Für viele ist es allein Sache der Eltern: das eigene Kind zu erziehen. Höchstens die Pädagogen in der Kita oder die Großeltern dürfen es noch in Maßen zurechtweisen. Aber ein Fremder? Eine Frechheit. Dabei ist ein klares Wort von Außenstehenden manchmal das Beste fürs Kind, weiß Babyartikel.de-Autorin Mareike.
Meine Mutter erzählt diese Geschichte immer wieder: Meine Schwester versuchte als Kleinkind auf Teufel komm raus ihren Willen durchzusetzen. Es ging um einen Schokoriegel, den sie haben wollte. Sie brüllte, schmiss sich auf den Boden und machte meiner Mutter eine Szene. Eine befreundete Nachbarin sah ihrem Treiben zu. Plötzlich wies sie meine Schwester bestimmt in die Schranken. Meine Schwester war schockiert und verstummte sofort.
Mama sagte ebenfalls nichts. Sie fand es gut, dass meine Schwester Kritik von einer Außenstehenden hinnehmen musste. Die Worte der „fremden Person“ wirkten viel mehr als ihre eigenen. Heute erscheint das undenkbar. In Helikopter-Zeiten glauben viele Mütter, dass nur sie wissen, was das Beste für ihr Kind ist und wann sie ihm Grenzen setzen müssen. Wagt es ein anderer, mit ihrem Nachwuchs zu schimpfen, gehen sie zum Gegenangriff über – und regen sich noch lange danach darüber auf, dass andere Frauen immer meinen, alles besser zu wissen.
Das Problem: Eltern fühlen sich persönlich angegriffen
Dabei geht es gar nicht um Besserwisserei. Fremde haben schlicht mehr Abstand. Sie sehen mit kühlem Kopf, dass das Kind Mama austestet und es ihm gar nicht um das Spielzeug und den Schokoriegel geht. Bekommt es seinen Willen oder darf es ohne Konsequenzen Mist bauen, erlebt es die Welt so, als würde sie sich nur um ihn, um seine Bedürfnisse und Taten drehen.
Die Realität ist andersherum, wie wir wissen. Die Welt setzt uns tagtäglich Grenzen. Es ist wichtig, dies einem Kind möglichst früh beizubringen, damit es später nicht immer wieder gegen die Wand rennt. Ist man gerade zu erschöpft, zu ratlos oder zu unentschlossen dafür, darf man diesen Job ruhig mal jemand anderem überlassen. Das Kind wird keinen Schaden fürs Leben davon tragen, sondern wieder ein Stück besser dafür gerüstet sein.
Wenn Fremde schimpfen, werfen sich Mamas auch nicht unbedingt nur vor ihre Kinder, um sie zu schützen. Sie schützen sich selbst, weil sie sich persönlich angegriffen fühlen. Kritisiert ein anderer das Kind, ob berechtigt oder nicht, wird das leicht als Kritik an den eigenen Erziehungsmethoden verstanden. Es fühlt sich an wie unberechtigter Eingriff in die Privatsphäre, ein Angriff auf die elterliche Kompetenz. Es erzeugt das Gefühl, dass man versagt hat. Das ist Quatsch. Erziehung ist ein Lernprozess für das Kind und für die Eltern.
Wie wär’s mit mehr Entspannung?
Kein Mensch weiß von Anfang an so genau, wie das mit dem Erziehen geht. Es läuft nach dem Prinzip ausprobieren, scheitern, etwas Neues ausprobieren, wieder scheitern und nie aufgeben. Bis es irgendwann funktioniert. Ich jedenfalls nehme mir das Beispiel meiner Mutter als Vorbild: Das ist doch gar nicht schlecht, wenn ich mal nicht schimpfen muss, sondern meine Kinder durch die Worte von Fremden merken, dass ihr Verhalten schlecht ankommt.
Lass also doch mal die Leute machen und nimm es hin, ohne es als Kritik an Dir zu verstehen. Statt die Person zurechtzuweisen, und im Grunde das Fehlverhalten Deines Kindes herunterzuspielen, kannst Du entspannt beobachten, was die Maßregelung mit Deinem Kind macht.
Sollte eine fremde Person zu Unrecht mit Deinem Kind schimpfen, kannst Du immer noch reagieren – und ebenso entspannt aus der Sache rausgehen. Sie hat ein Problem mit sich selbst, nicht mit Deinem Kind oder Dir. Kindererziehung ist auch eine ständige Arbeit an sich selbst: Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und ein dickes Fell können wir alle gut gebrauchen und wir sollten uns von solchen Situationen nicht aus der Ruhe bringen lassen.