Muttermilch ist die von der Natur vorgesehene Nahrung für unsere Babys, Stillen ist damit das Natürlichste der Welt. Das bedeutet allerdings nicht, dass es auch bei jeder Mama wie von selbst klappt. Im Gegenteil, Stillen hat auch etwas mit Vorbildern, Übung und Unterstützung zu tun. Außerdem gibt es seit einigen Jahrzehnten der Menschheitsgeschichte eine echte Wahlfreiheit für Frauen: Stillen oder Flasche? Damit Du Dich gewappnet fühlst, diese Entscheidung bewusst und kompetent zu treffen und Dich auf das Stillen gut vorbereiten kannst, gebe ich Dir in diesem Artikel einen Überblick über die wichtigsten Fakten, Hilfestellungen und Stolperfallen beim Stillen.
Warum Stillen?
Vielleicht ist deine Entscheidung längst gefallen, vielleicht zögerst Du aber auch noch, ob Du Dein Baby wirklich stillen möchtest. Denn diese Wahl haben wir Mütter in diesem Jahrtausend ja zumindest in der westlichen bzw. privilegierten Welt. Egal, welche Entscheidung Du triffst: Stelle sicher, dass Du vorher alle Fakten sowie Vor- und Nachteile rund um das Thema Stillen kennst. Flaschenmütter fühlen sich häufig von Stillmamas kritisiert oder verurteilt für ihre Entscheidung. Das musst Du nicht. Um zu vermeiden, dass Du später ein schlechtes Gewissen hast, Dein Baby nicht gestillt zu haben, informiere Dich vorab dennoch gut.
Stillen: Vorteile für Dein Baby
Die Muttermilch, die Deine Brust produziert, ist ein wahres Wunderwerk. Bis heute wissen Forscher nicht genau, was alles in der Milch steckt und sie künstlich nachzuahmen scheint unmöglich. Das liegt auch daran, dass die Muttermilch sich ständig anpasst – an das Alter des Babys, an seine benötigte Trinkmenge, bei grippalen Infekten oder bei großer Hitze. Indem Du Dein Baby nach Bedarf stillst, gehst Du sicher, dass es zu jeder Zeit alle Nährstoffe und ausreichend Flüssigkeit bekommt. Zudem ist Muttermilch leicht verdaulich und verursacht normalerweise keine Blähungen oder Bauchschmerzen. Sie stärkt die Immunabwehr und unterstützt eine gesunde Darmflora.
Die Hersteller von industriell produzierter Säuglingsmilch versuchen, die Muttermilch möglichst nah zu imitieren. Allerdings klappt das nur mit vielen Abstrichen in der Qualität. So sind im Milchpulver zum Beispiel keine Stoffe für die Immunabwehr oder den Aufbau der Darmflora enthalten. Dafür werden in der künstlichen Säuglingsnahrung immer noch Mineralöl-Rückstände gefunden, denen unter Umständen eine krebserregende Wirkung zugeschrieben wird. Auch ist der Proteingehalt höher als in der Muttermilch. Das kann in späteren Leben die Entwicklung von Übergewicht begünstigen.
So profitierst Du vom Stillen
Wusstest Du, dass am Ende nicht nur Dein Babys von einer langen Stillbeziehung profitiert, sondern auch Du als Mama?
- Stillen fördert die Rückbildung nach der Geburt.
- Stillen verringert nachweislich das Risiko für Frauen, an Brustkrebs zu erkranken. Je länger Du stillst, desto größer der Effekt.
- Die Muttermilch ist jederzeit verfügbar und Du brauchst kein Equipment.
- Muttermilch ist kostenlos.
- Viele Stillmamas verlieren die Schwangerschaftspfunde schneller und einfacher.
Lies hier Hebamme Monikas Beitrag über alle weiteren Vorteile des Stillens.
Vorteile der Flasche
Trotz all dieser Vorteile gibt es Frauen, die einfach nicht gerne stillen. Wenn sich in Dir etwas sträubt und sich der Gedanke, Dein Baby zu stillen, einfach furchtbar anfühlt, bist Du vielleicht eine von ihnen. Und natürlich hat es auch Vorteile, nicht zu stillen:
- Deinem Kind fällt es möglicherweise leichter, eine Bindung zu anderen Bezugspersonen aufzubauen, da diese ebenfalls füttern können.
