Rassismus im Alltag schränkt die Lebensqualität und Sicherheit vieler Menschen massiv ein. Die Ausgrenzung von Bürgern anderen Aussehens und eines anderen kulturellen Backgrounds kommt leider auch in unserer modernen, aufgeklärten Welt immer noch vor. Dabei sollte Toleranz einer der Grundpfeiler in jeder Erziehung sein. Tatsächlich werden Vorurteile des nahen Umfeldes durch die Sozialisierung an Kinder weitergegeben. In diesem Zusammenhang sollten wir uns alle die Frage stellen, wo wir selbst noch etwas lernen können und wie wir unseren Nachwuchs weltoffen erziehen.
Wie entstand eigentlich Rassismus?
Der Ursprung von Rassismus liegt im 19. Jahrhundert und hängt stark mit der Kolonialisierung von Afrika und Südamerika zusammen. In diesem Kontext wurden unzählige Menschen versklavt, enteignet und ausgebeutet. Die europäische Herrscher-Elite, die für diese Gräueltaten verantwortlich war, rechtfertigte ihr Handeln durch eine angebliche Überlegenheit ihrer Moral und Lebensweise.
Sie fingen an, Menschen in unterschiedliche Gruppen einzuteilen. Das passierte rein aufgrund äußerlicher Merkmale. Durch diese Spaltung entstanden die Menschen-Rassen in den Köpfen. Für diese Einteilung gibt es übrigens keinen wissenschaftlichen Beweis. Laut Genetik existieren zwar Tier- aber keine Menschenrassen. Dennoch hält sich bis heute das Vorurteil hartnäckig, dass es unterschiedliche Rassen von Homo sapiens gibt. Das Schlimme dabei ist, dass Rassisten den Menschengruppen unterschiedliche Wertigkeiten zuordnen. In ihren Augen sind manche Menschen mehr wert als andere.
Anti-Rassismus-Erziehung fängt bei den Eltern an
Bei meiner Recherche zum Thema Rassismus bin ich auf eine erschreckende Studie gestoßen. Nun macht mir die Studie selbst keine Angst, aber ihre Ergebnisse. Eine Arbeitsgruppe der Universität Leipzig führt seit 2002 die sogenannte Mitte-Studie durch. Dabei wurde sechs Jahre lang auch das Teilprojekt “Gegen Rechtsextremismus” untersucht. In manchen Perioden konnten bei der Umfrage rechtsextreme Tendenzen bei bis zu 37 % der Westdeutschen und 42 % der Ostdeutschen verzeichnet werden. Was mich besonders schockiert hat, ist die Tatsache, dass ein Großteil der rechtsextremen Meinung von Wählern der demokratischen Mitte stammte. Es sind also Menschen wie Du und ich, die nach wie vor rassistisches Gedankengut in sich tragen. Oftmals werden Mitbürger rassistisch diskriminiert ohne, dass sich die Täter dessen wirklich bewusst sind. Im Gegenteil, die Übeltäter halten sich teilweise sogar für aufgeklärte, offene Menschen.
Vor diesem Hintergrund sollte sich jeder Erwachsene einmal selbst an der Nase packen. Wir sollten uns alle fragen: “Wo habe ich vielleicht rassistisches Gedankengut und merke es nicht?” Nur, wenn wir uns selbst von jeglicher Diskriminierung befreien, können wir unsere Kinder tolerant erziehen. Ansonsten besteht immer die Gefahr, dass wir ein falsches Menschenbild vermitteln.
(Unbewussten) Rassismus erkennen
Rassismus bedeutet nicht zwangsläufig, dass Menschen mit anderer Hautfarbe verprügelt oder anderweitig körperlich geschädigt werden. Er fängt bereits da an, wo wir einer Gruppe bestimmte Verhaltensweisen, Talente, Neigungen oder Eigenschaften zuordnen, ohne das Individuum zu berücksichtigen. Hier einige rassistische Beispiele:
- Alle Schwarzen können super tanzen/ Basketball spielen / schnell laufen.
- Asiaten stecken uns mit dem Corona-Virus an.
- Sinti und Roma fahren Luxusautos und leben in Baracken.
