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Trend Alleingeburt: Warum tun Frauen sich das an?


Vor einiger Zeit sah ich ein Video, das mir einprägsam in Erinnerung blieb: Eine Frau bekommt ein Baby. Allein. Im Garten stehend, zwischen Trampolin und Kinderrutsche. Ich weiß noch, wie ich damals dachte „Warum tut sich die Frau das an — und vor allem, warum zeigt sie es allen Menschen im Internet?“ Heute weiß ich: Diese Frau heißt Sarah Schmid, ist Medizinerin, Buchautorin, Bloggerin und Sechsfach-Mama. Sie hat das Video online gestellt, um andere Frauen zu einer Alleingeburt oder einer selbstbestimmten Geburt zu ermutigen. Auch auf vielen anderen Blogs oder in den sozialen Medien lese ich immer häufiger von Alleingeburten.

Also habe ich mich mal intensiver damit befasst, was genau dahinter steckt. Und warum immer mehr Frauen sich eine Alleingeburt „antun“. Ich habe mit einigen Müttern über ihre Motivation und Geburtserfahrungen gesprochen, um zu verstehen, was sie dazu veranlasst hat.

Am Ende war ich überrascht, wie viel Sinn dieser vermeintlich gefährliche Trend doch macht.

Warum wollen immer mehr Frauen eine Alleingeburt?

Meine persönliche Geburtserfahrung

Um herauszufinden, warum Frauen jegliche medizinische Hilfe ablehnen und es vorziehen, alleine zu gebären, habe ich die Beweggründe dafür jeweils mit meiner eigenen Erfahrung als Mutter verglichen — und erstaunlich viele Parallelen gefunden.

Die Geburt meines Sohnes war alles andere als eine Alleingeburt. Wir waren ganz klassisch in einem Krankenhaus und die Erfahrung dort war leider nicht sehr schön. Ich hatte einen sogenannten Wehensturm, also keine Pausen zwischen den Wehen. Das Ergebnis war ein Mix aus Wehenhemmer und Wehentropf sowie eine Pressphase, in der mein Gebärmuttermuskel schon völlig erschöpft war. Mit dem resultierenden Geburtstrauma hatte ich viele Wochen zu kämpfen, mein Mann wahrscheinlich noch länger.

 

Schon oft habe ich mir Gedanken gemacht, wie die Geburt wohl verlaufen wäre, wenn sie ganz natürlich, also ohne medizinische Intervention vonstatten gegangen wäre. Wahrscheinlich hätte sie keine drei Stunden gedauert und ich hätte einen gesunden Säugling im Arm gehabt. Ohne Trauma. Möglicherweise aber wäre ich nach der Geburt verblutet, weil alles zu schnell gegangen wäre.

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Geburtstrauma heilen und vermeiden: Selbstbestimmt gebären

In jedem Fall kann ich aufgrund dieser Erfahrungen einen der häufigsten Gründe verstehen, warum Frauen sich für eine Alleingeburt entscheiden: Sie lehnen eine Bevormundung während der Geburt ab. Sie möchten einen möglichst natürlichen, schmerzarmen Geburtsverlauf ohne Interventionen — im Vertrauen darauf, dass ihr Körper das leisten kann.

Viele dieser Frauen haben, so wie ich, negative Erfahrungen mit der ersten Geburt gemacht. Sie mussten erfahren, wie andere Menschen durch Unachtsamkeit, fehlende Sensibilität, Zeitmangel oder fehlende Sympathie negativ in den Geburtsverlauf eingreifen — körperlich oder psychisch. Das führt zu einer Traumatisierung, die sie bei einer weiteren Geburt vermeiden oder auflösen wollen.

Buchautorin und Bloggerin Jobina Schenk ist genau das bei ihrem ersten Kind passiert:

Bei meinem ersten Kind hatte ich Angst, meine Hebamme für die außerklinische Geburt zu verlieren und ließ mich zur Einleitung der Geburt überreden.