- Du bist unabhängiger und kannst zum Beispiel früher wieder zurück in den Job.
- Nachts kannst Du Dich mit deinem Partner abwechseln.
- Ein Dauerstillen (vor allem nachts) kommt bei Flaschenkindern nicht vor.
Allerdings lassen sich all diese Vorteile auch mit dem Stillen vereinbaren – indem Du teilweise abpumpst und mit der Flasche fütterst.
Wie Du Stillen und Arbeiten unter einen Hut bringst, erklärt Dir Kerstin in ihrem passenden Beitrag.
Unverzichtbar: Das Kolostrum nach der Geburt
Solltest Du Dich entscheiden, Dein Baby nicht zu stillen, möchte ich Dir trotzdem eins ans Herz legen: Gib Deinem Baby zumindest ein- oder zwei Portionen Kolostrum (Vormilch) unmittelbar nach der Geburt. Dein Kind wird sein ganzes Leben lang davon profitieren und Du hast keinerlei Nachteile. Die Milchbildung kommt dadurch nicht in Gang und auch Deine Freiheit wird in keiner Weise eingeschränkt.
Im Zweifelsfall: Ausprobieren und Hilfe holen
Wenn du Dir nicht sicher bist, ob Stillen das Richtige für Dich ist, kannst du es im Zweifel nach der Geburt einfach mal versuchen und Dir wenn möglich auch Unterstützung dabei holen. Der Umstieg von der Brust zur Flasche ist nicht schwer – von der Flasche zur Brust zu wechseln ist dagegen sehr mühsam bis unmöglich. Und Dein Kind profitiert von jeder einzelnen Stillmahlzeit – das heißt, auch drei Tage oder drei Wochen zu stillen ist besser, als gar nicht zu stillen.
Ein guter Stillstart nach der Geburt
Wenn Du Dich entschieden hast, zu stillen, macht es Sinn, dass Du Dich:
- Bereits in der Schwangerschaft aufs Stillen vorbereitest
- Darauf achtest, ein stillfreundliches Krankenhaus für die Entbindung zu wählen
- Bei einer ambulanten Geburt oder Hausgeburt sicher stellst, dass Du unmittelbar vom ersten Tag an Unterstützung durch eine Hebamme bzw. Stillberatung oder auch eine Doula hast.
Denn bei manchen Frauen funktioniert das Stillen nicht einfach so. Viele Neu-Mamas brauchen Hilfe beim Anlegen – oder Tipps, um einen Milchstau zu vermeiden oder um den Milcheinschuss in Gang zu bringen. Unterstützung und Hilfe durch andere Frauen ist also sehr wichtig für einen guten Stillstart. Leider fehlen in unserer modernen Gesellschaft häufig die Vorbilder und das enge Zusammenleben mit anderen Müttern. Viele Schwangere haben noch nie eine stillende Mutter gesehen und auch die „Trockenübungen“ aus dem Geburtsvorbereitungskurs sind schnell vergessen (falls es überhaupt welche gab).
Lass dich also von Deiner Hebamme umfassend aufklären oder lies Dich selbst in das Thema ein.
Alles Wichtige zum Stillstart – im Video mit Hebamme Anna-Maria
Frühes Anlegen erleichtert den Stillstart
Zu Beginn der Stillbeziehung ist es wichtig, dass Du das Baby möglichst früh und häufig anlegst, sodass der Milcheinschuss in Gang kommt. Aber auch, wenn das nicht möglich ist, zum Beispiel bei einem Kaiserschnitt, ist das kein Stillhindernis. Auch mit Schlupf- oder Flachwarzen kannst Du mit der richtigen Hilfe stillen.
Stillen: Das Baby richtig anlegen
Wenn Du Dein Baby das erste Mal nach der Geburt anlegst, hast Du hoffentlich eine Hebamme oder eine andere Vertrauensperson als Unterstützung. Wichtig ist, dass Du:
- eine entspannte Position einnimmst.
