„Wow, das hast du aber gut gemacht!“ oder „Ach, das hast du aber toll gemalt!“ wir alle kennen solche Sätze. Kinder zu loben für ihre Handlungen gehört mittlerweile zur Tagesordnung. Ob zu Hause, durch Familie oder Freunde oder im Kindergarten: Überall hören wir diese Sätze. Sie kommen schneller, als man denkt. Aber sind diese Belobigungen notwendig für die kindliche Entwicklung oder können sie sogar Schaden anrichten? Was gegen das Loben von Kindern spricht und welche Alternativen es gibt, zeige ich Dir heute.
Was passiert beim Kind, wenn wir es für sein Handeln loben?
Ein Lob kann gleichgesetzt werden mit einer Belohnung. Der angesagte Familientherapeut Jesper Juul äußerte sich hierzu folgendermaßen: „Lob schüttet Lusthormone aus, und danach werden Kinder süchtig. Verstehen Sie mich nicht falsch: Man kann seine Kinder Tag und Nacht loben. Die Frage ist nur: Was passiert dann? Wenn man ein Kind will, das einfach nur funktioniert, ohne nachzudenken, ist Lob eine praktische Sache.„ Lobst Du Dein Kind, entsteht der Eindruck bei ihm, dass es etwas ganz besonders gut gemacht hat. Es freut sich natürlich über diese Anerkennung und wird dazu tendieren, diese Handlung zu wiederholen. Denken wir mal an eine typische Spielplatzsituation: Wie oft hast Du gehört wie andere Eltern zu ihren Kindern sagten „Wow, du bist aber toll gerutscht!“ oder „Toll, wie du da hochkletterst!“
Kinder wollen und brauchen aber keine Belobigungen. Sie wollen gesehen werden! Indem wir das Kind loben, bewerten wir gleichzeitig sein Handeln. Man könnte hart ausgedrückt sagen, dass ein „Das hast du aber schlecht gemacht“ gleichzusetzen ist mit einem „Das hast du aber gut gemacht!“ Außerdem kann es passieren, dass das Kind durch überschwängliches Loben verunsichert ist und das Lob beginnt in Frage zu stellen. Was ja erstmal nicht schlecht ist. Wenn es nun aber weiterhin für diese Sache gelobt wird, obwohl es selbst denkt, es habe dieses Lob gar nicht verdient, wird es anfangen seine eigene Ansicht/Person in Frage zu stellen. Ein Konflikt ist vorprogrammiert.
Kinder loben: mögliche Folgen
Wie bereits erwähnt führt ein Lob der Eltern dazu, dass das Kind sein Handeln dahingehend ausrichtet, diesen zu gefallen. Es lernt, es bekommt Aufmerksamkeit dafür und macht es immer und immer wieder so. Seine Freiheit im Ausprobieren wird begrenzt, da es ja gefallen möchte. Lobst Du Dein Kind für ein Bild, was es gemalt hat, ist es sehr wahrscheinlich, dass es öfter mit Dir malen möchte als alleine und die gleiche Art und Weise oder Farben wählt wie zuvor. Es orientiert sich an Dir. Lobst Du es nun nicht mehr, fühlt es sich wahrscheinlich schlecht und versteht nicht, was los ist. Es kann sogar passieren, dass es sich Vorwürfe macht und denkt, es mache nun etwas falsch. Wir vermitteln dem Kind durch das Lob, dass wir es lieben für sein Tun und nicht dafür, wie es als kleiner Mensch ist.
Kinder brauchen das Gefühl bedingungslos geliebt zu werden. Dessen können sie sich allerdings nicht von Natur aus sicher sein. Also beobachten sie uns und suchen nach Rückversicherung in unserem Handeln und unseren Worten.
Eine Studie mit drei- und fünfjährigen Kindern an der University of Toronto konnte belegen, dass Kinder die regelmäßig in einem Spiel gelobt wurden, unter Druck gerieten und anschließend aus Angst zu versagen schummelten. In einer weiteren Studie von Dr. Carol Dweck wurden Fünftklässler in zwei Gruppen aufgeteilt: Einer Gruppe wurde gesagt, dass sie schlau seinen, der anderen, dass sie sich wirklich angestrengt haben. Ein klarer Unterschied. Bei der nächsten Aufgabe konnten die Kinder nun wählen, ob die kommende Aufgabe schwerer oder leichter sein soll. Die Kinder aus der ersten Gruppe (Lob) wählten die leichtere und 90% der zweiten Gruppe die schwierigere Aufgabe. Was zeigt uns das? Die Kinder der Lobgruppe bekamen Versagensängste. Die anderen Kinder jedoch trauten sich eine Herausforderung zu und wollten dazu lernen.