Wer darüber nachdenkt, ertappt sich vielleicht selbst dabei, dass er manchmal doch rassistische Sichtweisen an den Tag legt. Ich erlebe im Alltag immer wieder, dass wir – unter vorgehaltener Hand – Menschen wegen ihrer Herkunft oder ihres Aussehens diskriminieren. Tatsächlich habe ich erst am Wochenende einen Post auf Facebook gelesen, bei dem eine Bekannte ihre Angst vor niesenden Asiaten im ICE beschrieb. Ist das bereits Rassismus?
Ich finde, dass wir Rassismus im Alltag am besten erkennen können, wenn wir uns mit betroffenen Menschen unterhalten. Höre Leuten zu, die Diskriminierungen ausgesetzt sind. Lausche ihren Erfahrungen und ihrem Schmerz. Manchmal sind es die kleinen Äußerungen, die uns am meisten verletzen.
Wusstest Du, dass schwarze Menschen früher in Zoos gehalten wurden? Die Frage, ob Dein Kind die Haare eines dunkelhäutigen Menschen anfassen darf, ist deshalb sehr heikel. Du willst bestimmt nicht, dass sich Euer Gegenüber an ein exotisches Ausstellungsstück erinnert fühlt. Andererseits finde ich es okay, wenn ein Kind einfach neugierig auf Locken ist und diese Frage unabhängig vom kulturellen Background stellen würde. Aber das ist meine Meinung und ich kann nicht einschätzen, wie sich andere Menschen in so einer Situation fühlen würden. Deshalb sind Gespräche mit Betroffenen extrem wichtig.
Jeder von uns sollte sich Gedanken machen, wo wir in Zukunft besser handeln und uns gegen Rassismus stark machen können.
Erziehe Deine Kinder weltoffen & tolerant
Der erste Schritt, um Deinen Nachwuchs zur Toleranz gegenüber anderen zu erziehen, ist das Vorleben. Kein Kind wird als Rassist geboren. Wenn Du Deinem Sohn oder Deiner Tochter ein offenes Weltbild vorlebst, stehen die Chancen gut, dass die Kids selbst offenbleiben.
Wähle bewusst die Medien Deiner Kinder aus. Du kannst bereits bei Babys anfangen und ihnen Bilderbücher zeigen, in denen Charaktere mit unterschiedlicher kultureller Herkunft abgebildet sind. Gehe altersgerecht vor. Integriere einfach ein möglichst buntes Umfeld in Euren Alltag. Das fängt bei Bilderbüchern und Kindersendungen an und hört beim Freundeskreis auf. Schau Dir KiTa und Kindergarten an, bevor Du Dich dort für einen Platz entscheidest. Wie sind die Gruppen zusammengesetzt? Hat Dein Nachwuchs dort die Chance, dass es mit Kindern aus anderen Kulturkreisen spielen kann?
Auch beim Spielzeugkauf kannst Du einen weltoffenen Grundstein legen. Hat Dein Kind eine asiatisch oder afrikanisch aussehende Babypuppe? Vielleicht wäre das ein gutes Geschenk zum Geburtstag oder zu Weihnachten? Ich kann mir vorstellen, dass niemand später Menschen aufgrund ihres Aussehens diskriminiert, wenn sie den besten Kindergartenfreunden oder der Lieblingspuppe ähnlich sehen.
Kennst Du den “hautfarbenen” Stift in Eurer Buntstiftsammlung? Als ich ein Kind war, stand fest, dass es sich dabei um dieses leichte Rosa-Gelb handelt. Tatsächlich habe ich kaum je einen Menschen getroffen, dessen Haut wirklich diese Farbe hat. Aber im Grunde handelt es sich bereits um Rassismus, diesen Stift als “Hautfarbe” zu bezeichnen. Kinder malen sowieso Menschen und Tiere in den buntesten Tönen aus. Schließ Dich an und nimm auch selbst mal hellere und dunklerer Farben, wenn Du Haut schraffierst.
