Geht Dein Kind bereits in die Krippe, zur Kita oder Tagesmutter, hast Du Dich sicherlich auch schon mit diesem Thema beschäftigt: dem Teilen. Aber ab welchem Alter kannst Du Deinem Kind überhaupt zutrauen, etwas zu teilen? Kannst Du Deinem Kind das Teilen beibringen? Und darf Dein Kind auch einfach „Nein“ sagen, wenn es etwas Bestimmtes nicht teilen möchte?
Teilen lernen: Ein angeborener Instinkt
Oftmals hast Du als Elternteil bestimmte Verhaltenswünsche im Kopf: Dein Kind sollte im richtigen Moment „Bitte“ und „Danke“ sagen können, immer lieb sein Gemüse essen und natürlich auch mit anderen Kindern teilen. Oft ist das der Angst geschuldet, dass das eigene Kind sonst Schwierigkeiten in Gruppen bekommen und zum Außenseiter werden könnte. Oder als egoistisch oder schlecht erzogen abgestempelt wird. Und das möchte man als Elternteil natürlich so gar nicht. Also muss Dein Kind lernen zu teilen. Richtig?
Tatsächlich ist es ein angeborener Instinkt, die eigenen Dinge zu verteidigen. Früher hat dieses Verhalten das eigene Überleben gesichert. Und wenn wir uns mal selbst fragen: Möchten wir so ohne Weiteres unsere Lieblingsjacke abgeben? Oder unser geliebtes Smartphone? Eben. Dass Deinem Kind es also schwer fällt, seine Spielzeuge wegzugeben, ist nicht verwunderlich. Und woher soll es eigentlich wissen, was „Meins“ ist und was „Deins“?
Was ist überhaupt „Meins“ und „Deins“?
Wenn ein Kind lernen soll, etwas zu teilen, muss es erst einmal wissen, dass es ein „Mein“ und „Dein“ gibt. Gar nicht so einfach, denn in den ersten drei Lebensjahren sind Kinder selbstbezogen, heißt: Die Grenzen zwischen ihm und seiner Umgebung sind noch recht verschwommen. Es muss erst lernen, sich mit den Gefühlen anderer auseinanderzusetzen und auch zu verstehen, dass ein anderes Kind auch Wünsche hat und vielleicht gern mit dem eigenen Spielzeug spielen möchte.
Kleinkinder lernen erst mit etwa drei bis vier Jahren, sich in andere hineinzuversetzen. Trotzanfälle sind eine ganz normale Reaktion, wenn ein anderes Kind ein Besitzobjekt Deines Kindes für sich beansprucht. Schließlich muss Dein Kind auch erst lernen, mit Enttäuschungen und Ärger umzugehen. Dabei solltest Du Dein Kind mit Mitgefühl und Geduld begleiten.
Erkläre Deinem Kind, was Teilen bedeutet
Wichtig ist, wie bei vielen Dingen, dass Du Deinem Kind erklärst, warum es auch mal teilen sollte: Weil das andere Kind vielleicht auch gern mit dem Feuerwehrauto spielen möchten, aber selbst keins hat. Und dass Dein Kind es nicht für immer abgeben muss, sondern nur für eine bestimmte Zeit. So wie Dein Schatz zum Beispiel lernt, dass Du ihn immer wieder abholst, wenn Du ihn in die Betreuung gebracht hast, kann es also auch lernen, Dinge für eine bestimmte Zeit zu teilen. Erkläre ihm, dass das Kind sich das Spielzeug nur ausleiht, und dass es sein geliebtes Auto wieder zurückbekommen wird.
Bereite Dein Kind auf das Teilen vor
Oftmals hilft es auch, wenn Du Dein Kind auf bestimmte Situationen vorbereitest, die eventuell eintreten könnten. Bekommst Du zum Beispiel Besuch, kannst Du Deinem Schatz erklären, dass ein Kind dabei sein wird, das sicherlich mal mit seinem Feuerwehrauto spielen möchte.
So kommt die Situation für Dein Kind nicht überraschend und es kann sich darauf einstellen. Du agierst also auch als Vermittler in diesen Situationen.
