Mein Sohn ist mittlerweile 4 Jahre und ich trage ihn gelegentlich, vor allem auf Reisen, auch immer noch gern. Wenn auch Du Dein Kleinkind noch trägst, wirst Du wahrscheinlich schon gehört haben, dass Dein Kind doch langsam zu groß zum Tragen ist. Solche Kommentare kommen vielleicht aus Deiner Familie oder Deinem Freundeskreis, aber auch Fremde nehmen sich nicht selten das Recht ungefragt Ratschläge zu geben. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es dabei meistens um die “Angst” geht, ich könnte mein Kind zu sehr verwöhnen.
Heute gehen wir gemeinsam der Frage nach, bis zu welchem Alter man sein Kind tragen soll und kann.
Warum ein Kind tragen?
Ein Baby zu tragen wird, gerade von der älteren Generation, oft noch als exotisch wahrgenommen, obwohl es in manch anderen Kulturen das Normalste der Welt ist. Mittlerweile ist aber klar, dass das Tragen eines Kindes viele positive Auswirkungen auf das Kind, die Eltern und deren Bindung hat.
Das bedeutet das Tragen für Dein Kind:
- Geborgenheit und Sicherheit
- Emotionale Bindung zu den Eltern
- Motorische und sinnliche Anregungen
- Entwicklungsförderung
- Gesunde Entwicklung der Hüftgelenke (durch leicht gespreizte und angehockte Beinstellung)
Das bedeutet Tragen für Dich:
- Enges Kennenlernen mit Deinem Kind
- Flexibilität und Mobilität
- Entspannung und Nähe
Vor allem schafft das Tragen Deines Babys aber Urvertrauen. Neun Monate lang wird das Baby von der Mutter im Bauch getragen, es fühlt und hört die Mutter 24 Stunden am Tag. Ich bin der Meinung, dass diese enge Verbundenheitnach der Geburt so gut wie möglich weitergeführt werden sollte. Dazu eignet sich das Tragen sehr gut, denn dadurch kannst Du Deinem Kind nah sein und es spüren lassen, dass Du da bist. Durch dieses Gefühl der Geborgenheit und der bedingungslosen Nähe entsteht das Vertrauen, dass auf die Eltern immer 100% Verlass ist.
Bis zu welchem Alter Du Dein Kind tragen “darfst”, kommt darauf an, wie lange es für Dich und Dein Kind angenehm ist. Es gibt keine Altersbeschränkung und es gibt verschiedene Tragehilfen, für die verschiedenen Alters- und Gewichtsklassen.
Vorteile des Tragens von Kleinkindern
- Dein Kind kann beim Tragen eine Pause machen
- Nähe und Geborgenheit sind auch für Kleinkinder wichtig
- Gefühl der Sicherheit für Dein Kleinkind
- Die Trage ist besser für Deinen Rücken, Deinen Körper, als das Tragen auf dem Arm
- Mehr Flexibilität auf Ausflügen und Reisen
- Ihr könnt gemeinsam die Welt entdecken
Tragen eines Kindes aus medizinischer Sicht
In der evolutionären Verhaltensforschung ist mittlerweile klar, dass Kinder “Traglinge” sind, d.h. dass schon unsere Vorfahren ihre Kinder getragen haben. Beobachtest Du ein Baby, wie es die Beine anzieht sobald es hochgehoben wird, siehst Du, wie es sich auf den Hüftsitz vorbereitet.
Babys, die zu lange auf dem Rücken liegen, können eine sogenannte lagerungsbedingte Abplattung des Hinterkopfes/Schädels entwickeln. Durch das regelmäßige Umlagern oder Tragen des Babys kannst Du diesem Problem vorbeugen. Gerade für Babys ist das Tragen eine der wenigen Möglichkeiten seine liegende Position zu verlassen. Mediziner und Forscher sind sich außerdem einig, dass Babys, die regelmäßig getragen werden, weniger Unruhe zeigen. Denn durch den engen Kontakt zwischen Dir und Deinem Baby, kannst Du den emotionalen Zustand deines Babys eher und ganzheitlicher wahrnehmen. Durch die frühzeitige Wahrnehmung der Unruhe, kannst Du mit Deinem Kind effektiver und intuitiver kommunizieren.
