Kinder sind etwas wunderbares, sie bereichern unser Leben, machen uns glücklich. Richtig glücklich. Nicht wahr? Sind wir Mütter nicht alle fürchterlich glücklich?
Spätestens seit der „Regretting-Motherhood“-Debatte wissen wir, dass dem nicht immer so ist. Vielen Müttern strahlt nicht 24/7 sprichwörtlich die Sonne aus dem Hinterteil, sondern sie haben eine verdammt harte Zeit. „Mutterschaft geht häufig mit verringertem mentalem Wohlbefinden einher“, titelt nun eine aktuelle Studie. Demnach kommt es in den sieben Jahren nach der Geburt eines Kindes bei der Mutter „zu einem substanziellen und signifikanten Absinken des mentalen Wohlbefindens.“
Etwa ein Jahr nach diesem Absinken meines mentalen Wohlbefinden beschloss ich, einen Ausweg aus dem Hamsterrad „Muttersein“ zu finden. Für mich hat dieser unkonventionelle Ausweg funktioniert, doch ist das in meinen Augen nur eine Lösung der Symptome, nicht der Ursache.
Mein Leben vor 3 Jahren
Mein Mann kommt von der Arbeit nach Hause. Ich war den ganzen Tag allein mit dem Baby. Mit diesem Baby, das ständig unzufrieden scheint, nur getragen oder gestillt werden möchte. Die letzten neun Stunden war ich allein für dieses kleine Wesen zuständig. Ganz nebenbei noch für die Einkäufe, die Wäsche, die Sauberkeit in der Wohnung.
Ich frage mich, wie andere Mütter es schaffen, Freundschaften aufrecht zu erhalten. Nicht, dass ich keine sozialen Kontakte hätte. Mehrmals die Woche treffe ich mich mit befreundeten Müttern, denen es ähnlich geht. Wir sitzen bei derjenigen von uns zu Hause im Wohnzimmer, die sich zusätzlich noch Gäste antun will und genießen, dass die Kinder in Gesellschaft ein bisschen weniger unzufrieden sind.
Meistens starren wir müde lächelnd vor uns hin oder sprechen über banale Themen wie den Windelinhalt.
Ich frage mich, wie andere Paare es schaffen, Zeit für sich zu finden. Sich für ein zweites Kind zu entscheiden. Ich persönlich fühle mich einfach nur müde und abgefuckt, um es mal salopp auszudrücken. Einen Friseur habe ich viele Monate nicht gesehen und meine Mode besteht aus Kleidungsstücken von früher, die nicht ganz so fleckenanfällig sind.
Mein Mann kommt also von der Arbeit nach Hause. Ich warte schon seit mindestens 60 Minuten ungeduldig, er ist mal wieder recht spät, in meinen Augen. Seiner Meinung nach hat er sich natürlich beeilt. In einer Mischung aus genervt und wütend drücke ich ihm das Baby in die Hand. Es weint. Will bei der Mama bleiben. Auf die Frage, wie mein Tag war, bekommt er einen bösen Blick und ein kurzes Gebrummel. Was denkt er wohl, wie mein Tag war?! Dann verschwinde ich in der Toilette. Möchte meine Ruhe haben, wenigstens 2 Minuten am Tag. Draußen brüllt das Baby.
Nach einer halben Minute bin ich wieder einsatzbereit und mache Abendessen.
Ist der Mann Schuld? Von Mental Load und Gleichberechtigung
„Der Moment der Geburt Deines ersten Kindes ist der Moment, in dem Du erwachsen wirst. Dir wird schlagartig bewusst, dass Du da jetzt durch musst, dass Du nicht weglaufen kannst. Deshalb werden Männer auch nie erwachsen. Sie können sich einfach wegdrehen oder den Kreißsaal verlassen.“
Das ist das traurige Zitat einer befreundeten Mutter. Sie musste ihr Baby in der 23. SSW zur Welt bringen, es hat die Geburt nicht überlebt, das war vorher klar. Trotzdem, wahrscheinlich gerade deshalb, erfasst ihre Aussage genau das, was mit mir passierte, als ich Mutter wurde. Was vielleicht mit allen Frauen passiert, wenn sie Kinder bekommen. Sie werden erwachsen. In jeder Konsequenz. Sie werden verantwortlich.
Mental Load: Eine Frage der Verantwortung
Ein Cartoon, der gerade durchs Internet geistert und sich „You should have asked“ nennt, bezeichnet diese Verantwortung als „Mental Load“. Eine Verantwortung, die viel Energie kostet und die in unserer Kultur fast ausschließlich die Frauen tragen. Denn natürlich erledigte mein Mann schon immer, zusätzlich zum Job, viele Aufgaben. Er brachte den Müll raus, kaufte auf dem Heimweg Kleinigkeiten ein, trug schwere Dinge und wechselte den Stromanbieter, wenn unserer zu teuer war. Ich würde sagen, er unterstützte mich vom ersten Tag als Eltern an so gut er nur konnte.
Worüber ich mich dann beschwere? Weil die Verantwortung für unser Kind, für unseren Haushalt, für unser Familienleben trotzdem immer bei mir lag und liegt. Denn auch, wenn er einzelne Aufgaben übernahm, selbst wenn er alle übernommen hätte, so liegt es doch immer an mir, den Überblick zu behalten. Sicherzugehen, dass keine Aufgaben vergessen wurden. Ihn an wichtige Aufgaben zu erinnern. Sie selbst zu erledigen, wenn er sie mal wieder vergessen hat und zur Arbeit gegangen ist.
Warum ich nicht einfach aufhöre, die Mental Load zu tragen? Weil dann alles zusammenbrechen würde. Weil mein Kind wichtige Untersuchungen verpassen würde, viel zu spät zu Bett gehen würde, wir uns von Take-Away Junkfood ernähren würden. Weil wir ein dickes Minus auf dem Konto hätten, nicht zuletzt durch die Tatsache, dass plötzlich eine Putzfrau auf dem Gehaltszettel stände und viele Dinge einfach neu gekauft würden, wenn sie kaputt wären, verdorben oder irgendwo vergessen.
Wo ich gelernt habe, die Verantwortung für alles zu tragen? Bei meiner Mutter. Bei allen Müttern in unserer Gesellschaft. Durch Vorbilder und Erfahrungen. Alle Mütter, die ich kenne, tun das.Die Verantwortung tragen. Bis ich selbst in demselben Hamsterrad lief, habe ich nie darüber nachgedacht. Mir ist es nicht einmal aufgefallen.
Mein Leben heute: Eine Insellösung
Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich ich in unserer Wohnung auf Bali. Draußen ist es sonnig und warm, ein leichter Wind zieht durch die offenen Fenster und macht es angenehm hier. Mein 3-jähriger Sohn ist mit seinem Vater draußen unterwegs. Wie jeden Nachmittag. Nur am Sonntag, da haben wir Familientag und verbringen die Zeit komplett gemeinsam. Ansonsten treffen wir uns zum Abendessen wieder.
Unser Sohn war etwa ein Jahr alt, als ich es zum ersten Mal laut aussprach: Ich möchte so ein Leben nicht. Ich will nicht in unserer Wohnung in Berlin sitzen, mich müde und abgefuckt fühlen und für alles alleine verantwortlich sein. Egal, wie viel Geld er tagsüber verdient, davon kann ich mir keine Lebensqualität, keine Zufriedenheit und keine gemeinsame Zeit kaufen. Ich will raus aus dem Hamsterrad!
In den nächsten Monaten sprachen wir viel über mögliche Lösungen. Vor allem über eine: Deutschland zu verlassen und als Familie im Ausland zu leben. Wir schmiedeten einen Plan und nicht einmal zwei Jahre später kündigten wir beide unsere Jobs, übergaben die Wohnung, und verließen das Land.
Hier ist das Leben einfach. Wir haben eine Putzfrau, unsere Wäsche kommt frisch gewaschen aus der Wäscherei zurück und das Essen ist im Restaurant so günstig, dass ich kaum mehr selbst koche. Es gibt keinen Druck rund um Haushalt, Kita, Job, soziale Kontakte, Altersabsicherung, das alles scheint weit entfernt. Mein Mann und ich haben jetzt die Flexibilität, uns die täglichen Aufgaben wirklich fair zu teilen.
Ist das nun die Lösung? Auswandern?
Obwohl ich diesen Schritt immer wieder gehen würde, ist natürlich völlig klar, dass das nicht die Lösung des Dilemmas sein kann. Um ehrlich zu sein, ist es nicht einmal eine Lösung. Denn ja, die Aufgaben rund um Kind und Haushalt haben sich hier zu großen Teilen in Luft aufgelöst haben oder lassen sich fair verteilen. Wirklich fair. Auch die „Mental Load“, also die Verantwortlichkeit für die komplette Familienorganisation und das Wohlbefinden aller, ist kleiner geworden. So klein, dass sie mir oft gar nicht mehr auffällt. Doch sie ist immer noch da und sie liegt immer noch zu 99% bei mir.
Auch die Lösung, die Verantwortung fair zu teilen durch Listen und Berechnungen, halte ich nicht für dauerhaft zielführend. Auch die Meinung, dass die Aufgabe, das zu ändern, bei der Politik läge, wie es z.B. Mareice Kaiser in ihrem Buch „Das Unwohlsein der modernen Mutter“ beschreibt, kann ich nicht teilen. In meinen Augen fängt es viel kleiner an. Bei Menschen wie Dir und mir. In unserem Alltag. In unserer kulturellen Prägung.
Um ehrlich zu sein, denke ich nicht, dass sich das in unserer Generation überhaupt lösen lässt. Dafür ist diese kulturelle Prägung einfach zu stark. Wir können Lösungen finden, die das Leben als Mutter für uns angenehmer machen und uns vor der ständigen Überlastung und Unzufriedenheit schützen. Und das sollten wir auch! Das ist Aufgabe der Politik. Und das kann Ergebnis von Listen und Berechnungen sein.
Aber um diese Muster wirklich aufzubrechen, wird es viele Generationen brauchen. Wir sollten mit der nächsten anfangen. Mit unseren Kindern. Überlegen, was wir ihnen vorleben. In kleinen Schritten die Mental Load an unsere Männer übergeben, sodass es unseren Söhnen nicht mehr so unnötig vorkommt, mitzudenken und wirklich verantwortlich zu sein; sodass es unseren Töchtern nicht so unnatürlich erscheint, die komplette Verantwortlichkeit abzulehnen und vom Partner zu verlangen, seinen Teil zu leisten. Ohne, dass sie danach fragen. Ohne, dass sie kontrollieren. Ohne, dass sie der doppelte Boden sind, auf den er sich immer verlassen kann.
Oder, wie es die oben genannte Studie ausdrückt, dafür sorgen, „dass eine institutionell gestützte Aufweichung tradierter Leitbilder von Mutterschaft zu einer psycho-emotionalen Entlastung von Müttern in Deutschland“ führt.
Hast Du auch das Gefühl, in Deiner Familie diejenige zu sein, die ständig an alles denken und für alles die Verantwortung tragen muss? Wie gehst Du damit um? Wir freuen uns über Deinen Kommentar!
Die Kommentare finde ich wahnsinnig spannend.
Tatsächlich war es bei uns so, dass ich direkt nach dem Mutterschutz wieder gearbeitet habe. Vor allem im Home Office wegen Stillen, einen Monat Vollzeit, dann 20 Stunden. Für den 3.-6.Lebensmonat war daher mein Ehemann der #defaultparent. Danach wechselten wir und er hat wieder voll gearbeitet. Wenn Mini jetzt mit anderthalb fremdbetreut wird, wechseln wir wieder. Dann arbeite ich Vollzeit und er übernimmt die Nachmittagsbetreuung komplett.
