Heute schauen wir einmal über den heimischen Tellerrand hinaus und begeben uns auf einen gemeinsamen Gourmet-Trip rund um unseren Globus. Dabei geht es weniger um unsere Geschmacksknospen als die von unserem Nachwuchs. Als ich mit meiner sieben Monate alten Tochter nach Indien flog, fing ich an mich mit der Beikost in anderen Ländern zu beschäftigen. Heute erfährst Du wie Eltern in China, Schweden und auf Jamaika ihre Säuglinge an feste Nahrung heranführen.
WHO-Empfehlungen zur Ernährung von Babys und Kleinkindern
Sowohl die Weltgesundheitsorganisation als auch UNICEF empfehlen, dass Babys in den ersten sechs Monaten ausschließlich gestillt werden sollten. Das bedeutet, dass der Säugling nur Muttermilch bekommt. Sogar Wasser ist tabu. Danach reicht oftmals das Stillen nicht mehr aus, um den Energiebedarf des Babys zu decken. Jetzt können zusätzlich zur Brustmilch auch andere Flüssigkeit und sichere, gesunde Lebensmittel gereicht werden. Grundsätzlich wird empfohlen, die Kinder bis zum 2. Lebensjahr zu stillen. Diese Empfehlungen gelten für gesunde Säuglinge und weichen oftmals für Frühgeborene, Babys mit besonders geringem Geburtsgewicht, unterernährte Säuglinge oder schwerkranke Kinder ab.
Meine persönliche Erfahrung ist, dass Babys kürzer gestillt werden, je höher der Lebensstandard im Land ist. In Indien habe ich viele Frauen gesehen, die selbst drei- und vierjährige Kinder an der Brust hatten. Auf Bali stillen die jungen Frauen dagegen meistens bereits mit sechs Monaten ab. Spannend ist, was und wie die Säuglinge ab dem sechsten Lebensmonat essen.
Beikosteinführung weltweit – was isst der Nachwuchs in anderen Ländern
Wer in das Thema Ernährung unserer Menschenkinder näher eintaucht, der stellt fest, dass der junge Homo sapiens einiges verträgt. Hier eine bunte Auswahl an Ländern und deren typische Beikost für Babys.
- Italien: Gemüse-Fleisch-Parmesan-Suppe mit Reismehl angedickt, Kartoffeln und Karotten, Gemüsebrühe mit Grieß und Olivenöl, Fisch, Geflügel, Kaninchen
- Vietnam: Brei und ballaststoffreiche Brühen mit gemahlenen Garnelen und Würzsoße aus Fisch, Gemüse wie Kartoffel, Karotte oder Kürbis
- Schweden: Obst- und Gemüsebreis aus Kartoffeln, Pastinaken, grünen Bohnen oder Blumenkohl, Blaubeeren, Välling – ein Getreidebrei auf Weizenbasis mit Palmöl, Raps und Milchpulver, Kartoffelbrei, Milch, Joghurt.
- Jamaika: Puddings aus Apfel, Mango, Banane, Papaya oder anderem tropischen Obst mit Honig
- Thailand: Brühe mit Gemüse und / oder Reis sowie gestampfter Banane, Mango oder Papaya
- China: Reisgerichte mit Algen, Fisch, Karotten, Kohl oder Eiern. Brei aus Banane, Milch und grünen Bohnen, Schweinehack mit Auberginen oder Hühnersuppe mit Kürbis
- Japan: Reis mit Fisch, Fleisch oder Meeresfrüchten sowie Gemüse, Misosuppe, Buchweizennudeln mit Fischbrühe und Gemüse, Tofu mit Reis
- Australien: Reisbrei mit Linsen oder Sojabohnen, Nussbrei, Getreidebrei, Fisch, Banane, Apfel, Bohnen, Brokkoli, Blumenkohl,
- Kenia: Amaranth mit Bananen, Orangen oder Mango
- Mexiko: Hühnerbrühe mit Bohnen und ungewürztes Erwachsenenessen
- Kolumbien: Bananen, Papaya, Palmherzen, Mais, Tomaten, Zwiebeln und süßer Chili
- USA: Reisbrei mit Avocado, Kürbis, Süßkartoffeln, Bohnen, Bananen
- Südafrika: Mealie Pap – ein Brei auf Maisbasis, Milch-Zucker-Tee, Guave, Maracuja
- Indien: Dahl (Brei aus Hülsenfrüchten) mit Reis und Ghee, Minze, Koriander, Zimt, Kurkuma
- Philippinen: Reis mit Knoblauch und Ingwer
- Indonesien: Reisbrei, mit Knoblauch und Ingwer sowie Leber
- Lettland: Haferbrei, Kartoffeln, Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Eier, Fisch
- Inuit in Kanada: Vorgekauter Fisch
Brei, Baby-Led-Weaning oder Vorkauen – wie füttert die Welt?
Bei uns und in vielen Industrienationen werden Fleisch, Gemüse, Obst und Fisch typischerweise püriert, bevor der Säugling sie bekommt. Seit rund 10 Jahren etabliert sich zudem das sogenannte Baby-led-Weaning. Dabei isst der Säugling am Tisch der Eltern mit. Er darf selbstständig essen, und zwar mit den Händen. Dafür bekommt er einfach geeignete Speisen, welche die Eltern auch verspeisen, zum Beispiel gekochtes Gemüse ohne Gewürze. Es gilt als gesichert, dass Baby-led-Weaning kein neuer Trend ist, sondern in vielen Kulturen seit Jahrtausenden praktiziert wird. Genauso wie das Vorkauen (Premastication). Das klingt eklig und primitiv, tatsächlich habe ich meiner Tochter ebenfalls die Nahrung vorgekaut. Das hat sich ganz natürlich so ergeben, ebenfalls während unserer Zeit in Asien.