Ein weiterer, durch Ärzte formulierter Pluspunkt des Tragens ist die Förderung der Sinne Deines Babys. Durch den engen Körperkontakt kann Dein Kind Dich über alle Sinne wahrnehmen: die Ohren, Augen, den Geruch und über Deine Berührungen und Bewegungen.
Prinzipiell gibt es keine medizinischen Bedenken gegen das Tragen, jedoch solltest Du Dich bei einer Trageberatung oder von Deiner Hebamme beraten lassen, um die richtige Tragehilfe für Euch zu finden und sicher zu gehen, dass diese richtig “gebraucht” wird. Vor allem die weitverbreitete “Angst”, es könnte Deinem Kind zu warm sein, oder es würde nicht richtig Luft bekommen, wurde durch Wissenschaftler entkräftet und stellt beim richtigen Gebrauch der Tragehilfe keine Gefahr dar.
Verwöhne ich mein Kind? Warum langes Tragen so verpönt ist
Um hier eine Antwort zu finden, sollten wir uns fragen, warum auch Kleinkinder manchmal getragen werden möchten. Die Gründe können vielseitig sein:
- Müdigkeit/Erschöpftheit
- Wachstumsschmerzen
- Wunsch nach Nähe und Geborgenheit
- Angst/Schüchternheit
Diese Bedürfnisse lassen sich in manchen Situationen durch Aufmerksamkeit stillen, oder dadurch, dass Du Deinem Kind die Hand reichst. Und manchmal ist es eben das Tragen, das Dein Kind braucht. Also warum solltest Du Deinem Kind das Bedürfnis nicht erfüllen, solange es für Dich körperlich in Ordnung ist? Dein Kind wird von alleine groß, und wenn es an der Zeit ist, wird es das Tragen nicht mehr wollen.
Doch warum ist die Meinung so verbreitet, dass Du Dein Kleinkind zu sehr verwöhnen würdest, wenn Du es zu lange trägst? Generell ist die Angst sehr verbreitet sich einen “Tyrannen” heran zu ziehen, wenn man als Eltern zu oft nachgibt, den Kindern ihren Willen lässt, sie uns auf der Nase herum tanzen. Ich denke es ist wichtig, dass wir verstehen, dass unsere Kinder kleine Menschen sind, die gerade erst lernen mit ihren Emotionen, Wünschen und Sorgen umzugehen. Sie müssen versorgt und geschützt werden und haben nicht die Absicht uns gegeneinander auszuspielen und uns fertig zu machen. Du bist die erste Bezugsperson Deines Kindes und es liebt Dich abgöttisch, warum sollte es also “böse Absichten” haben?
Manchmal verlangen wir von unseren Kindern vielleicht einfach zu viel: zum Beispiel lange Strecken laufen, wenn es eigentlich erschöpft ist. Wir müssen uns bewusst machen, welche Überzeugungen und Ängste in uns arbeiten, wenn wir glauben, dass wir unserem Kind nicht nachgeben dürfen.
Meine persönlichen Trage-Erfahrungen
Mein 4 jähriger Sohn steht immer unter Strom, er ist laut, schnell und kann nur selten ruhig sitzen. Und genau so ist er perfekt. Trotzdem sind auch seine Batterien irgendwann aufgebraucht. Wir leben in Indien und haben mindestens 2 mal im Jahr eine 24- 30 Stunden Reise vor uns. Wenn wir in Deutschland sind, besuchen wir unsere Freunde in ganz Deutschland, mit der Bahn. Gerade auf diesen Reisen ist die Trage für uns ein Muss, denn wenn der Akku meines Sohnes leer ist, dann ist er auch wirklich leer und er schläft. Ich habe dann keine Chance ihn wieder zu wecken. In diesen Situationen hilft uns nur die Trage, denn meistens sind meine Hände mit mindestens einem Koffer (und diversen Beuteln) voll.