Sprich mit Deinem Kind regelmäßig über Rassismus. Die Angelegenheit kannst Du ruhig bereits im Vorschulalter anschneiden. Nutze bestimmte Anlässe, um das Thema Rassismus anzugehen und darüber aufzuklären. Derzeit bieten sich zum Beispiel die Massenproteste aufgrund des Todes von Georg Floyd an. Normalerweise gibt es auch im Alltag immer wieder Optionen, sich mit Diskriminierung zu beschäftigen. Haltet einfach Augen und Ohren offen und diskutiert frei in der Familie.
Achte auf Gestik, Mimik und Euer Vokabular. Imitiert beispielsweise keine Asiaten, indem Ihr die Augen zu Schlitzen nach hinten zieht. Dass es sich verbietet Affengeräusche für Schwarze zu machen, sollte jedem klar sein. Es gibt auch Spiele wie “Schwarzer Mann”, die am besten sofort aus Eurem Repertoire fliegen. Dieses Fangspiel impliziert, dass schwarze Männer gefährlich sind und man vor ihnen davonlaufen sollte. Ihr könnt es weiterhin spielen, aber dann benennt es anders. Mittlerweile ist es relativ geläufig, dass Gegenstände, Kunstwerke oder andere Dinge mit diskriminierenden Namen neue Bezeichnungen erhalten. So heißt der Mohrenkopf heutzutage Schaumkuss. Sorge unbedingt dafür, dass ihr das aktuelle, neutrale Wording aktiv einsetzt.
Hilft Reisen gegen Rassismus?
Meine persönliche Erfahrung
Jein. Meine Tochter und ich lebten mehrere Jahre in Asien. Die Kleine wächst ganz selbstverständlich mit kulturellen und äußerlichen Unterschieden auf. Wir sprechen immer wieder darüber. So fragte sie mich in der Vergangenheit beispielsweise, wieso wir nicht in den Tempel gehen oder die Nanny den Osterhasen nicht kennt.
Was jetzt kommt, fällt mir schwer zu schreiben. Bisher habe ich das nur unter vorgehaltener Hand mit betroffenen Familien besprochen. Es gibt nämlich tatsächlich Kinder von Reisefamilien, die eine Art Rassismus entwickeln. Sie laufen zum Beispiel weg oder verstecken ihre Gesichter, wenn Menschen bestimmten Aussehens auf sie zukommen. Je kleiner die Kids sind, umso öfter konnte ich das Phänomen feststellen. Meistens verliert sich diese Anwandlung im Laufe der ersten paar Lebensjahre. Sie kommt auch nicht bei allzu vielen Kindern vor.
Ich vermute, es liegt am anderen Umgang mit Babys in anderen Kulturen. In Indien wurde meine Tochter mehrfach täglich in die Wangen gezwickt. In Nordsumatra habe ich erlebt, wie Menschen die Nasen von weißen Babys schmerzhaft quetschten, weil sie zuvor noch nie Babys mit westlichen Nasen gesehen haben. Passiert das den Kleinen wiederholt, fangen sie wahrscheinlich an, eine gewisse Skepsis bis Angst gegenüber Menschen mit bestimmtem Aussehen zu entwickeln. So, jetzt ist es raus. Die betroffenen Kinder, die ich kannte, waren zu klein, um darüber mit ihnen zu reden. Bis sie richtig sprechen konnten, hatte sich das Verhalten wieder normalisiert. Bei uns ist es mittlerweile so, dass die Kleine alle asiatisch aussehenden Frauen anhimmelt, weil sie ganz tiefe Verbindungen auf Bali aufgebaut hat.
Ein anderes Problem ist die offene Verehrung weißer Haut in anderen Ländern. Als wir letztens in einem großen Spielwarengeschäft in München waren, fing meine Tochter an, lautstark über ihre schöne, weiße Haut zu singen. Ja, ich wollte im Erdboden versinken. Für die Umstehenden war das Verhalten natürlich befremdlich. Aber in Indien und Indonesien wurde die Kleine beinahe für ihre helle Haut angebetet. Es ist schwierig, eine solche Situation zu entschärfen. Wichtig sind auch hier immer wieder Gespräche und Erklärungen.
