Ich würde mal behaupten, dass die Begleitperson während der Geburt zu 90% der Partner der Gebärenden ist. Dies bedeutet aber nicht in allen Fällen, dass der Partner auch gleichzeitig der Kindesvater ist.
Verschiedene Typen
Nach einigen Jahren Berufserfahrung sind mir mit der Zeit immer mehr Arten bzw. verschiedene Typen von „Mann“ aufgefallen. Dabei lassen wir mal die leicht hysterische Schwiegermama, die sowieso meint, sie wüsste und könnte alles besser als die Gebärende, aber auch als die anwesende Hebamme, außen vor. ;-)
Der Desinteressierte
Das manche Männer ihre Frauen zur Geburt begleiten, im Grunde aber gar nicht wirklich anwesend sind, hat mich anfänglich ziemlich schockiert. Erst Spaß haben wollen, aber beim eigentlich wichtigsten Teil des „Kinder kriegen“ im wahrsten Sinne des Wortes „den Schwanz einziehen“. Teilweise zieht der Desinteressierte nicht einmal seine Jacke aus. Stattdessen sitzt er in der Ecke vom Kreißsaal. Vorzugsweise in der, in der er am weitesten entfernt ist von seiner Frau. Und er somit auch möglichst nichts mitbekommt, was er nicht mitbekommen will.
Sehr gerne spielt der Desinteressierte pausenlos an seinem Handy herum. Dafür fragt er nach einer gewissen Zeit auch gerne mal nach einem Ladekabel – der Akku sei leer. ;-) Erstaunlicherweise ist die Gebärende in dieser Konstellation meist sehr gelassen und vertraut auf sich selbst – was bleibt ihr auch anderes übrig, der Partner ist ja quasi nicht anwesend. Für meinen Teil als Hebamme versuche ich dennoch auch eine desinteressiert wirkende Begleitperson mit in die Geburt zu integrieren. So muss spätestens nach der Geburt, jeder Vater bei der Erstversorgung des Kindes dabei sein und sämtliche Schreibtätigkeiten (Geburtsgewicht, Länge, Name etc.) übernehmen.
Der Besorgte
Das Gegenteil von dem Desinteressierten ist wahrscheinlich der Besorgte. Der Besorgte würde nicht nur gerne die Rolle der Hebamme übernehmen um selbst alles unter Kontrolle zu haben, sondern übernimmt auch gerne den Wortschatz seiner schwangeren Frau. Stelle ich als Hebamme der Frau also eine Frage, beispielsweise in welchen Abständen die Wehen nun kommen, kann ich unter Garantie sagen, dass der Besorgte mir antworten wird. Selbiges funktioniert übrigens auch wenn man den Besorgten fragt, wie sich die Wehen anfühlen ;-)
Wenn man diesen Typ von Begleitperson aber ausreichend in das Geschehen der Geburt einbindet und alles noch dreimal mehr als eh schon bis ins Detail erklärt und beschreibt, dann wird er sich in der Regel mit der Zeit entspannen und seine Frau mal wieder Frau sein lassen. Solange ich als Hebamme merke, dass diese Paarkonstellation funktioniert und dieses Paar von Natur aus so ist, lasse ich das Paar Paar sein. Sollte ich jedoch merken, dass diese Paarkonstellation normalerweise nicht die selbige ist und diese gerade heraus entsteht, da sowohl Frau als auch eben der begleitende Mann in einer absoluten Ausnahmesituation sind, so versuche ich die Lage etwas zu entschärfen. Dies gelingt in der Regel nur mit einem offenen Gespräch und einer großen Tasse Kaffee. In besonders schlimmen Fällen schicke ich die Männer aber auch gerne mal, im Interesse der Frauen, für eine kleine Runde spazieren ;-)
Der Schwangere
Hingegen des Desinterresierten oder des Besorgten ist der Schwangere quasi auch als der normale bekannt. Er ist weder übervorsichtig, noch ist er völlig abwesend während der Geburt. Viel mehr versucht er sich mit der Schwangeren gleichzustellen. Er ist hilfsbereit, umsorgt seine Frau und versucht in einem neutralen Maß während der gesamten Zeit mit der Schwangeren mitzufühlen. Gleichzeitig motiviert er seine Partnerin und erkennt in der Regel auch sämtliche akute Bedürfnisse seiner Frau.
Für uns Hebammen sind die Pseudo-Schwangeren definitiv die größte Hilfe. Das Zusammenspiel zwischen Mann und Frau ist hier auch absolut am Besten. Sie ergänzen sich meist sehr gut und sorgen damit auch für eine sehr angenehme Stimmung unter der Geburt. Erfahrungsgemäß hat diese Konstellation nicht nur gemeinsam einen Geburtsvorbereitungskurs besucht, sondern allgemein eine sehr intime, intakte Beziehung.
Große Leistung
Doch egal welche Art Typ als Begleitperson unter der Geburt dabei ist – spätestens wenn das Kind geboren ist, wächst jeder Vater über sich hinaus. Somit hat man oftmals das Gefühl, die Person die unter Geburt anwesend war, ist jemand ganz anderes gewesen als die Person die man hinter her mit Baby im Arm vor sich hat.
Und insgesamt gesehen macht jeder der oben genannten Typen eine hervorragende Arbeit. Ich betone immer wieder das ich in dieser besonderen, einmaligen Situation für kein Geld der Welt mit einer Begleitperson tauschen würde. Also liebe Väter, lasst euch gesagt haben, dass ihr alle einen großartigen Job macht!
Alles Liebe,
rosarot.babyblau