Der Tragemarkt ist überfüllt mit Tragetüchern und Tragehilfen in allen möglichen Variationen und wer als Laie etwas Vernünftiges finden möchte, steht vor einer großen Herausforderung.
Was ist gut fürs Kind?
Dem Kind ist es in der Regel egal, ob es im Tuch oder einer Tragehilfe transportiert wird. Hauptsache es darf die Wärme, Nähe und den Herzschlag eines geliebten Menschen spüren. Dennoch gibt es einige Anforderung, die alle Tragemöglichkeiten gleichermaßen erfüllen sollten:
- Eine gute Trage unterstützt die natürliche Anhock-Spreizhaltung des Babys: Die Beinchen sollten in einem rechten Winkel angehockt sein, d. h. die Trage reicht unter dem Po des Babys von Kniekehle zu Kniekehle und die Knie des Babys befinden sich auf Höhe seines Bauchnabels.
- Das Rückenteil der Tragemöglichkeit sollte den Rücken des Kindes eng umschließen und so stützen, dass es aufgerichtet ist. Dies setzt zumeist gleichzeitig voraus, dass sich das Baby eng an den Tragenden schmiegt.
- Außerdem sollte das Rückenteil der Tragehilfe bei ganz Kleinen über das Köpfchen hinausragen und ihm auch seitlich Halt bieten, damit der Kopf nicht unkontrolliert hin- und herfällt. (Evelin Kirkilionis, Ein Baby will getragen sein)
Ein gut gebundenes Tragetuch gewährleistet diese drei Punkte immer. Bei den Tragehilfen dagegen gibt es viele unterschiedliche Modelle und Größen, so dass eine „Anprobe“ mit Baby unerlässlich ist. Und da stellt sich natürlich die Frage der Fragen:
Tragetuch oder Tragehilfe?
Die Vor- und Nachteile liegen eigentlich klar auf der Hand. Das Tragetuch passt sich exakt an die Anatomie (Größe, Gewicht, Körperform) des Babys und des Tragenden an. Durch die breiten Stoffbahnen verteilt sich das Gewicht des Kindes gleichmäßig auf den Schultern. Ein einziges Tuch reicht zudem für die gesamte Tragezeit aus, denn es lässt sich von Geburt an nutzen und wächst stufenlos mit dem wachsenden Kind mit. Allerdings bedarf einer guten Anleitung und etwas Übung, um ein Tragetuch schnell und sicher binden zu können. Tragehilfen sparen Zeit und Nerven, denn sie sind in Nullkommanix angelegt – sie sind somit „Papa-freundlicher“ (die meisten Männer mögen es unkompliziert) und „unterwegs-tauglicher“. Kein Gefummel und keine langen Stoffbahnen, die im Schmutz liegen. Jedoch sind sie nicht so flexibel und anpassungsfähig wie Tragetücher, obwohl es mittlerweile schöne Tragehilfen aus Tragetuchstoff gibt. Einige Modelle sind für Neugeborene überhaupt nicht geeignet und durch die vergleichsweise schmalen Schultergurte schmerzen Tragehilfen wesentlich schneller.
Tragetuch und Tragehilfe!
Wer es sich leisten kann, sollte meiner Meinung nach ein Tragetuch und eine Tragehilfe besitzen. Das Tuch benutzen Thomas und ich immer dann, wenn wir lange Spaziergänge mit dem Bub planen. Wenn wir wissen, dass wir mindestens 2 Stunden unterwegs sind, dann verzichten wir auf die Tragehilfe und somit auf das schmerzhafte Ziehen in den Schultern. Für zwischendurch, wenn es schnell gehen muss (wenn ich z. B. koche und der Kleine quietscht) und kürzere Spaziergänge ist die Tragehilfe optimal.
Welches Tuch?