Kinder loben: So gehe ich damit um
Ich erinnere mich noch gut an einen Tag in Berlin, als meine kleine Tochter ein Gerüst hochkletterte und ich sagte „Wow, du kletterst ja super!“ Ich lobte in dieser Zeit viel, da ich es anders machen wollte als meine Eltern. Als ich klein war erfuhr ich sehr viel Kritik an mir und meinen Taten und als Erwachsene hatte ich entweder Probleme ein Lob anzunehmen oder sehnte mich danach. Ich möchte es anders machen, dachte ich. Loben sollte mein Kind stärken und selbstbewusst machen. Ich lobte sie also, allerdings nicht rund um die Uhr. Früh spürte ich, dass das Loben für uns irgendwie doch nicht passt. Als ich mich dann ausführlich mit gewaltfreier und bedürfnisorientierter Erziehung und vor allem mit Jesper Juul auseinandersetzte, fiel der Groschen. Ich entschied mich dazu, nicht mehr zu loben und auch unser näheres Umfeld drauf aufmerksam zu machen. Heute leben wir zu 95% frei von Lob.
Alternativen zum Loben von Kindern
Aber ich möchte meinem Kind doch Anerkennung zeigen. Was sage ich denn dann nun zu meinem Kind, wenn es etwas „gut gemacht“ hat in meinen Augen, fragst Du Dich jetzt bestimmt. Lösung: Wir beschreiben neutral, was wir sehen oder wie wir uns dabei fühlen. Hier einige Beispiele:
Lob | Alternative |
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„Das hast du aber toll gemalt“ | „Ich sehe du hast blaue, gelbe und grüne Farbe benutzt. Ich freue mich, wenn dir malen Spaß macht." |
„Du bist aber toll gerutscht“ | „Die Rutsche war ja ganz schnell. Ich sehe du hast ganz viel Spaß dabei. Da freue ich mich.“ |
„Wow, hast du eine tolle Sandburg gebaut!“ | „Ja, ich sehe du hast eine Sandburg gebaut. Das macht dir ganz viel Spaß“ |
„Ich finde es ganz toll, dass du beim Aufräumen geholfen hast.“ | „Ich freue mich, dass du mir beim Aufräumen geholfen hast, da mir Ordnung wichtig ist.“ |
„Toll, dass du dein Spielzeug teilst.“ | „Ich freue mich, wenn du mit anderen teilen möchtest, da mir Kooperation wichtig ist.“ |
„Wow, du hast so toll gepuzzelt.“ | „Wow, du hast das Puzzle ganz alleine geschafft. Da freue ich mich, da mir deine Autonomie und dein Spaß so wichtig sind." |
Siehst du den Unterschied?
In der gewaltfreien Kommunikation teilen wir unsere Bedürfnisse mit. Daher sage ich meiner Tochter meistens, warum ich mich gerade freue oder Begeisterung empfinde.
Fazit
Loben ist und bleibt ein kontroverses Thema. Letztendlich musst und kannst Du für Dich entscheiden, wie Du es bei Deinem Kind / Deinen Kindern handhaben möchtest. Und übrigens: Ich benutze durchaus ein „Wow“ oder „Oh“ vor meinen neutralen Sätzen und drücke damit meine Freude/Begeisterung für mein Kind aus. Manchmal denke ich, das ist zu viel. Gleichzeitig weiß ich, dass alles ein Prozess ist. Also versuche ich da nicht so streng (mit mir) zu sein. Wir geben schließlich alle unser Bestes. Mit oder ohne Loben.
Wie sind Deine Erfahrung mit dem Loben von Kindern? Lobst Du Dein Kind viel oder hast Du auch einen anderen Weg für die Erziehung gewählt? Wir freuen uns über Eure Story in den Kommentaren.
Manches wirkt wie Wortklauberei. So würde ich die alternativen Formulierungen zum Teil ebenfalls als „Lob“ verstehen, wenngleich weniger „pauschal“, u.a. weil die Bedürfnisse hervorhebend. Das ist natürlich viel schöner. Und wie viel Kinder mit Begriffen wie „Kooperation“ oder „Autonomie“ anfangen können, weiß ich auch nicht. Zumal man unterstellen kann, dass es Mama ähnlich wie bei einem reinen „gut gemacht“ auch weiterhin gefallen möchte, wenn sie sich doch so drüber freut. Gibt’s da evtl. weiterführende Hinweise? Also bezüglich der Formulierungen, hier macht’s noch nicht richtig „Klick“.
Danke für diesen Artikel zum Loben. Obwohl ich das Thema scho tausendmal gelesen habe, sind viele Eltern immer noch sehr unsicher, wie sie es „richtig“ machen können. Da ist ihr Artikel hier bestimmt hilfreich. Ergänzend möchte ich den Artikel von den online-familienberater.de empfehlen, der das Thema aus der Haltung der bindungs- und bedürfnisorientierten Erziehung nach Jesper Juul beleuchtet:
online-familienberater.de/2023/02/16/kinder-loben-aber-richtig