Die Reaktionen meines Umfeldes halten sich dabei in Grenzen, aber manchmal sagen Blicke ja mehr als tausend Worte. Trotzdem höre ich auch des öfteren, dass ich meinen Sohn zu sehr verwöhnen würde.
Wir genießen, die mittlerweile sehr selten gewordenen Tragemomente sehr und bei meinem Sohn sehe ich sehr deutlich, dass sich Laufen und Tragen gegenseitig nicht ausschließen. Die Trage gibt uns einfach die Sicherheit zum Beispiel auch auf eine Wanderung zu gehen, oder lange Reisen so auch zu zweit zu unternehmen. In der Regel “hält mein Sohn durch”, aber für den Falle des Falles wissen wir einfach, dass es die Möglichkeit des Tragens gibt und dadurch trauen wir uns einfach mehr zu. Außerdem sind Kinder ja meistens doch sehr neugierig, sie wollen sich bewegen und die Welt entdecken. Es wird nur wenige Kinder geben, die wirklich die ganze Zeit getragen werden möchten – aber gerade bei längeren Ausflügen oder Reisen kommt dann doch irgendwann der Moment, wo mein Kind nicht mehr kann oder nicht mehr möchte. Natürlich versuche ich es erst einmal mit einer Pause , aber auf einer Flug- oder Zugreise ist das meistens leider keine Option.
Fazit
Das Tragen Deines Kleinkindes sollte für Dich und Dein Kind angenehm sein. Du kannst gerne versuchen Dein Kleinkind zum Laufen zu motivieren, trotzdem darfst Du Dein Kind natürlich tragen, wenn es für Euch beide passt. Medizinisch spricht nichts gegen das Tragen eines Kleinkindes und auf die Blicke von Anderen solltest Du nichts geben.
Trägst Du Dein Kind noch? Oder bis zu welchem Alter hast Du Dein Kind getragen? Wir würden uns freuen, wenn Du Deine Erfahrungen zum Thema mit uns in den Kommentaren teilst.
Hallo,
ich finde super wie du das machst und den Artikel absolut nachvollziehbar! Ich bin auch Fan der Trage.
Die negativen Kommentare sind absurd. Dass Kinder laufen können ist ja richtig, aber halt nicht beliebig lange Strecken. Wer selber viel mobil ist, braucht eine Lösung, wenn das Kind nicht mehr kann. Auf dem Arm tragen ist schlicht super anstrengend. Da kommen dann wirklich die genannten Rückenschmerzen. Viele setzen das Kind dann halt in den Buggy ohne das ihnen klar ist wie praktisch eigentlich so eine Trage allein von der Flexibilität her ist. Den leeren Buggy mitschieben, obwohl das Kind ja doch viel läuft ist viel unpraktischer und macht einen viel weniger mobil. Gerade auch in unwegsamem Gelände ist eine Trage super.
Und wer meint, das sei zu viel Nähe für ein Kind, dessen Kinder tun mir einfach nur leid. Es sollte doch normal sein mit Kindern auch wenn sie schon etwas größer sind zu kuscheln etc. Das kann man Zuhause auf der Couch machen und mit der Trage halt auch unterwegs. Gerade unterwegs wenn viele Eindrücke kommen tut das kuscheln Kindern immer wieder gut. Dann hat man kein quengeliges weil überreiztet Kind.
Vermutlich sind manche halt stets nur mit dem Auto unterwegs und nicht zu Fuß oder öffentlich und erkennen so die Vorteile des Tragens nicht.