Eine Intervention, die leider nicht folgenlos blieb. Denn nachwirkend zeigte sich eine sehr schnelle Geburt, aber da weder mein Körper noch mein Baby bereit waren, wurde es ein sehr schmerzhaftes Erlebnis, gefolgt von einem Dammriss 2.Grades, der Riss meiner Labien und einem kreislaufgefährdenden hohen Blutverlust.

Das Ergebnis eines manipulierten Geburtsprozesses.

Alleingeburt: Die einzige Möglichkeit, eine selbstbestimmte Geburt zu erleben?

Ich erinnere mich noch gut, wie die Ärztin im Krankenhaus mit der Schere ansetzte, um einen Dammschnitt zu machen. Die Betäubung hatte sie bereits ohne zu fragen injiziert. Ich musste drei Mal laut protestieren, dass ich das nicht möchte. Erst, als mein Mann sich einmischte und sich für mich einsetzte, wurde die Schere wieder weggelegt. Das hatte viel Kraft gekostet und großen Stress ausgelöst. Mehr, als das Geburtsgeschehen selbst. Mein Damm riss an zwei Stellen, doch das war mir lieber, denn vor dem Geschnitten werden habe ich panische Angst.

Jobina Schenk entschied sich bei ihrem zweiten und dritten Kind für eine Alleingeburt:

Meinem zweiten Kind ließ ich trotz Terminüberschreitung die Zeit, die es wirklich brauchte und wurde von einem wunderbar lustvollen und schmerzfreien Gebärerlebnis überrascht, welches mein Mann als Zuschauer mit dem Wort „Majestätisch!“ betitelte.

Alleingeburt und selbstbestimmte Geburt: Eine neue Gebärkultur?

Man könnte den Trend zur Alleingeburt auch als Teil eines größeren Trends sehen , bei dem Frauen wieder mehr auf sich selbst und ihre Urkräfte vertrauen. Sie wollen wieder lernen, auf ihren eigenen Körper zu hören, ihre Ängste hinterfragen und sich freimachen von einem Geburtshilfesystem, das eine Geburt standardmäßig als medizinischen Notfall behandelt. Mit einem neuen weiblichen Selbstbewusstsein wollen Frauen erleben, dass eine Geburt etwas ganz normales ist. Und dass in der Regel keine Ärzte, kein Dauer-CTG, Hechelhilfe und vorgegebene Geburtspositionen notwendig sind.

Genau das ist es, was ich in dem oben erwähnten Video gesehen habe: Die Geburt als etwas ganz Natürliches. Ein Ereignis, für das nur Mutter und Kind nötig sind. Nach fünf Alleingeburten sagt Sarah Schmid, die auch auf Geburt-in-Eigenregie.de zum Thema Geburt schreibt, dazu:

Geburt ist für mich ein sehr persönliches, nicht-medizinisches, angstfreies Ereignis. Dabei möchte ich, ohne debattieren zu müssen, der Chef sein. Dafür suche ich mir die Umgebung, die mich am besten entspannen lässt und wo ich die Wehen am besten bewältigen kann. So werden meine Geburten schöne Erlebnisse. Einfach, mitten im Leben und genau so, wie ich es mag.

Die Mütter wollen zurück zu der Art von Geburt, wie die Natur sie seit vielen Jahrtausenden eingerichtet hat. Derselbe Trend lässt sich auch in vielen anderen Bereichen der Säuglingspflege beobachten, also z.B. beim Stillen, Tragen, Familienbett usw. Frauen wollen auf ihre natürlichen Instinkte vertrauen, mehr als auf gefühlte Sicherheit und medizinische Hilfe.

Natürlich spielt auch der Wunsch nach Intimität und Privatsphäre in einem so wichtigen Moment eine große Rolle.

Wie gefährlich ist eine Alleingeburt?

Doch natürlich gibt es da die andere Seite, die mich fragen lässt, ob eine Alleingeburt in meinem Fall vielleicht tödlich geendet hätte. Denn Mediziner warnen in der Regel vor einer Alleingeburt. Zu gefährlich sei eine Geburt ohne medizinischen Beistand. Wenn tatsächlich Kompliaktionen auftreten, ist der Weg ins Krankenhaus tatsächlich lang. Schon nach 3 Minuten Sauerstoffmangel erleidet ein Baby Gehirnschädigungen, die je nach Schwere irreversibel sein können. Das heißt, dass es mitunter schon zu spät ist, wenn der Notfall erst als solcher erkannt wird. Wer schon einmal eine Geburt gesehen hatte, bei der die Mutter anschließend zu verbluten drohte, der weiß auch, wie schnell das gehen kann.

Andererseits gibt es meines Wissens keine statistischen Erhebungen dazu, wie gefährlich eine Alleingeburt tatsächlich ist und ob sie zu mehr Todesfällen oder Geburtsschäden führt. Es wäre also zumindest möglich, dass die Geburt in Krankenhäusern, Geburtshäusern und ähnlichen Gebär-Situationen genauso viele lebensgefährliche Komplikationen erzeugt, wie sie löst. Eine eingehende Untersuchung dieser Frage wäre nicht zuletzt in Anbetracht der aktuellen Situation in der Geburtshilfe der Mühe wert.

Überlegungen und Entscheidungshilfen

Wenn Du nun also überlegst, Dich bei Deinem Kind für eine Alleingeburt zu entscheiden, rate ich Dir nach meiner Recherche dazu, Dich möglichst gut vorzubereiten.

  • Eine Alleingeburt solltest Du nur wagen, wenn Du Dir absolut sicher bist und keine Sorgen hast. Denn Ängste wirken sich hinderlich auf den Geburtsverlauf aus. Entscheide Dich nicht für eine Alleingeburt, um irgendjemandem irgendwas zu beweisen, sondern weil es sich für Dich gut anfühlt. Auch Dein Partner sollte hinter Deiner Entscheidung stehen.
  • Geh vorher sicher, dass der Schwangerschaftsverlauf nicht für Geburtskomplikationen spricht, besprich Dein Vorhaben trotzdem auch mit Gyäkologen und Hebamme, um deren Meinung zu hören.
  • Wenn Du die Möglichkeit hast, bitte eine Hebamme oder Ärtzin Deines Vertrauens, vielleicht auch aus dem Freundeskreis, in der Nähe abrufbereit zu sein. Das nimmt Dir vielleicht auch Bedenken bezüglich möglicher Komplikationen.
  • Informiere Dich vorher gut und entwickle einen Notfallplan.

Denn auch, wenn Frauen seit Jahrtausenden alleine gebären, so darf man bei allem Vertrauen auf die Gebärkräfte der Frau und den natürlichen Prozess nicht vergessen, dass es seit Jahrtausenden auch Komplikationen und Todesfälle bei der Geburt gibt. Du solltest Bescheid wissen, was in einem solchen Notfall zu tun ist — und erfahrenen Beistand für Notsituationen haben. Familienmitglieder und Väter sind in so einem Fall zu Recht überfordert und können durch ihre Ängste blockiert sein.

Hausgeburt oder Geburtshaus statt Alleingeburt

Natürlich gibt es auch noch etwas „dazwischen“, zwischen einer reinen Alleingeburt und einer Klinikgeburt. Viele Frauen fühlen sich in der intimen Atmosphäre im Geburtshaus oder zuhause mit Unterstützung durch die Hebamme wohler als im Krankenhaus. Frauen, die sich bewusst für eine Alleingeburt entscheiden, empfinden selbst die Anwesenheit einer Hebamme als Störung ihres Selbstbewusstseins und des natürlichen Geburtsverlaufs.

Wie siehst Du das Thema Alleingeburt? Wir sind gespannt auf Deinen Kommentar!

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