In meinem letzten Artikel ging es im Prinzip ja eher ganz allgemein um außerklinische Geburten und Grundsätzliches, was man im Vorfeld vielleicht wissen sollte. Heute wollte ich Dir speziell von meinen ganz persönlichen Erfahrungen berichten und meine Meinung als Hebamme und auch als Mutter mit Dir teilen.
Als Hebamme MUSST Du ja Hausgeburten gut finden… oder?
Die meisten, denen man erzählt, dass man Hebamme ist, gehen seltsamerweise davon aus, dass man Hausgeburten betreut, obwohl der Anteil an Hausgeburtshebammen ja minimal ist. Und grundsätzlich vermutet jeder, dass man als Hebamme zwangsläufig Hausgeburten als den Gipfel der Geburtshilfe empfindet.
Und ich kann für mich ganz klar sagen, ich war stets und immer überzeugte Klinikhebamme und bereits nach meiner Ausbildung zu 100% sicher, niemals in die außerklinische Geburtshilfe gehen zu wollen und, sollte es irgendwann zur Debatte stehen, auch niemals außerklinisch zu gebären. Dabei ging es mir nicht grundsätzlich um die Hausgeburtsphilosophie, sondern eher darum, dass ich als Hebamme gerne Frauen auch in der Klinik ein „gutes“ Geburtserlebnis ermöglichen wollte. Also zugewandt, „alternativ“ und interventionsarm. Ich war immer der Ansicht, auch Frauen, die aus welchen Gründen auch immer nicht außerklinisch gebären wollen oder können, haben einen Anspruch darauf, in ihren Wünschen und Vorstellungen wahrgenommen und soweit möglich unterstützt zu werden und das wollte ich als Hebamme in der Klinik tun.
Hausgeburtshebammen waren mir persönlich häufig zu „krass“ in ihren Einstellungen und es gibt in meinen Augen unter den Hausgeburtshebammen schon sehr viele, die relativ rigoros in ihren Ansichten sind.
Wie der Klinikalltag meine Sicht verändert hat
Insgesamt habe ich fast 10 Jahre in drei unterschiedlichen Kliniken gearbeitet, zwei große Unikliniken und eine sehr große Klinik mit über 3000 Geburten im Jahr.
Und über die Jahre hat sich meine Einstellung zur Klinik-bzw. Hausgeburt schon verändert. Ich musste schnell lernen, dass „interventionsarm“ in der Klinik etwas deutlich anderes ist, als das, was ich darunter verstehe. Darüber hinaus wurde die Geburtshilfe auch durch die Entwicklung des Gesundheitssystems in den letzten Jahren stark geprägt. Die Abrechnung der Geburt erfolgt über sogenannte Fallpauschalen, d.h. eine Frau, die „einfach nur“ schwanger ist und gebärt, bringt (ganz grob formuliert) kein Geld. Aber auch eine Geburtsklinik ist im Prinzip nur ein Unternehmen, das am Ende des Jahres schwarze Zahlen schreiben möchte und das führt zwangsläufig dazu, dass mehr gemacht werden muss, was Geld bringt – Untersuchungen, Medikamente, Kaiserschnitte, sonstige OPs….Ebenfalls ein probates Mittel, um wirtschaftlicher zu arbeiten, ist das Einsparen von Kosten, im Falle der Pflege und auch der klinischen Geburtshilfe am Personal.
In einer Klinik mit knapp 3000 Geburten waren wir Hebammen zu dritt im Dienst, nicht selten befanden sich 10 Frauen im Kreißsaal, die es zu betreuen galt. Und egal, wie engagiert und motiviert man ist und ob man 8 Stunden lang weder aufs Klo noch essen muss, man hat eben nur zwei Arme und Beine und kann nicht überall gleichzeitig sein. Und dieser Mangel an Betreuung in Kliniken führt ebenfalls wiederum dazu, dass die Zahl der Interventionen steigt: mehr PDAs, mehr Schmerz-und Wehenmittel, höhere Kaiserschnittraten. Ja, man kann auch in der Klinik sehr schön gebären und toll betreut werden – aber es kann, aufgrund hohen Arbeitsaufkommens, Personalmangels und wirtschaftlicher Gründe, eben auch anders laufen.
Wie meine eigene Schwangerschaft mich verändert hat
Als ich selbst das erste Mal schwanger war, war mir relativ schnell klar, dass ich mir für uns und unser Baby etwas anderes wünsche. Ich hätte in „meiner“ Klinik sehr priviligiert gebären können, mir meine Hebamme und meinen Arzt aussuchen etc., dennoch war mir eigentlich von Anfang an klar, dass ich das nicht wollte. Mir war es wichtig, in Ruhe und in meinem Tempo gebären zu dürfen, soweit es die Umstände zulassen. Ich wollte zwar eine „vertraute“ Person als Hebamme haben, aber niemanden, der mich als Hebamme kennt oder mit dem ich befreundet bin, weil ich Angst hatte, dass ich mich nicht würde fallen lassen können. Und so entschieden wir uns für eine außerklinische Geburt im Geburtshaus – eine Entscheidung, die wir als Eltern niemals bereut haben und immer wieder so treffen würden. Es war ein ganz außergewöhnliches Erlebnis, das uns als Paar sehr zusammengeschweißt hat – ABER: eine außerklinische Geburt ist nicht für jedes Paar und jede Situation geeignet und sie macht einen auf gar keinen Fall zu einer besseren oder schlechteren Mutter.
Ob man per Kaiserschnitt, spontan mit PDA oder Schmerzmitteln oder „ohne alles“ gebärt, sagt nichts über die Qualifikation als Mutter aus oder darüber, wie wichtig einem dieses Kind ist. Nur weil ich im Geburtshaus gebären möchte, bedeutet es nicht, dass ich verantwortungslos in Kauf nehme, dass mein Kind bei der Geburt stirbt und nur weil ich einen Wunschkaiserschnitt habe, bin ich keine Memme, die einfach nur den leichtesten Weg geht.
Wenn Ihr schwanger seid, informiert Euch über die unterschiedlichen Optionen, die es gibt (große Klinik, kleine Klinik, außerklinisch) und hört in erster Linie auf Euer Gefühl und nicht auf das, was von Außen kommt, denn am Ende werdet Ihr diese Geburt erleben und niemand sonst!
Vielen Dank für diesen tollen Artikel!!!