Immer wieder begegnen sie mir – diese Babys, die zufrieden und allein auf irgendeiner Decke oder im Kinderwagen liegen und sich selbst beschäftigen. Dann muss ich immer daran denken, wie anders mein Sohn ist. Denn allein sein bzw. allein spielen war schon immer schwierig für ihn. Seine ersten sechs Lebensmonate wollte er eigentlich ausschließlich getragen werden. An allein liegen, egal ob im Kinderwagen, Autositz, Wippe oder sonstwo, war nicht zu denken – an allein beschäftigen oder spielen schon gar nicht. Deshalb habe ich ihn dieses erste halbe Jahr eigentlich permanent am Körper getragen. Auch nachts schlief er nur ruhig, wenn er unmittelbaren Körperkontakt hatte. Und ja, das war ziemlich anstrengend. Mittlerweile ist er 13 Monate alt und wird immer unabhängiger und kreativer, was das Spielen angeht. Ich würde sogar sagen, der Kleine ist unerschrockener und entdeckungsfreudiger als die meisten Kinder, die ich kenne. Aber bis es so weit war, habe ich verschiedene „Techniken“ entwickelt, um mit seiner Anhänglichkeit umzugehen.
Zeit geben und akzeptieren
Zunächst einmal hilft nur eins: Verständnis. Jedes Baby ist ein Individuum und hat andere Bedürfnisse. Nur weil andere Säuglinge ruhig und zufrieden ihren Spielebogen anstarren oder in der Babywippe liegen, kann ich das nicht von meinem eigenen erwarten. Auch ist er nicht mit Absicht so anhänglich, er macht das nicht, um mich zu ärgern, sondern es handelt sich um ein echtes, elementares Bedürfnis. Er hat Angst, wenn er allein sein soll und ruft deshalb sofort nach seiner Mama. Er braucht die Nähe und Zuneigung, um sich in Ruhe und Sicherheit entwickeln zu können und um ein Urvertrauen aufzubauen. Er ist noch viel zu klein, um irgendetwas zu „lernen“ oder zu „verstehen“. Diesen Sachverhalt habe ich mir wieder und wieder vor Augen geführt. Immer dann, wenn ich dachte, es geht nicht mehr und er „muss doch jetzt auch mal allein liegen können“. Er konnte es einfach nicht. Aber das Gute an Babys und Kindern ist ja: Es wird alles besser. Sie wachsen, entwickeln sich, verstehen mehr und werden unabhängiger. Nur weil er als Baby ständig getragen werden wollte, muss das im Kleinkindalter nicht weiterhin gelten. Denn alle Kinder streben nach Unabhängigkeit und wollen möglichst viel möglichst früh selbst tun. Also einfach Zeit geben und warten.
Allein spielen lassen
Und irgendwann kam der Moment, da er immer länger allein bleiben konnte. Zunächst nur ein paar Minuten, dann immer länger. Als er sechs Monate alt wurde, konnte er bereits krabbeln. Spätestens jetzt hatte er Spaß daran, auch mal 20 Minuten auf dem Teppich zu verbringen und die Welt neu zu erkunden. Kurz danach fing er an, sich an Dingen hochzuziehen und hatte noch einmal mehr Freude an seiner Mobilität. Das Tragen wurde weniger. Mit 10 Monaten schließlich fing er an zu laufen. Ab jetzt gab es kein Halten mehr. Er wollte los und alles entdecken, untersuchen, sich bewegen. Wenn er jetzt auf dem Arm getragen wird, dauert es meist nicht lange und er beugt sich nach vorne und signalisiert, dass er auf den Boden möchte. Diesen Prozess zu begleiten erforderte auch ein wenig Loslassen von meiner Seite. Manchmal musste ich mich selbst daran erinnern, mal wieder zu versuchen, wie viel er denn schon kann. Denn ich war so daran gewöhnt, ihn zu tragen und ihm alles abzunehmen, dass mir kaum bewusst war, wie weit er sich schon entwickelt hatte. Aber um seine Unabhängigkeit herauszubilden und sich auch allein zu beschäftigen, muss er genau das auch mal sein: allein. Natürlich heißt das nicht, dass ich einfach den Raum verlasse, aber ich habe angefangen, mich immer mal wieder mit eigenen Angelegenheiten zu beschäftigen und ihm wenig Aufmerksamkeit zu schenken. Auch wenn ihm das anfangs meist nicht gefiel, hat er nach ein wenig nörgeln akzeptiert, dass es jetzt eben nicht geht und allein gespielt, z. B. mit seinen Büchern.
Langeweile ist wichtig
Wer jetzt denkt: das arme Kind, das langweilt sich ja, wenn es so ignoriert wird – genau diese Langeweile ist für Kleinkinder enorm wichtig. Nur wenn sie nicht anhaltend von Erwachsenen bespaßt werden, haben sie genug Raum, ihre kindliche Phantasie und eigene Ideen zur Beschäftigung zu entwickeln.
Ein Kommentar zu Mein Kind spielt nicht allein