Und die Angst Kinder zu verwöhnen indem man ihnen viel Nähe gibt ist eine trauge Hinterlassenschaft früherer Generationen. Gut, dass es aber immer mehr Mamas gibt die sich davon frei machen und eine liebevolle Bindung zu ihren Kindern zulassen. Es tut auch den Mamas gut. Gerade dann gibt’s keinen Nervenzusammenbruch, wie in einem negativen Kommentar befürchtet. ;-)
Daumen hoch!
Also wenn ich eine Mutter sehen würde, die ihr vierjähriges Kind noch trägt, würde ich mir an den Kopf fassen. Die Kinder sind groß, keine Babys mehr und sie können laufen und sollen das auch!
Das sind dann die Kinder, für die Mama irgendwann den Ausbildungsplatz klarmacht oder mit zum Vorstellungsgespräch erscheint..
Eine enge Bindung, die das Kind da sein … Ja, das ist wichtig. Aber lässt auch zu, dass eure Kinder groß werden!
Selten so einen schwachsinn gelesen. Vorteile wie „entspannung“. Hier wirds ohne ende in den himmel gelobt. Glaub das Wort wurde vertauscht mit Rückenschmerzen und Nervenzusammenbruch.
Hallo,
ich habe deinen Artikel gelesen weil wir heute bei der U4 waren (unser Sohn ist 3,5 Monate alt) und die Kinderärztin meinte das Trage sollten wir jetzt „langsam mal ausschleichen“.
Ich habe das nicht weiter kommentiert, war aber doch etwas geschockt über die Aussage, da ich absolut nicht nachvollziehen kann dass man heute immer noch so verunsichert wird. Noch dazu ist unser Sohn von Geburt an ein sehr unruhiges Baby und fordert fast 24 Stunden Körperkontakt und schreit nach wie vor viel. Bis jetzt schläft er am Tag tatsächlich nur im Tragetuch (manchmal auch im Kinderwagen aber da nie so lange und entspannt). Das weiß unsere Kinderärztin eigentlich auch weshalb ich ihren Kommentar noch unangebrachter fand.
Ich muss sagen dass ich mich zu Beginn wirklich sehr unter Druck gesetzt gefühlt habe von einigen Aussagen der Hebamme, der Kinderärztin, vor allem weil man ja alles richtig machen möchte und ich doch oft an mir gezweifelt habe weil unser Baby oft so viel weint.
Inzwischen versuche ich sowas auszublenden und mehr auf mein eigenes Gefühl zu vertrauen da ich festgestellt habe dass mir das anfangs nicht gut getan hat. Ich möchte meinem Kind seine Bedürfnisse erfüllen und ihm geben was er braucht um sich sicher zu fühlen.
Trotzdem gibt es immer wieder kleine Momente in denen ein Gefühl der Unsicherheit da ist oder in diesem Fall eigentlich eher Ärger.
Deshalb hat mir dein Artikel auf jeden Fall geholfen und mich in meinem Gefühl bestärkt 😊
Hallo, mein Sohn ist 3 und halb und ich trage ihn immer wenn er möchte. Es ist nicht oft aber wenn er will getragen werden dann hat immer Grund da zu. Ich Stille ihm auch immer noch. Auch nicht oft nur Abend . Er kann ohne körperliche Nähe nicht einschlafen. Mein erste Sohn war genau so. Erst mit 9 Jahre war er bereit allein schlafen. Heute ist er 14 Jahre sehr selbständig und überall sehr beliebt. Ob in Schule oder Sport Verein. Ich habe nichts falsch gemacht und werde ich das genau so machen mit meinem zweiten Sohn. So lange stillen wie er braucht, so lange tragen wie er braucht oder so lange mit ihm schlafen wie er braucht. Ich bin eine Mutter und meine Gefühle zu mein Kind kann niemand beeinflussen. Nicht Mal mein Mann. Der Entscheidung wie lange soll man ein Kind tragen muss oder soll nur Mutter treffen. Ohne Einfluss von Familie oder draußen. Mit freundlichen Grüßen Lada.