Kinderkrippe ja oder nein? – Ein Erfahrungsbericht


Meine Kinder blätterten kürzlich gemeinsam ihre alten Ordner aus der Krippenzeit durch. Hier sind Fotos, Basteleien, Liedtexte und einige aufgeschriebene Erinnerungen verewigt. Meine beiden Jüngsten lächeln auf den meisten Bildern, mein Ältester nur auf einem einzigen Foto. Seine Krippenzeit unterschied sich stark von der seiner Geschwister, denn seine Erzieherin war „die böse Veronika“. Er selbst hat ihr diesen Namen gegeben – allerdings erst nach Ausscheiden aus der Krippe. Zum ersten Mal begegnete ich Veronika am Tag der offenen Tür. Wir wussten seit ein paar Tagen, dass unser Kind in der Krippe Regenbogen einen Platz bekommen hatte und wollten uns die Einrichtung jetzt gerne von innen ansehen. Krippenplätze sind auch in unserer Gemeinde rar und wir brauchten dringend einen. Ich wollte schnell wieder in meinen Job zurück. Also hatten wir bei der Anmeldung keine Priorität angegeben. Uns war wichtig, überhaupt einen Platz zu bekommen.

Die erste Begegnung

Ich stand also mit meinem 1,5-jährigen Sohn im Garten der Krippe und beobachtete wie ein kleiner Junge einen Stein über den Zaun warf. Vor der Krippe war ein Parkplatz – der Knirps hatte in Richtung der parkenden Autos gezielt, sie jedoch um Längen verfehlt. Da kam eine korpulente, blonde Erzieherin auf ihn zugestürmt, fasste ihn bei den Schultern und herrschte ihn an. „Oh Gott“, dachte ich. „Hoffentlich kommt mein Kleiner nicht in ihre Gruppe!“. Mein Stoßgebet wurde nicht erhöht. Unser Sohn landete in der von Veronika geleiteten, „blauen Gruppe“. Ich hatte meinem Mann von der Beobachtung im Garten der Krippe berichtet. „Du interpretierst da zu viel rein“, sagte er. „Gib ihr eine Chance“. Trotz meines unguten Bauchgefühls gab ich nach. Möglicherweise war ich auch einfach nur eine überbesorgte Mutter, die aus jeder Mücke einen Elefanten machte. Mein Sohn ging ein knappes Jahr in die Krippe. Ich bemerkte, dass er den beiden anderen Betreuerinnen in seiner Gruppe, eine war Kinderpflegerin, die andere Berufspraktikanten, den Vorzug gab. Veronika wandte er sich nur im Notfall zu. Sie wirkte immer strenger als ihre Kolleginnen und lächelte wenig. Ich holte meinen Sohn immer so früh ab, wie möglich. Dass er dabei die Buchungszeiten unterschritt, war mir egal. Nach ca. 7 Monaten Krippenzeit wurden mein Mann und ich zum Elterngespräch gebeten. Reine Routine, sagte Veronika. Auch die anderen Eltern hätten in diesen Tagen Elterngespräche. Das stimmte auch, aber an unserem Gespräch nahmen überraschenderweise neben Veronika auch ihre beiden Kolleginnen sowie die Leiterin der Kinderkrippe teil. Unser Kind, so hieß es im Gespräch, spreche nicht gut, reagiere kaum auf Ansprache und mache allgemein einen auffälligen, oft apathischen Eindruck. Die Leiterin riet uns, einen Kinderpsychologen hinzuzuziehen.

„So ein Quatsch“

Wir verließen völlig perplex die Krippe und konnten nicht fassen, was wir da gerade gehört hatten. Bis dato hatten wir angenommen, wir hätten ein völlig normal entwickeltes Kind, dass sich nur mit dem Sprechen noch etwas schwer tat. Jetzt erklärte man uns, unser Sohn sei verhaltensauffällig. Merkwürdig an dem Gespräch war auch, dass die Leiterin der Krippe kein Interesse an unserer Sichtweise hatte. Sie hielt voll und ganz zu Veronika. Ich sprach in den nächsten Tagen mit Freunden, Verwandten und mit unserem Kinderarzt. „So ein Quatsch“, sagte dieser, als er von der Einschätzung der Erzieherinnen hörte. Apathisches Verhalten und mangelnde Reaktionen waren ihm bei meinem Sohn nie aufgefallen. Und gut sprechen könnten viele Kinder in diesem Alter noch nicht. Mein Mann und ich waren erleichtert. Seine Einschätzung deckte sich mit unserer. Doch für einen kurzen Zeitraum hatten es Veronika und ihre Vorgesetzte geschafft, uns zu verunsichern. Um es kurz zu machen: Unser Vertrauen in die Krippe war zerstört. Wir machten uns kundig, wie ein unterjähriger Krippenwechsel funktioniert und erfuhren dabei auch von einer weiteren Familie, die die Krippe Regenbogen frühzeitig verlassen hatte. Auch ihr Kind hatte Probleme in der blauen Gruppe gehabt. Ein paar Tage später geschah etwas, das den Wechsel überflüssig machte. Veronika brach sich das Bein und fiel bis Ende des Krippenjahres aus. Sie wurde durch eine Springerin ersetzt, die weiterhin durch die Kinderpflegerin und die Berufspraktikantin unterstützt wurden. Urplötzlich ging mein Kind gern in die Kinderkrippe. In seinen letzten Krippentagen sprach ich einmal unter 4 Augen mit der Praktikantin. Sie mochte mein Kind und erklärte mir, dass sie Veronikas Einschätzung nie geteilt habe. Sie sei nur nicht in der Position, offen zu widersprechen.

Kindergarten gut – alles gut

Kurz nachdem mein Sohn in den Kindergarten kam (wo er übrigens absolut gar keine Probleme hatte), erfuhr ich, dass Veronika die Krippe Regenbogen verlassen hatte. Nicht auf eigenen Wunsch, wie es gerüchtweise hieß. Bei der Auswahl der Krippe für meine Tochter waren wir als Folge dieser Erfahrung extrem sorgfältig. Wir sahen uns verschiedene Häuser an, sprachen mit dem Personal und mit Eltern und wählten schließlich eine Krippe mit nur 2 Gruppen und einem relativ jungen Team. Die Erzieherinnen wirkten allesamt sympathisch. Bis heute sehe ich mir den Erinnerungs-Ordner meines Großen nur ungern an. Er selbst erinnert sich nicht an die Zeit. „Die böse Veronika“ ist für ihn so etwas wie der böse Wolf. Eine schön-schaurige Geschichte eben. Ich selbst erinnere mich dafür umso besser. Meine Lehre aus dieser Zeit ist, dass ich inzwischen im Zweifelsfall auf mein Bauchgefühl höre – komme was wolle.

    Weitere Artikel von uns:

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert