Das Baby stillen und zusätzlich die eigene Muttermilch abpumpen? Ja, das geht – und manchmal liegen sogar medizinische Gründe vor, die diese Kombination erforderlich machen. Wie Du dabei am besten vorgehst und was es zu beachten gilt, erfährst Du in diesem Beitrag.
Welche Situationen erfordern es, dass ich mein Baby stille und zusätzlich abpumpe?
Es gibt verschiedene Gründe, aus denen sich Frauen dafür entscheiden, Stillen und Abpumpen zu kombinieren. Neben medizinischen Ursachen gibt es natürlich auch eine Reihe persönlicher Gründe.
Die drei häufigsten sind:
1. Deine Milchmenge deckt noch nicht den Bedarf des Babys – und Du willst sie durch Abpumpen steigern
Manchmal entspricht das Angebot an Muttermilch noch nicht der Nachfrage des Babys nach Nahrung. In diesen Fällen ist es wichtig, rechtzeitig, neben dem Stillen nach Bedarf, mit einer guten elektrischen Milchpumpe abzupumpen.
Jede zusätzliche Stimulation und Entleerung der Brust ist für den Körper ein Anreiz, mehr Milch zu bilden. Nur wenn die Milch aus der Brust gewonnen wird, wird neue Milch nachgebildet. Insbesondere dann, wenn das Baby ein Frühgeborenes oder krankes Kind ist, das (noch) nicht genug Milch aus eigener Kraft aus der Brust gewinnen kann, ist die zusätzliche Unterstützung mit einer elektrischen Milchpumpe von Anfang an essenziell wichtig.
Dies gilt natürlich auch dann, wenn Du beispielsweise vorübergehend Medikamente einnehmen musst, die nicht stillverträglich sind oder eine Trennung von Deinem Baby aus medizinischen Gründen notwendig wird.
Vor allem in den ersten Stunden, Tagen und Wochen nach einer Geburt wird der Grundstein für den langfristigen Stillerfolg gelegt und dieses Zeitfenster gilt es zu nutzen.
2. Du möchtest ohne Baby in den Rückbildungskurs oder einfach ein Zeitfenster nur für Dich haben, in welchem eine andere Bezugsperson Dein Baby mit Muttermilch versorgt
Meist ist der Start des Rückbildungskurses (ca. 8-12 Wochen nach der Entbindung) der erste Moment nach der Geburt, in dem Du für einen kurzen Zeitraum ohne Dein Baby das Haus verlässt. Natürlich muss auch dann sicher gestellt sein, dass Dein Baby versorgt wird, wenn es Hunger bekommt. Am besten mit Deiner zuvor abgepumpten Muttermilch.
3. Du kehrst an Deinen Arbeitsplatz zurück und möchtest Dein Baby in Deiner Abwesenheit mit Muttermilch versorgt wissen
Manche Mamas kehren recht zügig nach der Geburt zurück in den Job. Ein Wiedereinstieg in den Beruf bedeutet nicht, dass Du Dein Baby abstillen musst, es erfordert nur etwas Organisation. Stillen und Abpumpen zu kombinieren, ist jetzt ein guter Kompromiss.
Wie gehe ich am besten vor, wenn ich Stillen und Abpumpen kombinieren muss?
Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, aus welchen Gründen Du abpumpen möchtest oder sogar musst. Lass uns hierfür wieder die drei geschilderten Szenarien aufgreifen:
➜ Stillen und Abpumpen kombinieren, um die Milchmenge zu steigern
Deine Hebamme oder die Kinderärztin/ der Kinderarzt hat z.B. über eine zu geringe Gewichtszunahme und/oder zu geringe Ausscheidungen erkannt, dass Du (noch) nicht genug Milch für Dein Baby bildest? Dann ist es wichtig, schnell aktiv zu werden, um die Milchproduktion anzukurbeln.
- Das bedeutet, dass Du Dein Baby nach seinem individuellen Bedarf stillst (Neugeborene trinken ca. 8-12 mal in 24 Stunden!) und zusätzlich dazu, so oft es geht, abpumpst.
- Am besten eignet sich dafür eine gute elektrische Milchpumpe, die Du per Rezept aus der Apotheke ausleihen kannst.
- Idealerweise pumpst Du für 15 Minuten beidseitig, also gleichzeitig ab, denn so kannst Du deine Milchmenge nachgewiesener Maßen um sogar bis zu 18% steigern.
- Außerdem empfiehlt es sich, ca. 1 Stunde nach dem letzten Stillen abzupumpen. Dadurch hat Dein Körper in der Regel genug Zeit, Milch für das Abpumpen, aber auch für die darauffolgende Stillmahlzeit zu bilden.
- Die abgepumpte Milch kannst Du für ca. 6 Stunden bei Raumtemperatur lagern und ohne vorheriges Aufwärmen als Top-Up gleich nach der nächsten Stillmahlzeit Deinem Baby füttern.
- In diesem Artikel findest Du alle Infos zum Anregen der Milchmenge: Milchbildung anregen von Anfang an: Die besten Hebammen-Tipps, Hausmittel und Medikamente
Übrigens: Auch milchbildungsfördernde Mittel wie z.B. Bockshornkleesamen können Deine Milchmenge erhöhen. Diesen kannst Du begleitend zum Stillen und Abpumpen z.B. in Form von Tee einnehmen. Meine Teeselektion für das Wochenbett, die u.a. einen Stilltee mit einem Bockshornkleeanteil von 45% beinhaltet, findest Du hier in meinem Shop.
➜ Stillen und Abpumpen kombinieren, um einen Vorrat an Milch anzulegen
Möchtest Du einen kleinen Vorrat an Muttermilch ansammeln, damit Du für ein paar Stunden ohne Dein Baby das Haus verlassen kannst? In diesem Fall rate ich Dir, dass du schon 1-2 Wochen vor dem Termin kleine Mengen an Muttermilch sammelst.
Dabei könntest Du z.B. so vorgehen:
- Du pumpst alle drei Tage einmal am Tag ca. 1 Stunde nach dem letzten Stillen mit niedrigem Vakuum und so kurz wie möglich (max. 10 Minuten) einseitig etwas Muttermilch ab. Vielleicht hat Dein Baby schon eine Art Rhythmus entwickelt und Du weißt, wann es z.B. mal eine längere Schlafpause hat. Diese eignet sich dann natürlich am besten, wohingegen Phasen, in denen Dein Baby non stop die Brust braucht, eher ungeeignet sind, um auch noch zusätzlich abzupumpen.
- Im Anschluss füllst Du die Milch in sogenannte Muttermilchbeutel (hierbei hat sich das Portionieren in ca. 50 ml Mengen bewährt), beschriftest sie (wichtig hierbei v.a. Datum und Menge) und frierst die Portion sofort ein.
- Über die 1-2 Wochen hinweg wirst Du so mehrere kleine Portionen gesammelt haben, die am Tag vor Deiner Abwesenheit in den Kühlschrank zum Auftauen gelegt werden.
- Kurz bevor Du ohne Dein Baby das Haus verlässt, könntest Du noch einmal stillen. Sollte Dein Baby danach Hunger bekommen, kann eine andere Bezugsperson die Muttermilch aus dem Kühlschrank nehmen und schonend erwärmen.
- Die zuvor gesammelten Mengen dürfen natürlich zusammen gegeben werden.
- Um ein Gefühl für die Menge zu bekommen, die Du Deinem Baby an Vorrat zu Hause lassen solltest, kannst Du als groben Richtwert 100 ml für einen Zeitraum von 2-3 Stunden ansetzen (ab einem Alter von ca. 2 Wochen; je mehr Vorrat desto besser).
➜ Stillen und Abpumpen kombinieren, weil Du wieder arbeitest
Du steigst zügig nach dem Mutterschutz wieder in den Job ein und möchtest Dein Baby weiterhin stillen/mit Muttermilch versorgen. Auch das ist möglich!
- Auch in diesem Fall müsstest Du im Vorfeld Zeit einplanen und zusätzlich zum Stillen abpumpen und diese Mengen sammeln und einfrieren.
- Je mehr Zeit du dafür hast, desto besser. Das erhöht nämlich Deinen Vorrat, beruhigt Dein Gewissen und die Brust wird nicht zu aggressiv entleert.
- Das Vorgehen wäre also in etwa wie unter 2.) beschrieben, allerdings mit dem Zusatz, dass du während Deiner Arbeitszeit ebenfalls abpumpen/stillen müsstest.
- In Deutschland werden stillende Mütter per Gesetz geschützt, indem sie die Möglichkeit haben, entweder während der Arbeitszeit das Baby zu stillen oder abzupumpen.
- Welche Rechte stillende Mütter am Arbeitsplatz haben, regelt das sogenannte „Gesetz zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium“.
Dein Arbeitgeber muss Dir für das Abpumpen oder Stillen einen dafür geeigneten Raum zur Verfügung stellen. Die Toilette oder eine Abstellkammer gehören nicht dazu!!!
Durch diesen gesetzlichen Schutz ist es Dir möglich auch bei der Arbeit abzupumpen (idealerweise so wie sonst Dein Baby an der Brust trinken würde). Für das Abpumpen auf Arbeit eignet sich am besten eine kleine, elektrische Doppelmilchpumpe.
