Seit Beginn meiner Hebammentätigkeit ist es mir ein wichtiges Anliegen, das Bonding zwischen Mutter, Vater und Kind zu fördern. Sei es der erste ungestörte Hautkontakt nach der Geburt, das erste Anlegen oder das Kuscheln im Wochenbett, all das ist so wichtig und sollte in meinen Augen auf jeden Fall unterstützt und gefördert werden.
Aber was passiert, wenn das erste Kuscheln nach der Geburt nicht möglich ist, weil Dein Kind gleich nach der Geburt auf eine andere Station oder sogar in eine andere Klinik verlegt wird? Wie gehst Du damit um, wenn Du Dein Kind erst Tage nach der Geburt wiedersiehst, weil es in einer anderen Klinik liegt als Du? Wie läuft das Stillen ab, wenn das erste richtige Anlegen erst Wochen nach der Geburt stattfinden kann?
Es gibt vermutlich keine Standardantworten auf diese Fragen und es ist auch nicht für jede Familie der gleiche Weg richtig.
Trotzdem möchte ich Dir mit diesem Artikel Optionen aufzeigen, wenn Du in dieser Situation bist und einfach nicht weißt, was Du tun kannst.
Trennung vom Baby – unmittelbar nach der Geburt
Wahrscheinlich mit das Schlimmste, was Eltern nach der Geburt passieren kann, ist, wenn das Baby quasi unmittelbar vom Kreißsaal aus verlegt werden muss und die Mama nicht mit kann.
Das kann z.B. der Fall sein, wenn:
- Du einen Kaiserschnitt in einer Klinik ohne angeschlossene Kinderklinik bekommst und das Kind zur Überwachung oder Behandlung in einer Kinderklinik betreut werden muss.
- In Deiner Geburtsklinik kein Platz auf der Kinderstation mehr frei ist.
- Du als Mutter nach der Geburt intensivmedizinisch betreut werden musst.
In dieser Situation kannst Du kaum etwas tun. Das bedeutet, dass Du für diesen – Gott sei Dank eher seltenen – Fall Du bereits im Vorfeld gerüstet sein müsstest.
Ich weiß, dass man sich vor der Geburt um solche Dinge nicht gern Gedanken macht. Ich finde es aber tatsächlich wichtig, eben solche Notfallsituationen, richtige „worst case Szenarien“, im Kopf einmal durchzuspielen und sich auch als Paar zu besprechen, wie Ihr in dem Fall vorgehen wollt.
Stelle Dir folgende Fragen:
- Möchtest Du, dass Dein:e Partner:in so schnell wie möglich beim Kind ist, das heißt, ggf. Dich alleine lässt?
- Oder ist es Dir wichtiger, dass er/sie erst einmal bei Dir bleibt, bis Du wieder einigermaßen „fit“ bist und erst danach zum Baby in die Klinik fährt?
Hautkontakt durch den Partner
Für diesen Fall, dass Du Dein Baby quasi gar nicht in Deinen Armen halten konntest, es Dich nicht „beschnuppern“ konnte, Ihr keinen Hautkontakt haben durftet, kann es eine große Hilfe sein, wenn:
- Dein:e Partner:in diesen ersten Hautkontakt so bald wie möglich übernimmt und das Baby auf der nackten Brust Haut an Haut liegen darf.
- Du ein Tuch/ eine Stoffwindel/ einen Schal o.ä., das Du getragen oder bei Dir im Bett liegen gehabt hast mit dem Baby mitgibst. Auch eine Spieluhr, die Ihr in der Schwangerschaft bereits mit dem Baby gehört habt, kann für die ersten Tage alleine ein kleiner Trost und etwas Vetrautes in dieser fremden Welt sein. In den meisten Kinderkliniken ist es kein Problem, etwas mit ins Bett zu legen, damit Euer Kind Deinen Geruch mitbekommt und weiß, dass es nicht alleine ist.
Trennung vom Baby – einige Tage nach der Geburt
Vor Kurzem hatte ich den Fall, dass ein Kind direkt nach der Geburt in der Kinderklinik betreut werden musste. Die Neu-Mama hatte kurz nach der Geburt einen positiven Corona-Test und bekam deshalb keinen Zugang mehr zur Kinderklinik. Sie konnte ihr Neugeborenes also insgesamt mehr als eine Woche überhaupt nicht sehen.
Ein großer Einschnitt und ja, ich würde sagen, ein Trauma für Mutter und Kind.