- das Köpfchen des Babys zu Deiner Brust führst, nicht anders herum.
- wartest, bis der Mund des Babys weit geöffnet ist und dein Baby dann möglichst viel von der Brustwarze im Mund hat.
- die Brustwarze nicht gezerrt wird und du beim Stillen keine Schmerzen hast.
Bei Problemen beim Anlegen oder anderen Stillproblemen solltest Du Dir auf jeden Fall gleich Hilfe suchen und nicht warten, bis es immer unangenehmer wird. Denn falsches Anlegen ist die Hauptursache für wunde Brustwarzen und Schmerzen beim Stillen. Natürlich kann sich das Stillen beim ersten Kind etwas ungewohnt oder unangenehm anfühlen. Aber: Stillen sollte nicht weh tun!
Du hast auch nach der Geburt und nach dem Wochenbett weiterhin Anspruch auf die Unterstützung einer Hebamme, und zwar während Deiner gesamten Stillzeit.
Stillen nach Bedarf
Mir wurde nach der Geburt meines ersten Babys von vielen Seiten suggeriert, mein Baby müsse eine Art Stillrhythmus haben – am besten von 3 oder 4 Stunden. Früher wurde so ein Rhythmus sogar künstlich erzwungen und es wurde nach der Uhr gestillt. Das wird den natürlichen Bedürfnissen von Säuglingen allerdings nicht gerecht. Denn sie brauchen zwar regelmäßig Milchmahlzeiten, aber die Frequenz und die Menge der Mahlzeiten lassen sich von außen nicht festlegen. Genau wie wir Erwachsenen haben auch Babys Hunger, wenn sie eben Hunger haben.
Deshalb empfehlen heute alle Fachpersonen, Kinder nach Bedarf zu stillen. Das bedeutet, dass Du auf die ersten Hungeranzeichen Deines Baby achtest und ihm dann umgehend die Brust anbietest – egal, ob die letzte Stillmahlzeit 4 Stunden oder 20 Minuten zurück liegt. Anzeichen von Hunger sind:
- Suchbewegungen mit dem Kopf; Auf- und Abbewegen des Kopfes
- Schmatzende Geräusche mit dem Mund
- Unruhiges Verhalten
- Quengeln
- Weinen
Richtig weinen wird ein Säugling erst, wenn die ersten, unscheinbareren Anzeichen für Hunger ignoriert wurden.
Ein Zuviel an Muttermilch gibt es laut aktuellem Stand der Forschung übrigens nicht. Selbst, wenn Dein Baby vorübergehend Babyspeck einlagert, musst Du Dir keine Sorgen machen. Es folgt seinem natürlichen Bauplan und bei gesunder Ernährung wird es später ein normalgewichtiges Kind. Versprochen.
Warum wollen neugeborene Stillbabys ständig an die Brust?
Nach einigen Tagen oder Wochen kommt wahrscheinlich bei Deinem Baby auch eine Phase, in der es gefühlt ununterbrochen an die Brust möchte und Du zu gar nichts anderem mehr kommst. Man spricht dann von Clusterfeeding. So regt Dein Baby Deinen Körper dazu an, die Milchmenge zu steigern und Dein Kind bereitet sich auf einen Wachstumsschub vor. Dieses Verhalten ist völlig normal und Du musst Dir keine Sorgen machen. Clusterfeeding oder häufiges Trinken ist kein Anzeichen dafür, dass Dein Baby nicht satt wird und Du musst nicht zufüttern!
Nur, wenn dein Baby auch nach dem Trinken noch quengelt oder weint und nicht mehr an Gewicht zunimmt, solltest du dir Sorgen machen. Stillen in der Trage oder im Tuch kann in Zeiten des Clusterfeedings übrignes eine unglaubliche Erleichterung sein.
Stillpositionen
Die meisten Bilder von stillenden Müttern zeigen das Stillen im Sitzen (Wiegehaltung) oder vom seitlichen Stillen im Liegen. Dabei gibt es noch einige mehr Stillpositionen, die Du ruhig einmal ausprobieren kannst. Mit der Zeit wirst Du die Positionen finden, die für Eure Stillbeziehung am passendsten sind. Es ist nicht notwendig, dass Du durchwechselst.
