Heute möchte ich mich an ein Thema heranwagen, das nicht im klassischen Sinne ein Hebammenthema ist. Aber: Es wird ein immer größeres Thema für (junge) Mütter und somit bin auch ich in meiner Arbeit als Hebamme in steigendem Maße mit dieser Thematik konfrontiert.
Es geht um das sogenannte „Mommy Makeover“, wie es so salopp auf vielen Instagram- und Youtube Mami-Kanälen heißt. Gemeint ist eine Schönheits-OP, die gerade für Mütter häufig in Kombination angeboten wird: Bauchdeckenstraffung, ggf. Fettabsaugung am Bauch kombiniert mit einer Brust-OP.
Wenn Du nach der Geburt Deines Babys mit Deinem Körper haderst, vielleicht sogar über eine Mommy Makeover OP nachdenkst, und an meiner ganz persönlichen Meinung zu dieser Thematik interessiert bist, freue ich mich, wenn Du weiter liest.
Was genau ist ein Mommy Makeover?
Der Begriff „Mommy Makeover“ ist natürlich keine klare Definition für einen medizinischen Eingriff. So wird er in erster Linie von Müttern auf Social Media verwendet, die sich nach der Geburt eine Art „Runderneuerung“ für ihren von Schwangerschaft und Geburt gezeichneten Körper wünschen. Einige Beispiele findest Du bei Instagram und Youtube (z.B. Saskias Family Blog, Isabeau), aber auch diverse Stars und Sternchen gehen inzwischen ja relativ offen damit um, sich nach einer Geburt Hilfe vom Chirurgen zu holen, um wieder „gut“ auszusehen.
In dieser Info-Grafik siehst Du, was bei einem Mommy Makeover (unter Anderem) gemacht wird:
- Bruststraffung und evt. -vergrößerung
- Bauchdeckenstraffung
- Fettabsaugung
Mommy Makeover: Meine persönlichen Kritikpunkte
Zunächst und grundsätzlich einmal habe ich mit der OP an sich keinerlei Probleme. Ich bin der Meinung, dass jede Frau über sich und darüber, was mit ihrem Körper geschehen soll, frei entscheiden darf.
Und ich habe auch vollstes Verständnis dafür, dass eine junge Frau ihre Schwangerschaftsstreifen und die schlaffe Haut am Bauch nicht unbedingt mit Stolz trägt, nur weil ihr Körper so Großartiges geleistet hat. Ich verstehe, dass sich – ganz unabhängig von der Freude, dem Glücksgefühl und dem Stolz, den die Geburt eines Babys mit sich bringt – eine Frau in ihrem Körper weiterhin wohl fühlen möchte. Und, dass es durchaus körperliche Veränderungen durch eine Schwangerschaft, eine Geburt oder das Stillen geben kann, die für einzelne Frauen inakzeptabel sind.
Mein „Problem“ mit dieser OP besteht also nicht in der OP an sich, sondern in der Art, wie sie auf vielen Mami-Blogs und in den sozialen Medien, aber auch seitens der plastischen Chirurgen dargestellt wird.
Bauchdeckenstraffung und Brust-OP sind kein „kleiner Eingriff“
Zunächst einmal fällt mir auf, daß es sehr wenige Blogger, Influencer oder Instagrammer gibt, die „das Kind“ beim Namen nennen. Da wird von einer Mami-OP geredet, von einem „kleinen Eingriff“ oder davon, „ein bisschen Haut am Bauch zu entfernen“. Faktisch sprechen wir hier aber über eine sogenannte Abdominalplastik, über eine OP, die in den meisten Fällen mit einigen Narben, einem relativ großen Bauchschnitt und auch weitreichenden Konsequenzen einhergeht. Und eben darüber spricht in diesen Videos und Berichten quasi keiner. Man sieht Klinikzimmer, die an Luxusresorts erinnern, man kann sehen, wie top gestylte Operationswillige mit ihrem Arzt, mit dem sie natürlich per Du sind, die Details besprechen. Und am Ende gibt es teilweise sogar noch einen „Rabattcode“, wenn man dann über den Link dieses Influencers auch in diese Klinik geht.
Mommy Makeover wird in den sozialen Medien verharmlost
Was mich daran stört ist nicht einmal so sehr, dass das Ganze in vielen Fällen eine reine Werbeveranstaltung ist und die Influencerin nur selten den realen vollen Preis für diese OP bezahlen muss. Vielmehr stört mich die Verharmlosung, mit der hier ein medizinisch nicht notwendiger Eingriff beworben wird und die Selbverständlichkeit, mit der manche Frauen scheinbar davon ausgehen, dass man nur ein paar Monate nach der Entbindung „alles“ haben kann. Ein gesundes Kind, eine problemlose Schwangerschaft, eine tolle Geburt und eine Figur wie ein Model.