In dem Zusammenhang fällt mir ein, dass ich Rassismus am eigenen Körper erfahren habe. So beherbergten manche Hotels in Indien keine Weißen. In einer Stadt hatten wir deshalb massive Schwierigkeiten, eine Herberge für die Nacht zu finden. Der öffentliche Kindergarten in Ubud (Bali) hat uns auch abgelehnt, weil sie nur einheimische Kids aufnehmen. Das hat mich beides allerdings gar nicht wirklich vor den Kopf gestoßen, weil es Ausnahmefälle sind. Im Grunde ist weiße Haut in vielen Teilen der Welt immer noch eher ein Türöffner als ein Problem.
Was mich und meine Tochter das Reisen gelehrt hat, ist, dass die meisten Menschen – egal aus welchem Land und mit welchen äußeren Merkmalen – großartig, hilfsbereit und freundlich sind. Es ist spannend und schön, dass es so viele unterschiedliche Kulturen auf diesem Planeten gibt. Manche der Verhaltensweisen können wir nachvollziehen, andere nicht. Aber nichts ist besser oder schlechter, mehr oder weniger wert. Wir können immer voneinander lernen und uns gegenseitig bereichern. Mir tut es in der Seele weh, wenn jemand Witze auf Kosten von Asiaten macht. Weil wir dort so viele wunderbare Freunde gefunden haben. Deshalb schützt Reisen vor gewissen Rassismus-Gefahren nicht, aber es baut Brücken, schafft Verständnis und sät Liebe – weltweit. Und ein weltumspannendes Netz aus Liebe und Mitgefühl ist der beste Schutz vor Diskriminierung und Rassismus.
Lasst uns gemeinsam für unsere Kinder eine bessere und sichere Zukunft schaffen! Denn alle Eltern wünschen sich doch für ihre Kinder, dass sie angstfrei und glücklich leben können. Und das sollte unabhängig von Hautfarbe, Abstammung und Religion für alle Menschen gleichermaßen möglich sein. Es liegt in unserer Hand. Kein Mensch ist weniger wert – wir sind alle gleich. Also geht mit gutem Beispiel voran.
Wie sind Deine Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung? Hast Du vielleicht noch weitere Vorschläge, wie man Rassismus von Anfang an in der Erziehung verhindern kann? Hinterlasse uns gerne einen Kommentar, uns interessiert Deine Geschichte und Deine Meinung.
Zunächst vielen Dank für diesen wertvollen Artikel. Rassismus fängt mit der Erziehung an und wir müssen bei unseren Kindern anfangen. Dieses Thema liegt mir allgemein sehr am Herzen.
Ich möchte jedoch gerne noch folgende Anmerkungen machen (Achtung:Ich bin keine Betroffene, sondern gebe nur das weiter, was ich bisher gelernt habe):
1. Bitte nicht den Begriff „dunkelhäutig“ verwenden. Denn sowohl „dunkelhäutig“ als auch „farbig“ kommen aus dem Kolonialismus. Besser ist hier entweder „POC“ für People of Color oder einfach Schwarz (groß geschrieben). Das sind natürlich die Selbstbezeichnungen, die Betroffene für sich ausgewählt haben.
2. Es gibt keinen Rassismus gegen Weiße! Was Sie mit Ihrer Tochter erlebt haben, ist diskriminierend und das tut mir Leid. Aber es ist kein Rassismus.
Denn Rassismus ist ein System, welches in der Kolonialzeit erschaffen wurde, um zu rechtfertigen, Schwarze Menschen zu versklaven. So etwas Ähnliches haben Sie in Ihrem Artikel anfangs auch geschrieben. Und es stimmt. Erst, wenn wir Weiße 400 Jahre lang von Schwarzen Menschen versklavt, entmenschlicht und unserer Kultur beraubt worden wären, bis heute strukturelle Gewalt erleben würden, uns immer wieder suggeriert würde, dass wir schlecht wären, weil wir weiß sind, dann kann man von Rassismus gegen Weiße sprechen.
Den letzten Part habe ich aus einem Instagrampost von Aminata Toure (Politikerin und Vizepräsidentin des Schleswig Holsteinischen Landtags). Den Teil aus dem ersten Part habe ich aus einem Glossar für diskriminierungssensible Sprache. Hier sind die Links: https://www.amnesty.de/2017/3/1/glossar-fuer-diskriminierungssensible-sprache,
https://www.amazedmag.de/rassismus-gegen-weisse-erklaerung/.