Wenn Du ein Baby erwartest, untersucht Dich regelmäßig Dein/e Frauenarzt/Frauenärztin. Dabei achtet er/sie unter anderem darauf, ob der Fötus Anzeichen eines offenen Rückens aufweist. Bei einer von 1.000 Schwangerschaften kommt dieser Neuralrohrdefekt vor. Ich wusste ehrlich gesagt überhaupt nicht, was ich mir unter der Fehlbildung vorstellen kann. Deshalb habe ich intensiv recherchiert und möchte gerne meine Erkenntnisse mit Dir teilen.
Was ist ein „offener Rücken“ beim Baby?
Der Fachbegriff für einen offenen Rücken lautet Spina bifida. Frei übersetzen kannst Du Spina bifida mit „gespaltene Wirbelsäule“. Es handelt sich um eine Fehlbildung des Neuralrohrs, die angeboren ist. Der Defekt kann unterschiedlich stark ausgebildet sein und auch an unterschiedlichen Stellen der Wirbelsäule vorkommen.
Am häufigsten tritt er im unteren Rücken auf. Sowohl Lendenwirbelsäule als auch Kreuzbein können betroffen sein. In deutlich geringerem Umfang tritt der Neuralrohrdefekt auch im Brust- und Halswirbelbereich sowie im Gehirn auf.
Ein offener Rücken fällt teilweise so minimal aus, dass die Betroffenen ihn überhaupt nicht bemerken. Dann spricht der Fachmann von Spina bifida occulta. Dabei handelt es sich lediglich um einen kleinen Spalt des Rippenbogens. Meistens wird er zufällig entdeckt und macht den Betroffenen keinerlei Schwierigkeiten.
Dagegen ist die Form Spina bifida aperta offensichtlich. Sie ist mit bloßem Auge erkennbar. Bei der Spinida bifida aperta gibt es drei Abstufungen.
Beim leichtesten Verlauf (Meningozele) zeigt sich bloß eine Art Blase an der Wirbelsäule des Babys. Diese Blase entsteht, weil sich die Häute des Rückenmarks durch die Spalte in der Wirbelsäule drücken. Normalerweise ist dies eher ein kosmetisches Problem. Die hervorstehende Zyste kann in einer Operation entfernt werden.
Schwieriger dagegen ist die Myelomeningozele. Dabei tritt neben den Rückenmarkhäuten auch Nervengewebe und Rückenmark aus. Allerdings umschließt die Haut des Babys die Austrittsstelle. Bei der schlimmsten Form – der Myeloschisis – ist die Oberfläche offen, keine schützende Hautschicht umgibt das austretende Rückenmark.
Wie entsteht eine Spina bifida?
Bis heute ist nicht vollständig geklärt, wie es zu einem offenen Rücken kommt. Feststeht allerdings, dass die Fehlbildung bereits im Frühstadium der Schwangerschaft stattfindet. Normalerweise zwischen dem 22. und 28. Tag.
In dieser Zeit werden wichtige Teile des Nervensystems angelegt. Zur Spina bifida kommt es, wenn sich das Neuralrohr nicht vollständig schließt. Bei einer normalen Entwicklung wachsen paarige Wülste um die sogenannte Neuralrinne. Irgendwann umschließen sie die Rinne vollständig und bilden ein Rohr – das sogenannte Neuralrohr. Beim offenen Rücken gibt es Probleme beim Verschluss, es entsteht irgendwo im Rückenbereich ein Spalt.
Der Defekt kommt bei Mädchen häufiger vor als bei Jungen. Außerdem deutet einiges darauf hin, dass er vererbbar ist. In einigen Familien sind immer wieder Mitglieder vom offenen Rücken betroffen, während er in anderen Familien überhaupt nicht vorkommt.
Spina bifida vorbeugen
Aber nicht nur die Genetik scheint eine Rolle zu spielen, auch Nährstoffmangel und bestimmte Medikamente können bei der Neuralrohrstörung ursächlich sein. So kann unter anderem ein Folsäuremangel zu einem offenen Rücken führen. Präventiv raten Mediziner deshalb jeder Schwangeren zur Einnahme von 0,4 mg Folsäure täglich. Ist in Deiner oder der Familie Deines Partners der Neuralrohrdefekt häufiger, dann werden Dir Ärzte normalerweise zu einer höheren Dosis von 4 – 5 mg raten.
Falls Du regelmäßig Epilepsie-Medikamente einnimmst, dann besprich Dich am besten schon vor der Schwangerschaft mit Gynäkologen und anderen behandelnden Ärzten. Einige der Präparate können ebenfalls Spina bifida auslösen. Im Verdacht steht unter anderem Valproat. Möglicherweise ist ein Wechsel zu einem anderen Medikament bereits vor der Empfängnis, also noch in der Kinderwunschphase möglich.
Auch Infektionen beispielsweise mit Toxoplasmose oder Röteln können zu einem offenen Rücken beim Baby führen. Überprüfe deshalb unbedingt bei Kinderwunsch Deinen Impfschutz und achte auf Deine Ernährung in der Schwangerschaft.
Ein weiterer Risikofaktor ist radioaktive Strahlung in der Frühschwangerschaft. Steht bei Dir eine Röntgenuntersuchung an, stelle sicher, dass Du kein Baby erwartest.