Sich dessen bewusst zu sein, ist bereits ein ganz wichtiger Punkt.
Auch wenn Dein Kind eigentlich nichts Schlimmes hat und es Dir auch nicht schlecht geht, darfst Du um diese verlorenen Tage trauern. Diese ersten Tage, auf die Ihr so lange hingefiebert und gewartet habt, sind so völlig anders verlaufen, als Ihr es Euch gewünscht habt und darüber darfst Du auch traurig sein. Denn sie sind nun einmal unwiederbringlich vorbei.
Und auch Dein Baby wird vermutlich trauern um diese ersten Tage, die Ihr nicht zusammen verbracht habt. Das zuzulassen und diesen Schmerz, die Trauer, die Einsamkeit auch Deinem Baby zuzugestehen, es zu begleiten, Trost zu spenden und auch gemeinsam traurig zu sein, ist ebenfalls ein ganz wichtiger Baustein in der Bewältigung dieser Erfahrung und in der Verarbeitung.
Im Umfeld der von mir betreuten Frau gab es wenig Raum und wenig Verständnis für diese Trauer von Mutter und Kind. Meiner Erfahrung nach gibt es aber keinen anderen Weg, als diese Trauer anzugehen. Sich „zusammenreißen“, froh sein, weil ja jetzt alles gut ist und sich nicht so anstellen hilft nicht. Und auch wenn es rational vielleicht sogar gewünscht wäre, es klappt ganz oft auch nicht.
Viel wichtiger finde ich es, sich die Zeit als Familie ganz bewusst eben zu einem späteren Zeitpunkt zu nehmen. Im Bett zu kuscheln, das Baby nur in der Windel bekleidet auf die nackte Brust legen, die Tränen fließen lassen, wenn Dir danach ist. Und dann wird es auch irgendwann gut sein. Aber so zu tun, als wäre es gut, wenn es nicht so ist, funktioniert meistens nicht und verlängert nur den Prozess des Trauerns – auch für das Baby!
Was du nach einer Trennung vom Baby nach der Geburt konkret tun kannst
Einige Dinge habe ich ja bereits erwähnt. Hier noch einmal meine wichtigsten Tipps zusammengefasst:
- Treffe gute Absprachen & Planung im Vorfeld ( „was wäre wenn..?“)
- Lege einen Schal/ Tuch/ Stoffwindel/ Babydecke mit ins eigene Bett und nimm das Teil zur Geburt in die Klinik mit. Wenn es schnell gehen muss, tut es auch ein getragenes Shirt.
- Schau Dir beim Abpumpen ein Bild Deines Babys an oder bitte Dein:e Partner:in, Euer Baby bei einem Besuch zu filmen oder Babygeräusche aufzunehmen.
- Genauso kannst Du Deinem Baby Sprachnachrichten schicken, singen oder mit ihm am Telefon sprechen, wenn Dein:e Partner:in bei ihm ist (wenn das Baby in der Kinderklinik ist immer Rücksprache mit dem Pflegepersonal halten).
- Plane zu Hause Zeit zum Ankommen ein. Kuschele viel mit Deinem Baby, liegt einfach gemeinsam im Bett, hole den „Erstkontakt“ nach (mehr dazu erklärt Simone in ihrem Beitrag zum Rebonding).
- Ganz gute Erfahrungen habe ich auch mit dem Babyheilbad (Bondingbad) gemacht.
- Sprich über Deine Erfahrungen und gestehe Dir ein, wenn Gespräche mit Deinem Partner, Freunden oder der Hebamme nicht ausreichen.
- Hole Dir ggf. zusätzliche Hilfe ein (z.B. EEH (emotionelle erste Hilfe), Beratung in der Schreiambulanz, psychologische Beratung o.ä.).
Wie gesagt, am Wichtigsten ist meines Erachtens, sich bewusst zu machen, dass traurig sein völlig okay ist. Denn wenn Du das zulässt, kannst Du alle anderen Gefühle, die dann nach der Trauer kommen, auch ganz selbstverständlich zulassen. Ein holpriger Start ist nämlich keinesfalls das Ende einer engen Mutter-Kind- Beziehung. Es ist nur ein etwas verspäteter Anfang.
Hast Du bereits konkrete Erfahrungen mit dem Thema „Trennung vom Baby nach der Geburt“ gemacht oder befindest Dich sogar ganz aktuell in dieser Situation? Was hat Dir geholfen? Welche Schwierigkeiten gab es? Wir freuen uns über Deinen Kommentar!