Zum Glück folgt ja nach Regen immer Sonnenschein und mir und meinem Kleinen geht es nach ein paar anstrengenden Tagen wieder besser. Was mich trotzdem seitdem wieder stärker beschäftigt, ist die Frage, was wäre, wenn mein Baby nicht „normal“, nicht gesund wäre. War es richtig, so wenig der Zusatzuntersuchungen durchzuführen? Könnten wir mit einem behinderten Kind leben? Das sind wahrscheinlich Fragen, die jede werdende Mutter sich an einem gewissen Punkt stellen und für sich beantworten muss.
Ist mein Baby gesund? Was, wenn es eine Behinderung hat?
Ich war das erste Mal damit konfrontiert, als mein Arzt mich bei der zweiten Vorsorgeuntersuchung auf die Nackenfaltenmessung ansprach. Ob ich das machen lassen solle? Das könne er mir nicht beantworten, das sei meine Entscheidung. Für die Untersuchung gäbe es bei mir keine medizinische Indikation, weshalb auch die Krankenkasse nicht dafür aufkommen würde. Er könne mir nur empfehlen, keine Nackenfaltenmessung durchführen zu lassen, wenn ich bei einer Auffälligkeit nicht auch eine Fruchtwasserpunktion nachschalten wolle. Und die sei nicht komplett ohne Risiko für mein Kind. Ich war verunsichert und sprach zu Hause mit meinem Mann: was würden wir tun, wenn das Baby, das ich in meinem Bauch habe, behindert ist? Seine Antwort war sehr simpel: „Unser Kind ist nicht behindert, bitte denk nicht mehr darüber nach.“ Natürlich habe ich trotzdem darüber nachgedacht und das getan, wofür sowohl mein Arzt als auch mein Mann mich regelmäßig rügen: ich habe im Internet nachgelesen. In verschiedenen Berichten habe ich von Eltern mit behinderten Kindern gelesen, von solchen, die vermeintlich behinderte Kinder dann doch gesund zur Welt brachten aber durch die Unsicherheiten eine Bindungsstörung zu ihrem Kind aufgebaut hatten, und von solchen, die es abtreiben ließen und es nur wenige Tage später unheimlich bereuten. Denn eine Abtreibung lässt sich nicht rückgängig machen. Damit müssen wir leben, für den Rest unseres Lebens. Ziemlich schnell war daher die einzige Frage, die nach meiner Recherche blieb: könnte ich damit leben? Nach der Antwort musste ich nicht lange suchen, ich könnte es definitiv nicht. Dieses kleine Wesen, das da in mir heranwächst – und mittlerweile ist es so klein nicht mehr – ist unser Kind. Wenn es nicht der Norm entspricht und irgendein sogenanntes Syndrom oder körperliche oder geistige Abweichungen hat, ist es nicht weniger unser Kind und braucht uns nicht weniger. Natürlich wünschen wir uns, wie alle Eltern, dass unser Kind gesund und „normal“ zur Welt kommt und alle Chancen auf ein erfolgreiches und glückliches Leben hat. Aber wenn dem nicht so ist, wie könnte ich es aus diesem Grund einfach umbringen? Und da wurde mir auch klar, was mein Mann gemeint hatte: warum sollte ich mir jetzt, während der Schwangerschaft, schon darüber Gedanken machen? Immerhin ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass so etwas passieren wird. Und wenn doch, dann werden wir irgendwie damit zurecht kommen und unser Kind genauso lieben, wie alle Eltern ihre Kinder lieben. Denn unser Kleiner kann doch am allerwenigsten dafür! Auch die Aussage meines Gynäkologen machte plötzlich Sinn: eine Wahrscheinlichkeit auf ein behindertes Kind – denn das ist ja alles, was die Nackenfaltenmessung an Ergebnis erzielen kann – erzeugt eine große Angst und Unsicherheit, der wir uns nicht aussetzen sollten, wenn wir dann nicht in einer Fruchtwasserpunktion auch tatsächlich das Erbgut unseres Kleinen untersuchen lassen würden, um diese Unsicherheit auszuräumen.
Nackenfaltenmessung? Fruchtwasserpunktion? Feindiagnostik?
Für mich war schnell klar: keine Nackenfaltenmessung. Mein Kind ist, wie es ist, und wir werden es so akzeptieren. Warum wir trotzdem einen Termin zur Feindiagnostik vereinbart haben? Sollte unser Baby eine Erkrankung haben, möchten wir natürlich, dass es die bestmögliche medizinische Betreuung bekommt. Der Sohn einer Bekannten kam z.B. mit einem Herzklappenfehler zur Welt. Durch die feindiagnostische Voruntersuchung wussten die Ärzte das und sie hat in einem speziellen Klinikum entbunden, in dem das Ärzteteam bereits gewartet hat, um die erste, lebensrettende Operation vorzunehmen. Die nächsten Tage und Monate waren natürlich nicht einfach für die junge Familie, aber heute haben Sie einen gesunden, vierjährigen Sohn und ein kleines, gesundes Geschwisterchen dazu. Im Endeffekt muss wohl jede Mutter selbst für sich entscheiden, wie viel sie über ihr Kind wissen möchte. Bedenkt aber bitte vorher, was dieses Wissen mit euch machen könnte und zu welchen Entscheidungen, die ihr vielleicht später bereut, euch das treiben könnte.
Hier muss ein zusätzlicher Fakt erwähnt werden: Im ganzen § 218 fällt der Begriff „Behinderung“ nicht ein einziges Mal. Die embryopathische Indikation existiert schon seit 1995 nicht mehr, da gesonderte Fristen für Kinder mit Behinderung gegen Art. 3 des Grundgesetzes verstoßen würden. Ausschließlich eine Gefahr für die Gesundheit der Mutter kann nach der 12. Woche laut deutschem Recht eine Abtreibung nach der 12.Woche seit Befruchtung erlauben. Im Falle einer Behinderung des Kindes müsste dann die Gefahr einer ernsthaften psychischen Erkrankung der Mutter gegeben sein, ansonsten ist eine Abtreibung verboten.