Schon vor der Geburt kann ein Baby vieles Hören: Deinen Herzschlag und die Melodie und den Klang der Stimmen seiner Eltern. Auf die Welt kommen Babys in der Regel mit einem organisch vollständig ausgebildeten und funktionierenden Gehör. Es nimmt Geräusche wahr und reagiert auf sie – aber was ist eigentlich, wenn das Baby schwerhörig ist? Dazu gebe ich Dir hier als Betroffene Informationen aus erster Hand.
Das Neugeborenen-Hörscreening
Das Hörvermögen entwickelt sich (reift) hauptsächlich innerhalb des ersten Lebensjahres. Etwa 24 bis 48 Stunden nach der Geburt wird für alle Neugeborenen im Rahmen der U1 ein Hörscreening angeboten. Dadurch lassen sich angeborene Hörstörungen erkennen und schnell behandeln, sofern es möglich ist.
Doch auch wenn das Hörscreening ohne Auffälligkeiten abgeschlossen wurde, solltest Du Dein Kind weiterhin gut beobachten. Eine Hörstörung kann auch erst später, zum Beispiel nach einer Infektion, eintreten.
Die Entwicklung des Hörvermögens
In den ersten Monaten nach der Geburt und auch in den ersten Jahren, bildet sich das Hörvermögen ständig weiter. Deshalb ist es wichtig, dem Baby immer wieder Geräusche und Reize aus der Umgebung zu ermöglichen, damit diese wahrgenommen und verarbeitet werden können. Dadurch, dass die Menschen in seiner Umgebung mit ihm sprechen, trainiert es nicht nur sein Hörvermögen, sondern auch seine Sprache.
So entwickelt sich das Hörvermögen in den ersten vier Jahren
👂 Nach der Geburt
Dein Kind erschrickt bei Geräuschen, die plötzlich und laut auftauchen.
👂 Mit 3 bis 5 Wochen
Dein Baby reagiert auf Deinen Zuspruch und lauscht, wenn Du mit etwas Entfernung mit Papier raschelst. Ist es entspannt und ausgeschlafen, hört es aufmerksam Stimmen und Geräuschen zu. Außerdem sucht es mit seinen Augen nach der Quelle. Auch Laute gibt Dein Baby inzwischen von sich.
👂 Mit 2 bis 3 Monaten
Deine Stimme wirkt auf Dein Baby, auch wenn es Dich nicht sieht. Es bewegt seinen Kopf dorthin, woher das Geräusch kommt und versucht, in seiner Sprache mit Dir zu kommunizieren.
👂 Mit 5 bis 6 Monaten
Dein Kind plappert unterschiedliche Laute und macht mit seiner Stimme auf sich aufmerksam. Es reagiert auf Geräusche wie Türklingeln oder Hunde-Gebell und wird bei unbekannten Geräuschen unruhig.
👂 Mit 1 Jahr
Das Kind reagiert auf Flüstern aus ca. einem Meter Entfernung und sucht nach der Quelle, wenn es Musik hört. „Nein“ ist ihm verständlich und es unterhält sich mit sich selbst, wenn es alleine ist.
👂 Mit 2 Jahren
Forderst Du es flüsternd oder leise dazu auf, auf Nase, Augen und Mund zu zeigen, ist das kein Problem. Es kann leises Summen hören und erkennt bekannte Geräusche (z. B: von Autos).
👂 Mit ca. 4 Jahren
Dein Kind erkennt bekannte Geräusche und versteht Anweisungen, auch wenn es Deinen Mund nicht siehst, während Du mit ihm sprichst. In diesem Alter kann es außerdem längere Zeit konzentriert zuhören (z.B. beim Vorlesen).
Quelle: kindergesundheit-info.de
Eine einmalige, auffällige Reaktion bzw. das Ausbleiben einer Reaktion muss nicht sofort bedeuten, dass mit dem Gehör des Kindes etwas nicht stimmt. Jedoch ist das Beobachten wichtig – auch das Beobachten der Sprachentwicklung. Je älter Dein Kleines wird, umso besser sollte seine Aussprache werden. Ist das nicht der Fall, kann eine Hörschädigung vorliegen. Das gleiche gilt, wenn das Kind aggressiv wird oder Kontaktschwierigkeiten mit anderen Kindern hat – auch dafür kann eine Hör-Beeinträchtigung der Grund sein.
Das Baby ist schwerhörig – die Diagnose
Wenn Du den Verdacht hast, dass Dein Baby schwerhörig ist, lasse das auf jeden Fall kinderärztlich abklären. Solltest Du jemanden in der Familie haben, der Hörstörungen hat, teile das auf jeden Fall dem Kinderarzt mit. Stellt dieser nun fest, dass tatsächlich eine Hörstörung vorliegen könnte, wird er Euch zu einem HNO-Arzt schicken. Dieser verfügt über bessere Geräte und Diagnoseverfahren. Stellt der HNO-Arzt nun eine Schwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit fest, sind vor allem hörende Eltern erst einmal ratlos.
Ich als taube Mutter, die dank Hörgeräten gut hört, kann an dieser Stelle sagen: Sicher geht für die Eltern in dem Moment, in dem sie die Diagnose bekommen, erst einmal die Welt unter. Wir sind jedoch heutzutage technisch und auch sozial so weit, dass das Kind ein fast normales Leben leben wird!
Ein intaktes Gehör ist die Voraussetzung für eine normale Entwicklung der Sprache
Hilfen für Kinder mit Hörbehinderung
Nach der Diagnose stellen Eltern sich viele Fragen. Kann mein Kind irgendwann hören? Wie kann es hören? Wie können wir kommunizieren? Das ist völlig normal und verständlich. Das Wichtigste ist jedoch: Mehrere Meinungen einholen und vor allem auch mit Betroffenen sprechen. Ärzte werden größtenteils zu einem Cochlear Implantat (CI) raten, eine Alternative sind Hörgeräte. Was möglich ist, hängt immer vom Resthörvermögen ab.
Mein Rat: Sucht am besten im Internet nach einem Gehörlosenverein in Eurer Nähe und tauscht Euch mit Betroffenen aus. Adressen bekommt Ihr z.B. über den Dt. Gehörlosen-Bund e.V.. Es gibt auch Selbsthilfegruppen für Eltern, deren Babys schwerhörig / Kinder taub sind. Was ich allen Eltern ans Herz legen kann: Lernt gemeinsam mit Eurem Kind die Gebärdensprache – auch mit dem Rest der Familie! Nur so ist eine Kommunikation auch dann noch gewährleistet, falls das Kind die Hörhilfe nicht mehr nutzen will oder das Hören sich verschlechtert. Ihr könnt z.B. Hausgebärdenkurse beantragen und diese dann gemeinsam machen.
Vielen Dank für diesen informativen und interessanten Beitrag! Wir haben bei unserem Kind ebenfalls Hörstörungen im Babyalter festgestellt. Nach vielen Untersuchungen bekamen wir die Rückmeldung, dass unser Kind ein Hörgerät benötigt. Deinen Rat, sich im Internet nach Gehörlosenverein umzuschauen, ist klasse. Man sollte immer daran denken, dass man nicht alleine ist.