Welche Folgen kann eine Spina bifida haben?
Wie schlimm der Neuralrohrdefekt sich auf das Leben der Patienten auswirkt, ist unterschiedlich. Bei der leichtesten Form gibt es normalerweise keine Einschränkungen.
Ist der offene Rücken stärker ausgeprägt, ist das Leben der Betroffenen oft massiv eingeschränkt. Es kann zu folgenden Symptomen kommen:
- Spastische Muskellähmungen
- Querschnittslähmung
- Empfindungsstörungen
- Blasen- und Darmstörungen
- Häufigere Infektionen bei den betroffenen Bereichen, beispielsweise Harnwegsinfektionen
- Nierenschäden durch häufigere Blasenentzündungen
- Verkürzungen und Rückbildungen von Muskeln
- Deformationen an Gelenken
- Wasserkopf
Je weiter oben der offene Rücken an der Wirbelsäule liegt, desto größer sind normalerweise die Einschränkungen für die Betroffenen. Auch das Gehirn kann in Mitleidenschaft gezogen sein. Dann ragen Teile durch das Hinterhauptloch. Dadurch kann es sein, dass lebensnotwendige Funktionen wie die Atmung nicht funktionieren.
Wie wird ein offener Rücken festgestellt?
Glücklicherweise kann der offene Rücken heute meistens schon in der Schwangerschaft festgestellt werden. Das passiert normalerweise bei einer Ultraschalluntersuchung. Ab etwa der 12. Schwangerschaftswoche kann der Arzt die Missbildung sehen. Auch Bluttests können Aufschluss geben. Dabei wird vor allem das α-Fetoprotein geprüft. Allerdings wird in 20 % der Fällen der Befund erst bei der Geburt entdeckt.
Bist Du mit der Diagnose “Spina bifida” konfrontiert, dann hast Du gesetzlich das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch. Diese Entscheidung ist sehr schwer, weil das Kind auch nur einen kleinen Defekt haben kann. Hier ist intensive ärztliche Betreuung notwendig. Besprich Dich ausführlich mit einem Spezialisten/in, wie weitreichend er/sie das Ausmaß und die Einschränkungen einschätzt.
Entscheidest Du Dich für Dein Baby, dann wird in der Regel ein Kaiserschnitttermin vereinbart. Bei dieser Geburtsmethode wird der Rücken Deines Nachwuchses geschont.
Ist Spina bifida heilbar?
Es gibt mittlerweile einige Kliniken, die betroffene Babys bereits im Mutterleib am offenen Rücken operieren. Diese Methode gilt aber aufgrund der hohen Risiken immer noch als Ausnahme. Normalerweise wird der Eingriff oder werden die Eingriffe erst nach der Entbindung durchgeführt.
Wie viele und welche Operationen notwendig sind, hängt von der Ausprägung der Spina bifida ab. Auf jeden Fall wird der offene Rücken verschlossen. Danach werden die Begleiterscheinungen des offenen Rückens behandelt. Normalerweise wird eine künstliche Verbindung zwischen Hirnwasserkammern und Bauch hergestellt, damit es nicht zu einem Stau des Hirnwassers im Kopf kommt.
Leidet der Säugling unter einer Blasenfunktionsstörung, bekommen die Eltern diese oftmals mit Medikamenten oder Einmalkathetern gut in den Griff. Teilweise wird Antibiotika gereicht, dass es zu keinem Harnwegsinfekt kommt. Fehlstellungen der Gelenke und Wirbelsäule werden in der Regel orthopädisch betreut.
Aber nicht nur das betroffene Baby braucht fachmännische Hilfe, auch dessen Eltern. Für die Mamas und Papas ist die Situation oft unerträglich. Es ist wichtig, sich Unterstützung durch Psychologen, Ärzte und Mitmenschen zu holen.
Falls Du die Mama oder der Papa eines betroffenen Kindes bist, dann könnten Dir vielleicht auch Selbsthilfegruppen guttun. Im Austausch mit anderen Betroffenen fühlt man sich verstanden und kann seine Gedanken frei von der Seele sprechen.
Schau Dich gerne auf folgenden Seiten um, ob Dich ein Angebot anspricht:
- Arbeitsgemeinschaft Spina Bifida und Hydrocephalus e.V. | Selbsthilfe seit 1966
- Arque – Arbeitsgemeinschaft für Querschnittsgelähmte
- Bundesarbeitsgemeinschaft SELBSTHILFE von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e.V. (BAG SELBSTHILFE) e. V.
Wenn Du keine offizielle Stelle kontaktieren willst, dann kannst Du in den sozialen Medien auch nach privaten Gruppen suchen. Sollte es Dir psychisch allerdings sehr schlecht mit der Diagnose und ihren Auswirkungen gehen, dann scheu Dich nicht davor, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Wir hoffen, wir konnten Dich über das Thema „Spina bifida“ ausreichend aufklären. Mit weiteren Fragen wendest Du Dich am besten an Deine/n Ärztin/Arzt. Wurdest Du schon mit der Diagnose „offener Rücken“ konfrontiert? Wenn Du möchtest, kannst Du uns gerne Deine Geschichte in den Kommentaren erzählen.
Mehr Infos dazu findest Du hier.