Mommy Makeover findet oft schon wenige Monate nach der Geburt statt
Darüber hinaus finde ich den Zeitpunkt, zu dem manche Frauen diese OP planen, durchaus bedenklich. Manchmal liegen sie bereits wenige Monate nach einer Geburt auf dem OP-Tisch, zu einem Zeitpunkt, an dem der Körper mit der Schwangerschaft noch gar nicht komplett abgeschlossen hat.
Eine große Mami-Youtuberin hat sich nicht einmal ein Jahr nach der Geburt ihres dritten Kindes die Bauchdecke straffen und die Rektusdiastase zusammen nähen lassen – und hat innerhalb von 2 Jahren das nächste Kind bekommen.
In OP-Tagebüchern wird die kritische Phase ausgelassen
Mir wäre es zunächst einmal wichtig, die OP so realistisch darzustellen, wie sie ist – als eine große Operation mit allen für solche OPs typischen Risiken. Ich fände es fair gegenüber den Fans und Followern, wenn in den „OP-Tagebüchern“, die von vielen YouTubern angekündigt werden, die Sequenzen, in denen es nicht so super-easy läuft, nicht ausgelassen werden würden. Ganz häufig ist in solchen „Tagebüchern“ eine Lücke von mehreren Tagen. Man sieht die Frauen vor der OP und dann unmittelbar danach. Das erste Aufstehen, das Ziehen der Drainagen, die ersten Tage daheim, wenn einfach massive Einschränkungen bestehen, wird meist elegant ausgelassen.
Ärzte sollten realistische Einschätzung geben
Dann fände ich es gut, den potenziellen Patientinnen auch seitens der Mediziner eine realistische Einschätzung der Situation zu geben. Wenn eine Frau sechs Monate nach der Geburt zum Schönheitschirurgen geht und noch 20kg mehr auf den Rippen hat, hat sie natürlich nicht ihre Figur aus der Zeit vor der Schwangerschaft. Die Frage, die dann aber zuerst gestellt werden sollte, ist in meinen Augen nicht unbedingt „Was kann ich für Sie tun?“, sondern „Was stört Sie und was haben SIE bisher getan?“.
Rückbildungskurse sind entgegen der landläufigen Meinung kein Mutti-Treff zum Babyschaukeln. Auch spezielle Übungen zum Schließen einer Rektusdiastase, Physiotherapie und ein Beckenboden-Kurs können einen gewaltigen Effekt erzielen. Aber sie gehen halt mit einer gewissen körperlichen Anstrengung einher und erfordern Durchhaltvermögen. Den Vorteil an dieser Anstrengung sehe ich aber ganz klar darin, dass Du Dich mit dem eigenen Körper und auch mit dem eigenen Körperbild auseinandersetzt. Und vielleicht in dieser Zeit lernst, manchen vermeintlichen Makel zu akzeptieren oder sogar wertzuschätzen.
Ein Mommy Makeover kann keinen Beckenboden retten
Darübe hinaus finde ich es wichtig, sich klar zu machen, dass eine veränderte Optik nicht unbedingt das Problem löst. Einen schlaffen Beckenboden zum Beispiel therapiert eine Bauchdeckenstraffung nämlich nicht. Aber der Druck, etwas für sich und gegen die Probleme zu tun, nimmt in dem Moment ab, wenn man optisch wieder ganz zufrieden ist. Und das kann später durchaus noch zu therapiepflichtigen Einschränkungen führen.
Schwangerschaft nach Mommy Makeover – wirklich kein Problem?
In der ärztlichen Aufklärung sollte auch ein etwaiger erneuter Kinderwunsch einen gewissen Stellenwert haben. Auf den Online-Auftritten diverser Schönheitschirurgen wird eine erneute Schwangerschaft nach einem Jahr als völlig unproblematisch dargestellt. Das halte ich persönlich für eine relativ gewagte Aussage – nach einem Kaiserschnitt ist das der allerfrüheste Zeitpunkt für eine weitere Schwangerschaft.
Natürlich, bei einer Bauchdeckenstraffung wird kein Gebärmuttergewebe verletzt, dennoch ist auch die Haut am Bauch und die gesamte Bauchdecke durch eine Schwangerschaft einer extremen Belastung ausgesetzt. Auch eine genähte Rektusdiastase steht buchstäblich unter enormem Druck. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das an allen Frauen in einer erneuten Schwangerschaft völlig spurlos vorbei geht.
