Als mein Sohn Theo ungefähr 3 Jahre alt war und wir am Strand waren, kletterte er auf einem Fischerboot. Nach kurzer Zeit kam eine aufgeregte Frau und sagte ihm, dass er besser runter kommen solle, weil er sonst runterfällt. Theo war daraufhin sehr verwirrt, schaute mich an und fragte mich, ob er wirklich runterfallen wird. Ich antworte ihm mit einem Lächeln und einem Nein. Eltern wollen ihre Kinder beschützen, aber diese so gute und verständliche Absicht kann gravierende Folgen haben. Es ist nicht selten, dass Eltern ihre Ängste auf ihre Kinder übertragen. Welche Folgen können Ängste bei Kindern haben und wie kann man mit ihnen umgehen?
Wenn Kinder mit Ängsten aufwachsen
Typische Ängste, mit denen Kinder aufwachsen, sind Phobien vor Tieren oder die Angst vor Dunkelheit. Aber auch soziale Ängste können schon bei Kindern Teil des Lebens sein. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass Dein Kind Angst hat in den Kontakt mit anderen Kindern zu treten, oder zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die Angst abgelehnt zu werden oder sich zu blamieren spielt dabei eine große Rolle. Diese Ängste werden oft von den Eltern auf ihre Kinder übertragen: sei es die Angst vor Krabbeltieren oder eine soziale Angst, welche für das Leben Deines Kindes gravierende Folgen haben kann.
Zum einen kann ein sozial ängstliches Elternteil zwischenmenschliche Situationen meiden, dadurch fehlen dem Kind die Vorbilder, wie man sich selbstsicher in sozialen Situation verhält. Zum anderen befürchten betroffene Eltern oft, dass das eigene Kind von Anderen be- oder verurteilt werden könnte. Vor solchen Situationen möchte man sein Kind natürlich schützen.
Aber: die sozialen Ängste der Eltern können dazu führen, dass Kinder ebenfalls soziale Ängste entwickeln, an Selbstbewusstsein verlieren und durch das Meiden solcher Situationen nicht genug Übung für ihr Erwachsenenleben haben. Sicher ist, dass das “Erlernen” von Ängsten im Kleinkindalter das ganze Leben beeinflussen kann.
Wie entstehen Ängste bei Kindern?
Als Mutter oder Vater bist Du die erste und bedeutungsvollste Bezugsperson Deines Kindes. Es vertraut Dir und übernimmt dementsprechend Deine Ängste. Das bedeutet, dass Dein Kind sich zum Beispiel mehr zutrauen wird, wenn Du ihm das Gefühl gibst, dass es das schaffen kann. Wenn Du keine Angst zeigst wird Dein Kind auch weniger oder keine Angst haben. Spürt Dein Kind Deine Zweifel, wird es auch mit weniger Selbstbewusstsein an die Aufgabe herangehen. Wichtig ist, dass Du weißt, dass solche Signale auch unbewusst ausgesendet werden.
Aus solchen Unsicherheiten können sich Ängste entwickeln. Wenn Du mit Deinem Kind zum Beispiel auf dem Spielplatz bist und Dir nicht sicher bist, ob Dein Kind es schon schafft über den Balken zu balancieren und Du Angst hast, dass es herunterfällt, wirst Du das auch ausstrahlen. Das kann zu einer Unsicherheit bei Deinem Kind führen. Dadurch können zum einen natürlich Unfälle passieren, zum anderen traut sich Dein Kind in diesem Augenblick nicht zu balancieren. Im “schlimmsten” Fall wird es sich auch die nächsten Male nicht trauen und eventuell sogar eine Angst davor entwickeln.
Eine andere Stiuation ist beispielsweise die Angst vor bestimmten Krabbeltieren. Für ein Kleinkind gibt es erst einmal keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Insekten. Wenn Du jetzt aber ganz große Angst vor Spinnen hast und jedes Mal laut schreist, wenn Du eine siehst, kannst Du Dir fast sicher sein, dass es Deinem Kind genauso gehen wird.
Du solltest Dir bewusst sein, dass sich Deine Ängste leicht auf Deine Kinder übertragen und ihr ganzes Leben beeinflussen können. Es kann sein, dass sie diese Ängste ihr ganzes Leben mit sich herumtragen müssen und sie im Zweifelsfall sogar ihren Alltag einschränken können. Phobien, regelmäßige Panikattacken und Angstzustände können die Folge davon sein.