Auch diese Mengen werden sofort mit Datum und Mengenangaben versehen und eingefroren. In einer Kühltasche kannst Du die auf Arbeit abgepumpte Menge dann nach Hause transportieren und dort wieder in den Tiefkühlschrank legen. In den Zeiten, in denen Du bei Deinem Baby bist, kannst Du wieder ausschließlich stillen. Dieses Vorgehen sorgt dafür, dass Du immer einen ausreichenden Muttermilchvorrat für Dein Baby hast und gleichzeitig Deine Milchmenge aufrecht erhältst.
Welche Risiken könnten auftreten, wenn ich stille und gleichzeitig abpumpe?
Eine Gefahr beim Stillen und zusätzlichen Abpumpen ist die sogenannte Hypergalaktie, also eine Überproduktion von Muttermilch. In diesem Fall produziert Dein Körper aufgrund der vielen Stimulation mehr Milch, als Dein Baby benötigt. Dadurch ergibt sich ein gewisser Teufelskreis, denn nun musst Du abpumpen, um keinen Milchstau zu bekommen.
Daher sollten Frauen mit einer ausreichenden Milchmenge auch nicht zu früh, also schon im Wochenbett, abpumpen und danach auch nur dann, wenn es unbedingt nötig ist. Idealerweise werden über mehrere Tage kleine Mengen abgepumpt und gesammelt, sodass die Brust nicht zu viel auf einmal angeregt wird.
Wenn keine medizinische Notwendigkeit für das frühe Abpumpen vorliegt, ist es ratsam, mindestens die ersten 6-8 Wochen damit zu warten. Der Grund hierfür ist, dass sich normalerweise in dieser Zeit das Angebot an Muttermilch der Nachfrage anpasst. Zu frühes Abpumpen ist ein Eingriff in diesen natürlichen Prozess und kann ihn aus dem Gleichgewicht bringen.
Wie füttere ich mein Baby mit abgepumpter Milch?
Der zweite Punkt, den Du unbedingt vorab bedenken musst, ist wie Du Deinem Baby die abgepumpte Milch füttern möchtest. Neben den „gewöhnlichen“ Saugern gibt es eine Reihe an Saugern, bei denen Dein Baby ein Vakuum erzeugen muss, damit die Milch fließt.
Außerdem gibt es noch alternative Fütterungsmethoden wie z.B. die Becherfütterung mit einem Spezial-Trinkbecher für Muttermilch, Fütterung mit einer Sonde oder mit einem Brusternährungsset.
Besonders Neugeborene, die das korrekte Saugen an der Brust erst noch lernen müssen, reagieren oft sensibel auf andere Formen und Materialien in ihrem Mund. Dazu gehören z.B. Sauger, Schnuller, Stillhütchen etc.
Am besten erst abpumpen, wenn sich das Stillen eingespielt hat
Wenn es keine Gründe gibt, weshalb Dein Baby früh mit Deiner Muttermilch zugefüttert werden muss, wäre es sinnvoll, dass Dein Baby das Saugen an der Brust erst üben darf. Erst wenn ihr ein eingespieltes Team seid, kannst Du langsam und schonend mit dem Abpumpen beginnen – und Dir überlegen, mit welcher Methode Dein Baby die abgepumpte Muttermilch erhalten soll. So vermeidest Du einen zu aggressiven Eingriff in den natürlichen Milchbildungsprozess und beugst am besten einer Saugverwirrung Deines Baby vor.
Mein Fazit als Hebamme & Stillberaterin
Liegen medizinische Gründe für das Abpumpen zusätzlich zum Stillen vor, sollte auch so früh wie möglich damit begonnen werden, um die Milchproduktion zügig anzuregen. Das gelingt umso besser, je jünger das Baby ist. Wenn die Muttermilchmenge allerdings ausreicht, also erstmal kein Grund zum Abpumpen besteht, lohnt es sich mit dem Abpumpen abzuwarten, bis sich die Milchmenge an die Nachfrage Deines Babys angepasst hat und ihr ein eingespieltes Team seid.
Meiner Erfahrung nach ist es nämlich nicht unbedingt einfacher, Stillen und Abpumpen zu kombinieren als nur zu Stillen. Oftmals dauert diese Variante deutlich länger, da nach dem Abpumpen auch noch Zeit für das Füttern und die Reinigung des Zubehörs eingeplant werden muss.
Dennoch gibt es Familien, für die es vorübergehend eine sinnvolle Zwischenlösung sein kann, wenn z.B. der Papa abends/nachts auch mal füttern kann, sodass eine völlig erschöpfte Mama auch mal ein paar Stunden am Stück schlafen kann.
Es kommt bei dieser Entscheidung also immer auf individuelle Gegebenheiten an. Deine Hebamme und Stillberaterin werden Dir dabei beratend zur Seite stehen können.
Zum Weiterlesen:
Wie klappt es bei Dir mit dem Stillen und Abpumpen kombinieren? Was hat Dir geholfen? Verrate es uns gerne in den Kommentaren!
Mehr Infos dazu findest Du hier.