Meine persönlichen Erfahrungen
Ich bin inzwischen 20 Jahre Hebamme und ja, NATÜRLICH hatte ich schon reichlich Frauen mit vorausgegangenen OPs.
In den allermeisten Fällen waren es Brust-OPs, ich erinnere mich aber auch an eine Frau nach einer Bauchdeckensttraffung. Die OP hatte im Ausland statt gefunden und war ganz offensichtlich nicht gut gemacht. Die Frau hatte sehr unschöne Narben und in der Schwangerschaft massive Schmerzen. Bei jedem Wachstumsschub des Babys lag sie bei uns in der Klinik, hatte bereits sehr früh vorzeitige Wehen und am Ende bekam sie ihr Kind 8 Wochen zu früh. Ob es allein an der OP lag? Das kann ich nicht sagen, allerdings ging die Ärzteschaft damals durchaus davon aus, dass ein Zusammenhang bestand.
Stillen nach Brust-OP ist oft problematisch
Zum Thema Brust-OP kann ich nur sagen, dass ich in 20 Jahren noch NIE eine Frau mit Implantaten betreut habe – und zwar unabhängig davon, ob sie unter oder über dem Brustmuskel lagen – die problemlos 5 oder 6 Monate voll gestillt hat. Oftmals waren wiederkehrende Milchstaus, Brustentzündungen und eine nicht ausreichende Milchmenge ein Problem.
Auch das heißt nicht, dass es nicht die Frau nach Brust-OP gibt, die voll stillt, so lange sie möchte. Aber ich bin der Meinung, dass es nicht ganz so unproblemtisch ist, wie es häufig dargestellt wird.
Mein persönliches Fazit
Jede Frau, generell jeder Mensch, hat ein Recht darauf, über seinen Körper frei zu entscheiden. Jeder sollte die Möglichkeit haben, sich so entwickeln zu können, dass er sich wohl fühlt.
ABER ich finde, man darf dabei auch nicht die Realität aus den Augen verlieren. Und die sehen wir nicht auf Instagram oder YouTube. Und auch nicht in einem Werbevideo für Brust-OPs. Wie viele Chirurgen, die überzeugt davon sind, Stillen sei nach der von ihnen ausgeführten OP gar kein Problem, haben denn im Nachgang noch einmal diese Aussage verifiziert? All die Operateure „meiner“ Frauen mit den Stillproblemen haben das auch gesagt – und tun es vermutlich heute noch.
Wenn Du unzufrieden bist mit Dir und Deinem Körper – dann ist es wichtig, Dir selbst etwas Gutes zu tun. Das kann auch bedeuten, erst einmal an Deinem Körper und auch an Deiner Selbstwahrnehmung zu arbeiten und zu erkennen, was Dein Körper aus eigener Kraft leisten kann. Wenn Dein Körper ein Baby austragen und zur Welt bringen konnte, schafft er vielleicht auch in anderen Bereichen mehr, als Du es Dir aktuell vorstellen kannst. Auch ein Digital-Detox, also ein bewusster Verzicht auf die sozialen Medien mit ihren perfekt erscheinenden Insta-Mamas kann Dir helfen: Umgib Dich mit echten Menschen in echten Körpern ohne Filter und Bildbearbeitung.
Und wenn Du dennoch den Eindruck hast, eine Schönheits-OP wäre der richtige Weg für Dich, dann geh zu unterschiedlichen Vorgesprächen. Hole Dir nicht nur eine Zweit- sonder auch eine Dritt- oder Viertmeinung ein. Höre Dir Erfahrungsberichte an – vielleicht auch negative – und lass Dir Zeit. Denn ein Mommy Makeover ist eine große und wichtige Entscheidung, die mit Risiken einhergeht – und eben keine etwas kostenintensivere Beauty-Behandlung, die man sich einfach mal so gönnt. Sich das klar zu machen, das finde ich wichtig!
Wie stehst Du zum Mommy Makeover nach der Geburt? Wir sind gespannt auf Deinen Kommentar!
Mehr Infos dazu findest Du hier.
Super , realistischer Text .
Ich habe Gänsehaut am ganzen Körper!!
Bitte nicht vergessen, dass insbesondere bei Bauchdeckenstraffungen Wundheilugsstörungen auftreten können und diese mal schnell bis zu 3 Monate, die Heilung verzögert!
Als Mama eines oder mehrerer Kleinkinder, ist es nach solch einer OP, ein knappes halbes Jahr nicht möglich, sich 100% um die Bedürfnisse und den Haushalt zu kümmern.
Bitte gebt euren Körpern Zeit und versucht, dass innere Gleichgewicht zu finden! Das strahlt ihr nämlich aus … auch eine OP hilft da nichts!