Ist mein Kind ein gefühlsstarkes Kind? Ich würde sagen, ja. Es kann ganz schön aus der Reihe tanzen. Besonders wenn es aufgeregt oder besonders glücklich ist, ist es kaum zu halten. Vor allem, wenn ich mit anderen Eltern und ihren Kindern unterwegs war, fühle ich mich manchmal, als hätte ich in der Erziehung versagt. Inzwischen weiß ich, dass das natürlich Quatsch ist. Ich habe allerdings schon gehört, dass andere Menschen meinen Sohn aufmüpfig, besonders bockig oder anstrengend finden.
Es gibt einfach Kinder, bei denen die “herkömmlichen” Erziehungsratgeber nicht funktionieren. Kinder bei denen die Trotzphase nicht nur eine kurze Phase ist. Gefühlsstarke Kinder lassen sich leicht ablenken und hören einfach nicht zu. Gleichzeitig sind sie aber auch sehr einfühlsam und sensibel. Es gibt Kinder die erleben ihre Gefühle eben einfach intensiver: egal ob Freude, Wut oder Schmerz. Mit starken Gefühlen kommen oft auch große Bedürfnisse.
Gefühlsstarkes Kind: eine Störung?
Es handelt sich dabei weder um eine Krankheit oder Störung, es ist einfach eine Persönlichkeitsstruktur. Und diese hat ihren Ursprung nicht in “falscher” Erziehung, sondern in ihrer Hirnchemie.
Die Ursache: Die Amygdala, also die Region, die im Gehirn für das Erkennen von Gefahren verantwortlich ist, ist bei gefühlsstarken Kindern besonders aktiv. Das führt wiederum zu heftigen, emotionalen Reaktionen. Dagegen ist der sogenannte Vagusnerv (zuständig für Ruhe und Erholung) nur relativ schwach ausgeprägt. Das bedeutet, gefühlsstarke Kinder nehmen Eindrücke sehr intensiv wahr und sind deshalb schnell überreizt. Sie brauchen daher Begleitung, um in emotional schwierigen Situationen wieder zur Ruhe zu finden.
Der Alltag mit einem gefühlsstarken Kind kann für uns Eltern sehr anstrengend sein. Denn jede Emotion wird gefühlte 100 Mal stärker wahrgenommen. Deshalb werden gefühlsstarke Kinder oft als zum Beispiel besonders weinerlich, schmerzempfindlich oder mäkelig wahrgenommen.
9 typische Anzeichen
Ob Du ein gefühlsstarkes Kind hast, kannst Du relativ leicht selbst herausfinden. Die folgenden Anzeichen deuten darauf hin.
- Gefühlsstarke Kinder nehmen ihre Umwelt sehr genau wahr.
- Egal, ob es sich dabei um Personen oder die Umgebung handelt. Gefühlsstarke Kinder sind keine Freunde von Veränderungen. Sie haben Probleme sich anzupassen.
- Sie haben sehr viel Energie und brauchen verhältnismäßig wenig Schlaf.
- Gefühlsstarke Kinder haben oft Probleme, still zu sitzen.
- Sie sind sehr sensibel und empfindlich.
- Sie wollen ihren Kopf durchsetzen und sind dabei besonders hartnäckig.
- Emotionen und Gefühle werden immer sehr intensiv erlebt
- Sie machen sich viele Gedanken, auch über traurige Themen.
- Sie haben Schwierigkeiten sich selbst und ihre Gefühle zu regulieren.
Wie Du Dein gefühlsstarkes Kind unterstützen kannst
Die meisten temperamentvollen oder gefühlsstarken Kinder profitieren von festen Strukturen. Also von festen Schlafenszeiten und Routinen, festen Essenszeiten und klaren Regeln. Für Eltern kann ein gefühlstarkes Kind trotzdem sehr anstrengend sein. Aber da musst Du Deinen Weg finden. Es ist wichtig, dass Du Dein Kind auch in seinen überschwellig scheinenden Emotionen begleitest und diese nicht “klein redest”. Erkenne diese besondere Fähigkeit Deines Kindes an und dann wird es Dir auch leichter fallen, Dein Kind bei seinen Gefühlsausbrüchen zu begleiten. Es ist wichtig, dass Du besonders geduldig abwartest und nicht schimpfst. Versuche zu verstehen, dass Dein Kind Dich nicht ärgern möchte.
Wenn Dein Kind älter ist, kannst Du ihm Werkzeuge mit an die Hand geben, um mit seinen Emotionen klar zu kommen. Denn Du wirst nicht immer da sein, um Dein Kind zu unterstützen. Am besten erarbeitet Ihr Euch gemeinsam Strategien, die es auch allein anwenden kann, wenn es zu starke Gefühle übermannen. Dabei kann Dir auch folgendes Buch helfen:
Nora Imlau: “So viel Freude, so viel Wut”
In ihrem Buch So viel Freude, so viel Wut: Gefühlsstarke Kinder verstehen und begleiten – Mit Einschätzungstest für Eltern und Kinder thematisiert die Autorin und Bloggerin Nora Imlau gefühlsstarke Kinder. Sie beschreibt sie auf der einen Seite als wilder und fordernder, aber auch als einfühlsamer und empathischer. Sie erklärt, warum und wie sich gefühlsstarke Kinder von anderen Kindern unterschieden. Und geht gleichzeitig darauf ein, wie ihre Eltern sie unterstützen können. Nora Imlau gibt Eltern auch ganz praktische Tipps für Alltagssituationen im Umgang mit ihren Kindern.
Hast Du Dein Kind in der Beschreibung wiedererkannt? Hast Du Dich schonmal mit dem Thema gefühlsstarke Kinder auseinandergesetzt? Teile gern Deine Meinung und Gedanken mit uns in den Kommentaren.