Natürlich sollte man sein Kind über die Gefahren in der Welt aufklären, aber anstatt die Angst davor zu schüren, solltest Du Deinem Kind lieber das Selbstbewusstsein und Strategien mit auf seinen Lebensweg geben. Und dazu gehört, dass Du schon Deinem Kleinkind die Möglichkeit gibst, Situation zu erleben und Dinge auszuprobieren: zeige Deinem Kind, dass Du hinter ihm stehst und es liebst, genauso wie es ist.
Ich erinnere mich daran, dass meine Eltern Angst hatten, dass ich in Situationen zu übermütig bin und mir dieser Übermut zum Verhängnis wird. Aber heute weiß ich, dass Kinder, die Angst haben, eher zu Opfern werden, als selbstbewusste und angstfreie Kinder.
Was ist angstfreie Erziehung?
Angstfreie Erziehung befindet sich auf einem schmalen Grad zwischen Überbehütung und Freiheit. Angstfreie Erziehung heißt nicht, ein Kleinkind schon alleine Einkaufen gehen zu lassen. Es heißt auch nicht, dass Dein Kind gar keine Angst haben darf. Entwicklungsbedingte Ängste sollten aber nicht die Überhand nehmen und vor allem sollten Ängste nicht von den Eltern übertragen werden.
Außerdem ist es wichtig, dass Kinder den Umgang mit ihren Ängsten lernen, diese anzunehmen und zu bewältigen. Ängste gehören zu einer natürlichen Entwicklung dazu. Sie stellen eine Reaktion auf bspw. unbekannte Situationen dar und können lebenswichtig sein. Du solltest Deinem Kind das Gefühl geben, dass es völlig in Ordnung ist Angst zu haben, es aber genauso wichtig ist, die Angst nicht das Leben bestimmen zu lassen.
Ich habe schon erlebt, dass es Eltern gibt, die Angst zu Erziehungszwecken benutzen. Also zum Beispiel: “Wenn du nicht hörst, kommt der … und holt dich.” Aber auch Sätze wie “Das ist ja zum Davonlaufen” oder “Du bringst mich noch ins Grab” können bei Deinem Kind schlimme Ängste auslösen. Angstfreie Erziehung verzichtet auf solche Sätze, im Gegenteil: Angstfreie Erziehung hat das Ziel Dein Kind zu stärken.
Zum anderen gibt angstfreie Erziehung Deinem Kind die Möglichkeit eigene Erfahrungen zu machen und Entscheidungen zu treffen, denn nur so kann Dein Kind lernen, Gefahren selbst einzuschätzen. Dazu gehöhrt auch, dass Du die Ängste Deines Kindes zwar hörst und ernst nimmst, aber gleichzeitig genug Vertrauen hast, dass Dein Kind die Herausforderung meistert.
Wie angstfrei erziehen?
Bei dem Umgang mit der Angst Deines Kindes ist es wichtig, dass Du keine versteckten Doppelbotschaften sendest. Also Du kannst Deinem Kind zwar sagen, dass es in Ordnung ist, dass es sich nicht traut zu rutschen, aber wenn Du es immer wieder darauf hinweist, wie toll das die anderen Kinder machen, kann das am Selbstbewusstsein Deines Kindes kratzen.
Bei der angstfreien Erziehung werden Sätze wie “Sei vorsichtig!” oder “Pass auf!” nicht benutzt. Und obwohl dahinter ein gut gemeinter Rat und die Sorge um das eigenen Kind steckt, kann Dein Kind dadurch erst Angst bekommen und unsicher werden. Stattdessen werden in der angstfreien Erziehung positive Formulierungen gewählt, um Dein Kind vor möglichen Risiken zu schützen. Es werden eher Sätze wie “Halte dich gut fest, dann schaffst du das” oder “Achte auf die Autos und Fahrräder, dann kommst du sicher über die Straße” genutzt.
Kinder versuchen in der Regel unbewusst immer Deine Erwartungen zu erfüllen. Wenn Du Deinem Kind also regelmäßig sagst oder das Gefühl gibst, dass es ängstlich ist, wird er/ sie das auch bleiben. Wichtig ist, dass Du Dich auf die Stärken Deines Kindes konzentrierst und darüber sprichst.
Die angstfreie Erziehung geht außerdem vom bestmöglichen Fall aus. Also nicht, wie die Frau am Strand, die meinem Sohn sagte, dass er von dem Boot fallen wird, sondern davon, dass alles gut geht. Denn solche Befürchtungen führen zu Unsicherheiten und Unsicherheiten führen zu Fehlern.