Unsere Lösung sind tatsächlich Kalender, Absprachen an jedem Sonntag, Listen und ein Ordner mit Infos zu allem möglichen Kram von Haushalt über Versicherungen bis hin zu Betreuungsinfos. Für mich ist das so einfacher als ständig an alles alleine denken zu müssen. Für uns war aber auch von vornherein klar, dass wir ein moderne Version von Elternschaft leben möchten.
Hallo Männer,
ein Mann wird in der gesamten Geschichte der Menschheit nie in der Lage sein, sich in eine Frau zu versetzen. Die Ängste in der Schwangerschaft zu durchleben und sich und seinen eigenen Körper ganz freiwillig einem anderen Menschen hinzugeben. Also auch nicht wie das Gefühl ist, sich nach fast einem 1 Jahr „körperlich zusammen“ zu trennen und falls man es macht, sich dem Druck der Gesellschaft auszusetzen eine schlechte Mutter zu sein.
Bitte bringt einfach so viel Verständnis wie möglich für eure Frauen auf. Versucht nicht nur an euren harten Tag zu denken, sondern auch an ihren und bitte versucht eigenverantwortlich Aufgaben rund um das Baby, den Haustieren und dem Haushalt zu übernehmen. Wir probieren es alle aus, sprechen darüber ohne Listen, Zwang und Druck und schauen was passiert.
Ich gebe euch bescheid wenn es bei mir mal geklappt hat. :)
VG
Mich würde interessieren, ob die betroffenen Mütter die Elternzeit vom Mann machen lassen würden und dafür lieber an seiner Stelle arbeiten?
Oder ob sie dann doch lieber voll für ihre Kinder da sein wollen und sie nicht dem Mann überlassen wollen?
Hi, es könnte aber auch eine Mono Sicht der Dinge sein. Weil der Mann es eh‘ nicht rafft, übergebe ich ihm auch keine Veränderung (oder habe ein schlechtes Gefühl damit und mache es nicht). Wie soll der Typ es dann aber lernen? Die Situation ist nicht ganz unrealistisch und scheinbar für die Frau irgendwie nicht recht vorstellbar. Ein Mann.
Ich stimme dem vollkommen zu. Ich muss sagen, mit einem Kind ist mir das noch nicht so aufgefallen aber seit das zweite da ist…
Ich merke immer mehr wie ich nur noch funktioniere, wie ferngesteuert. Ich habe auch keine Energie mehr so noch ewig weiter zu machen.
Wenn ich mit meinem Mann darüber spreche, kommt nur Unverständnis zurück. Es sei meine Aufgabe…
Klar, er kommt jeden Tag hier raus, kommt unter Leute, kommt abends heim und erwartet das alles blitzblank ist und wir drei gut drauf. Die Realität sieht ganz anders aus.
Man fügt sich in seiner Rolle und gibt sich ein Stück weit auf
Hallo Mel,
zunächst einmal: Ich kann dich so gut verstehen. Mit Kind(ern) hat man meist einfach nicht die Energie, auch noch solche Kämpfe mit dem Partner auszutragen. Und gleichzeitig ist das der Grund, warum Deine Kinder mit genau derselben Rollenverteilung aufwachsen werden. Warum Söhne, wie Dein Mann, gar nicht verstehen können, wovon eigentlich die Rede ist und Töchter die Aufgabe wie selbstverständlich annehmen. Manchmal, so wie du beim ersten Kind, oder wie ich, ohne es überhaupt zu wissen.
Ich wünsche Dir, dass Du trotzdem irgendeine Lösung für Dich findest,
Hanna
Das ist die Wahrheit ???? auf den Punkt getroffen würde ich sagen!!! ?????? Deswegen Mütter hört auf eure Söhne zu verhätscheln und zu Memmen zu erziehen!!!! Die können ruhig auch mal anpacken!
Letztendlich leiden nämlich später immer die Frauen darunter, weil der Mann keine Verantwortung übernehmen kann. Er kennt’s ja nicht anders!
Gott das ist so ein Thema, da könnte ich ausflippen! ?