine Offenheit von Menschen – der Gesellschaft – gibt, so fallen wir allein visuell immer noch auf und sorgen für Diskussion.
Zwei Frauen mit Kind sind visuell für die Gesellschaft noch normal, hier ist klar, eine ist die Mutter, die andere eine Freundin oder Ähnliches.
Als Mann mit Kind wird man immer etwas schneller neugierig oder auch skeptisch angeschaut. Und wenn dann das Kind auch noch händchenhaltend mit gleich zwei Männern durch die Fußgängerzone läuft, stolpert spätestens jetzt fast jeder. Dabei stört uns überhaupt nicht, wenn Menschen hinschauen oder über uns sprechen. Wir klären gerne auf, wir stillen gerne Neugierde, auf unserem Instagram-Account trommeln wir auch ganz öffentlich für die positive Wahrnehmung von Regenbogenfamilien. Wir möchten einfach mit einem Lächeln angesehen werden, weil man sich für uns freut, weil man sich für Lukas freut. Mal abgesehen davon, dass alle Männer mit Kind spätestens in den meisten Restaurants ein Problem bekommen, weil es keinen Wickeltisch auf dem Männerklo gibt!
Auf der anderen Seite sind wir nicht naiv und wissen, dass es den Moment irgendwann geben wird, dass wir anecken oder auch stolpern werden. Dass spätestens im Kindergarten irgendein Kumpel auch ganz platt aussprechen wird, was Wirklichkeit ist. Dass bei uns theoretisch eine Mama und ganz offensichtlich SEINE Mama fehlt und, dass es irgendwie komisch ist, dass er gleich zwei Papas hat. Auf diesen Moment sind wir aber bestmöglich vorbereitet. Er wächst völlig offen mit seiner Herkunft auf. So gut es eben geht und ein knapp Dreijähriger es versteht, so offen begegnen wir ihm mit seiner Geschichte, sei es in Bildern, sei es in Geschichten, immer nur ein bisschen und immer sehr bedacht.
Lukas Platz in der Gesellschaft
Und so sind wir der festen Überzeugung, dass Lukas seinen Platz in der Gesellschaft finden wird. Dass wir bedingungslos an seiner Seite stehen und ihm helfende Hände sind. Dass wir gemeinsam wieder aufstehen, sollten wir mal hinfallen und dass wir ihn in schlechteren Zeiten in den Arm nehmen und mit viel Liebe weiterhelfen. Für ihn ist das alles hier völlig normal, das Familienmodell ist für ihn normal. Er schaut zu uns auf, er vertraut und liebt genauso bedingungslos wie jedes andere Kind auch! Er liebt seine beiden Papas und wir lieben ihn.