Du darfst Angst haben
Angst schützt Dich und Dein Kind vor Gefahren und ist deshalb Teil einer normalen und gesunden Entwicklung. Durch Angst lernen Kinder auch Gefahren einzuschätzen und sich nicht blind in jedes Abenteuer zu stürzen. Wichtig ist aber, dass diese Angst nicht bleibt, sondern sich daraus ein verantwortungsvoller Umgang mit der Situation entwickelt.
Zum Beispiel im Straßenverkehr: bei Kleinkindern macht es erstmal Sinn, dass sie einen gewissen Respekt vor den großen, schnellen Autos haben, damit sie nicht einfach so auf die Straße laufen. Aber es ist auch wichtig, dass wir den Kindern die Angst ein Stück weit nehmen und ihnen einen sicheren Umgang im Straßenverkehr beibringen, damit sie sich später selbstbewusst und sicher auf der Straße bewegen.
Wie könnt Ihr lernen mit Ängsten umzugehen?
- Kinder müssen lernen mit ihren Ängsten selbst umzugehen. Natürlich hast Du als Mutter oder Vater Angst um Dein Kind und möchtest es beschützen und das am Besten rund um die Uhr. Wie gehst Du mit der Angst Deines Kindes um? Wenn Dein Kind sich Dir öffnet, darfst Du natürlich mit Rat und Tat zur Seite stehen, aber die Idee sollte von Deinem Kind kommen. Durch den Erfolg eine Angst alleine zu überwinden, lernt Dein Kind auch für die Zukunft mit seinen Ängsten umzugehen.
- Höre und sehe Dein Kind. Zeige Deinem Kind, dass Du ihm/ ihr zuhörst. Es ist wichtig, dass sich Dein Kind von Dir gesehen fühlt. Wenn sich Dein Kind nicht wahrgenommen und ernst genommen fühlt, können sich auch Unsicherheiten und daraus Ängste entwickeln. Zum Beispiel die Angst, dass Du Dein Kind nicht liebst, oder zum Beispiel gegenüber einem Geschwisterkind vernachlässigst.
- Offen über Ängste sprechen. Wenn Du und Dein Kind offen und ehrlich miteinander kommunizieren könnt und Dein Kind versteht, dass er/sie sich Dir öffnen kann, ist das eine wichtige Grundlage für gegenseitiges Vertrauen. Denn dann kannst Du Deinem Kind Mut machen und Rückhalt geben. Sprich auch über Deine eigenen Ängste, denn so versteht Dein Kind, dass Angst etwas natürliches ist und so könnt Ihr Euch gemeinsam Strategien überlegen mit Euren Ängsten umzugehen.
- Mut machen und das Selbstbewusstsein stärken. Selbstbewusste Kinder haben weniger Angst. Durch Liebe, Geborgenheit und Vertrauen wird Dein Kind selbstbewusst, weil er /sie weiß, dass Du da bist, egal was passiert.
- Verständnis für die Ängste. Tröste Dein Kind, wenn es Angst hat und spiele die Angst nicht herunter, oder mache Dich nicht darüber lustig – egal wie unbegründet oder lächerlich Dir die Angst erscheint. Denn das könnte dazu führen, dass sich Dein Kind Dir nicht mehr öffnet und so Schwierigkeiten bekommt mit seinen Ängsten umzugehen.
- Vorbild sein. Je angstfreier Du bist, desto weniger Ängste wird auch Dein Kind haben. Lasse Dein Kind daran teilhaben, wie Du mit Ängsten umgehst oder diese überwindest. Wichtig ist außerdem, dass Du offen mit Deinem Kind über Deine Ängste sprichst.
- Rollenspiele und Rituale. Durch Rollenspiele oder Rituale kannst Du Deinem Kind Sicherheit geben. Ihr könnt Situationen zu Hause durchspielen und üben, sodass Dein Kind weiß was auf sie/ ihn zukommt. (Zum Beispiel Besuch beim Arzt). Dabei kann man sich auch ein Ritual überlegen, dass in einer Angstsituation helfen kann, zum Beispiel ein bestimmtes Lied zu singen.
Leidet Dein Kind unter bestimmten Ängsten? Wie geht Ihr mit Ängsten bei Kindern um? Erzähle uns davon in den Kommentaren.
Servus, danke für den Beitrag. Ist sehr Interessant! Grüße aus Bayern