Es gibt gewebte Tragetücher und elastische Tragetücher. Der Stoff des elastischen Tragetuches (meist Jersey) ist in der Regel dünner und trägt nicht so auf. Er gibt nach und passt sich so wunderbar an den Körper des Babys an, aber ist aus demselben Grund nur für Babys bis zu maximal 9 Kilogramm (bis circa 6 Monate) zu empfehlen. Gewebte Tragetücher hingegen können von Geburt an bis zum Ende der Tragzeit genutzt werden. Sie sind zudem vielseitiger, da sie sich für viele verschiedene Bindetechniken eignen. Ein gewebtes Tuch geht quasi immer. Für welchen Hersteller man sich letztendlich entscheidet, ist Geschmackssache. Bei einer Trageberatung kurz nach der Geburt des Sohnes wurde uns das elastische Tragetuch von Babylonia empfohlen, mit dem ich hervorragend zurechtkomme (siehe Foto oben). Ich benutze die vorgebundene Wickelkreuztrage und habe ein wirklich gutes, stabiles Tragegefühl. Leider wiegt der Bub mittlerweile 6 kg und dehnt das elastische Tuch bereits ganz ordentlich aus. Ich schätze noch ein oder zwei Kilogramm und dann muss ich auf das Gewebte umsteigen. Ich habe ein wunderschönes, sehr weiches von Fidella, welches ich jetzt schon im Wechsel mit dem Elastischen benutze. Allerdings fühlt sich der Bub darin immer „schief gewickelt“ an, egal wie viel Mühe ich mir gebe. Deshalb steht in den nächsten Tagen eine zweite Stunde mit unserer Trageberaterin an. Sie soll mir beim Binden zuschauen (denn das Prinzip ist mir klar) und hat dann hoffentlich den einen oder anderen Tipp für mich. Zudem würde ich den Bub gerne auf dem Rücken tragen, aber bislang traute ich mich noch nicht.
Welche Tragetuchlänge?
Im Internet gibt es Größentabellen (z. B. hier), die zeigen welche Tuchgrößen es gibt und für welche Konfektionsgrößen bzw. für welche Bindeweisen sie geeignet sind. Meine Tücher sind 470 cm lang (Größe 6), denn damit kann man (bei normal schlanker Figur) nahezu alles machen.
Welche Babytrage?
Wer sich als Trageneuling auf die Suche begibt, sieht sich ziemlich schnell vor einer Flut an Tragehilfen in unterschiedlichsten Farben, Formen und Stoffen. Eine ausführliche Bewertungsübersicht über die aktuell gängigen Tragesysteme (mit Vor- und Nachteilen) gibt es hier. Diese verschafft einen groben Überblick, hilft bei einer Kaufentscheidung aber nur bedingt weiter. Denn mit Tragehilfen verhält es sich wie mit Jeans: Schnitt & Stoff müssen dem Träger und auch dem Kind passen – von Blindkäufen ist deshalb dringend abzuraten. Auch in dem Fall empfiehlt es sich, eine gute Trageberaterin aufzusuchen, die verschiedene Tragehilfen zum Testen bereitstellt. Beim Umschnallen allein kann man bereits die extrem Ungeeigneten fix aussortieren. Wie gut oder schlecht sich eine Trage wirklich anfühlt, finde ich hingegen nur heraus, wenn ich mein Baby ein paar Stunden darin transportiere. Ich besorgte 2011 einen Bondolino für unser damals 5 Monate junges Mädchen, weil ich mit dem Tuch partout nicht zurechtkam. Der war ein Geschenk des Himmels und bescherte uns viele tolle Tragestunden. Der Bondolino ist mit seinem breiten Steg für Neugeborene allerdings ungeeignet und so entschied ich mich dieses Mal für eine Frl. Hübsch in Babygröße (von Geburt bis Größe 86). Im Vergleich zum Tragetuch spüre ich die Belastung durch das Gewicht des Buben zwar wesentlich intensiver, aber sie ist Gold wert, wenn es mal schnell gehen muss. Im Endeffekt ist es jedoch egal, worin ich mich wohlfühle oder die Nachbarin oder die beste Freundin. Wenn es um die „optimale“ Tragehilfe oder das „beste“ Tragetuch geht, zählt das eigene Empfinden weit mehr, als die allgemeine Meinung und so bringt es der Spruch „Probieren geht über Studieren“ auch hier auf den Punkt :)
Ein Kommentar zu Das Baby tragen – In welcher Trage?