Die wichtigsten Stillpositionen im Sitzen…
… und im Liegen
Wie lange Stillen ist normal?
Auch zum Thema Stilldauer gibt es viele Diskussion und Mom-Bashing. Immer noch hält sich die Meinung, dass Stillen nur für 6-12 Monate „richtig“ sei und man danach abgestillt haben sollte. Dabei entspricht das weder den offiziellen Empfehlungen zum Stillen, noch den Bedürfnissen von Kindern. Denn auch nach dem ersten Geburtstag hat Stillen viele Vorteile für Mutter und Kind und das Saugbedürfnis bleibt noch mehrere Jahre erhalten. Biologen vermuten, dass das natürliche Abstillalter von Menschenkindern zwischen 2 und 7 Jahren liegt, je nach Veranlagung des Kindes. Dann stillen sie sich selbst ab, das heißt ein gezieltes Abstillen durch die Mutter ist hinfällig.
WHO-Empfehlungen zur Stilldauer
Die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) lautet, Babys mindestens 6 Monate voll zu stillen (d.h. keine Beikost zu geben) und danach mindestens zwei Jahre weiter zu stillen. Der zweite Teil der Empfehlung wird gerne überlesen und nur die 6 Monate als Richtwert empfohlen. Danach werden nach und nach Breimahlzeiten eingeführt, welche die Muttermilch ersetzen sollen. Wenn Du das anders handhaben möchtest und Deinem Baby das Tempo beim Abstillen überlassen willst, könnte eine Beikosteinführung mit Baby Led Weaning für Dich passender sein.
Viele Frauen leiden irgendwann vor allem nachts unter den Stillunterbrechungen. Wenn es Dir auch so geht, kannst Du nach dem ersten Lebensjahr nachts auf sanfte Weise abstillen, aber tagsüber weiterhin stillen.
Do’s & Don’ts in der Stillzeit
Ein Grund für manche Mütter, nicht zu stillen: Vieles von dem, was Du isst, trinkst oder anders deinem Körper zuführst, findet sich auch in der Muttermilch wieder. Das bedeutet, dass Du Dich in der Stillzeit auf jeden Fall ausgewogen und vollwertig ernähren solltest. Denn immerhin bist Du dafür verantwortlich, dass alle für die Milchbildung wichtigen Nährstoffe zur Verfügung stehen. Manche Nährstoffe werden bei einem Mangel in der Ernährung aus den Reserven deines Körpers entnommen. Nimmst Du zu wenig Kalzium auf, schadet das zum Beispiel deinen Zähnen und Knochen. Viele Mütter helfen darum während der Stillzeit mit Nahrungsergänzungsmitteln nach.
Gleichzeitig sollten in Deiner Ernährung und in deinem Lebensstil möglichst wenig Giftstoffe vorkommen, denn auch Toxine können in die Muttermilch übergehen. Tabu sind deshalb:
- Alkohol (in größeren Mengen bzw. wenige Stunden vor dem Stillen)
- Drogen
- bestimmte Medikamente
- Nikotin
- Koffein in größeren Mengen (empfohlen werden max. 200 Milligramm pro Tag, das entspricht etwa zwei Tassen Filterkaffee)
Entgegen vieler Gerüchte gibt es übrigens keine Lebensmittel, die in der Stillzeit verboten sind. Nur, wenn Dein Kind eine starke Allergie hat oder die Lebensmittel stark mit Schadstoffen belastet sind, solltest Du sie meiden.
Fragen rund ums Stillen – beantwortet von Hebamme Anna-Maria
Eure wichtigsten Fragen zum Thema Stillen hat unsere Hebamme Anna-Maria im Video beantwortet:
Haben wir alle Deine Fragen zum Thema Stillen beantwortet? Schreibe uns gerne einen Kommentar, wenn Dir noch Infos zum Stillen fehlen.
Mehr Infos dazu findest Du hier.