Im Zuge meiner Recherche fand ich heraus, dass es im Jahr 2012 wohl einen kleinen Skandal gab, als Hollywood-Schauspielerin Alicia Silverstone ihrem Nachwuchs ebenfalls das Essen im Mund zerkleinerte. Dabei ist dokumentiert, dass es das Vorkauen von Babynahrung früher auf allen Kontinenten und in allen Gesellschaftsschichten gab. Sogar heute noch kauen beispielsweise die Tsimane im brasilianischen Amazonas die Nahrung vor. Auch 80 % der Babys in Nigeria und ein Viertel der Säuglinge in Gabun werden auf diese Weise gefüttert. Sogar jede siebte Mutter in den USA kaut ihrem Säugling die Beikost vor.
Es gibt Bedenken, dass dabei Krankheiten wie HIV, Hepatitis B, Syphilis und Karies übertragen werden. Ist die Mutter allerdings gesund, dann hat Premastication scheinbar große Vorteile, weil der Speichel ähnliche gesundheitsförderliche Eigenschaften wie die Muttermilch besitzen soll. Außerdem kann das Baby die gleiche Nahrung essen, wie die Eltern. So ist der Nachwuchs gut vor Unterversorgung geschützt. Nachdem in verschiedenen Gebieten der Erde das Vorkauen verboten wurde, stiegen Erscheinungen wie Eisenmangel bei Babys dramatisch an.
Meiner Erfahrung nach empfiehlt sich Beikost in der westlichen Kultur in Form von Brei und Baby-led-Weaning. Es löst viel Aufsehen und auch Ekel aus, wenn Eltern im Restaurant dem Baby vorkauen. Mir ist das bei unseren Aufenthalten in Deutschland zwar bei zu wenigen Gelegenheiten aufgefallen, aber ich kann mir vorstellen, dass Du Dich in eine ganz schöne Außenseiterposition begibst, wenn Du Dein Baby hier auf diese Weise ernährst.
Beikost in anderen Ländern: Babys erste Mahlzeiten im interkulturellen Vergleich
Mein Fazit: Für mich persönlich waren es immer Augenöffner, wenn Säuglinge irgendwo auf der Welt Beikost bekommen, die bei uns absolut tabu ist, wie Honig oder Chili. An den Füßen des Himalayas in Indien bin ich einer renommierten Ayurvedaärztin begegnet. Sie empfahl mir täglich einen kleinen Löffel Honig für mein Baby. Ich war schockiert, gilt doch in unseren Gefilden Honig als gefährlich für Babys. Solche Begegnungen hatte ich im Laufe meiner acht Jahre, die ich nun um die Welt reise, immer wieder.
Anfangs war ich überzeugt davon, dass wir im hoch entwickelten Westen einfach besser wüssten, wie die Dinge funktionieren und was gut für unseren Nachwuchs ist. Mittlerweile bin ich skeptisch. Ich entwickelte großen Respekt vor dem reichen Erfahrungsschatz anderer Kulturen. Dieser ist vielleicht nicht wissenschaftlich belegt, dennoch scheint das Leben selbst verschiedene Dinge zu bestätigen. Ein Land könnte nicht 1,4 Milliarden Einwohner besitzen, wenn die traditionelle Gabe von Honig als Beikost so schlimm für Babys wäre. Das bedeutet jetzt aber nicht, dass ich Dir rate, Dein Baby mit Honig zu füttern.
Mich ließen die verschiedenen Erfahrungen und Erkenntnisse aus aller Welt in Bezug auf meine Tochter sehr entspannt werden. Säuglinge sind nicht so zerbrechlich, wie wir denken. Sie müssen auch nicht nach einem bestimmten Plan gefüttert werden. Wichtig ist, dass wir uns im Umgang mit unserem Nachwuchs von unserem Instinkt leiten lassen, denn der trügt nicht.
Kennt Ihr noch weitere Baby Beikost aus anderen Ländern? Oder habt Ihr Beikost in anderen Ländern mit Eurem Baby ausprobiert? Wir freuen uns über Eure Kommentare und Geschichten.
Vielen Dank für diesen tollen Artikel! Sehr interessant! Jetzt müsste man noch herausfinden, wie gesund diese Kinder in den verschiedenen Ländern mit den verschiedenen Gebräuchen dann geworden oder geblieben sind. Haben sie ein starkes Immunsystem oder vielleicht eine Zöliakie entwickelt oder wie ist es bei den Kindern, die vorgekautes Essen bekamen? Haben die ein besonders gutes Verdauungssystem? Natürlich können mit dem Speichel Krankheiten übertragen werden, aber so wie eine natürliche Geburt das Mikrobiom des Kindes fördert, kann ich mir gut vorstellen, dass wichtige, gesunderhaltende Mikroorganismen durch Vorkauen auch weitergegeben werden. Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass langsam eingeführte Beikost in Zusammenhang mit dem Stillen, also der Muttermilch, sehr gut (bauch-)verträglich ist. Zumindest bei meinem Kind. Denn in der Muttermilch ist ja schließlich auch alles drin, was ein Kind braucht, eben auch alle Verdauungsenzyme. Im Speichel sind Verdauungsenzyme zur Spaltung von Kohlehydraten und Fetten, so dass hier „Vorgekautes“ das Baby besser ernährt und vor Bauchweh und Unterernährung schützen kann.
Meine Nachbarn aus Syrien füttern mit 4 Monaten Joghurt mir Zucker.