Das Lieblingskuscheltier kannst Du in solchen Situationen auch einfach aus dem Sichtfeld der Kinder nehmen. So kommt das Besucherkind nicht in Versuchung und Dein Kind muss sich der Zerreißprobe gar nicht erst stellen.
Ältere Kinder teilen lieber
Manche Dinge kannst Du von Deinem Kind erst ab einem gewissen Alter verlangen. Und auch beim Teilen ist es so, dass es älteren Kindern leichter fällt, da sie sich einfacher in ihr Gegenüber hineinversetzen können und eher wissen, dass sie Dinge auch zurückbekommen. Der Schweizer Experimentalökonom Ernst Fehr hat die Teilfreude von Kindern in einem Experiment auf die Probe gestellt. Drei- bis Achtjährige nahmen daran teil. Das Ergebnis: Die Älteren waren eher zum Teilen bereit.
Kinder teilen am liebsten freiwillig
Die Entwicklungspsychologinnen Nadia Chernyak und Tamar Kushnir fanden außerdem in einer Studie heraus: Kinder teilen zudem lieber, wenn sie sich vorher freiwillig dazu entschieden haben. In dem mehrstufigen Experiment teilten sie ihre Sticker auch später lieber, wenn sie sich schon vorher freiwillig entschieden hatten zu teilen.
Die Aufforderung, teilen zu müssen, beeinflusst Dein Kind also negativ. Und: Die Studie zeigt außerdem, dass eine Belohnung für das Teilen nicht sinnvoll ist. Denn wenn sie einmal ausbleibt, bleibt auch die Motivation zum Teilen aus.
Du solltest Deinen Schatz auch nicht unbedingt loben, wenn es mit einem anderen Kind geteilt hat: Schließlich soll es lernen, dass Teilen etwas Alltägliches, ganz Normales ist – und keine Leistung.
Die größte Motivation, durch die jedes Kind teilen lernt, ist der Dank (oder auch der freudestrahlende Blick) seines Gegenübers.
Fasse die Wünsche Deines Kindes in Worte
Anstatt also Dein Kind zu belohnen, wenn es teilt oder es aktiv zum Teilen aufzufordern, hilf ihm lieber, seine Wünsche in Worte zu fassen.
Möchte zum Beispiel ein anderes Kind die zweite Schaufel Deines Kindes haben, Dein Schatz ist aber nicht bereit sie zu teilen, kannst Du versuchen, den Konflikt durchzuspielen:
„Du hast doch gerade die eine Schaufel in der Hand. Möchtest Du die zweite in die andere Hand nehmen? Oder ist es okay, sie für einen Moment abzugeben? Du darfst sie auch später wieder zurückhaben. Vielleicht füllt ihr beide den Eimer ja gemeinsam mit ein paar Schaufeln Sand?“
So kannst Du den Kindern zeigen, selbst Lösungen zu finden und vermeiden, dass es zum Streit kommt. Anregungen von außen sind manchmal also keine schlechte Idee. Aktiv eingreifen solltest Du aber nicht, sondern nur Ratschläge geben und Deinem Kind die Entscheidung selbst überlassen, wie es damit umgeht.
Sei ein Vorbild
Wichtig ist beim Thema teilen aber sowieso, dass Du als Vorbild agierst: Teile doch zum Beispiel immer mal wieder Deinen Nachtisch mit Deinem Schatz. Frag zwischendurch, ob Du auch mal von seinem Joghurt probieren darfst. Das Wort „teilen“ sollte dabei auch auftauchen, damit Dein Kind es später zuordnen kann. Integriere es in den Alltag, um zu zeigen, dass es normal ist, auch mal etwas abzugeben und dass man auch etwas bekommen darf.
Zwinge Dein Kind niemals zum Teilen
Es ist toll, wenn Dein Kind Dinge teilt und mit den anderen Kindern kooperiert und ihre Wünsche wahrnimmt. Aber: Wir sollten uns auch überlegen, was mit unseren Kindern passiert, wenn wir zu hart mit ihnen umgehen, wenn sie etwas für sich allein behalten wollen. Und was mit ihnen passiert, wenn man in solchen Situationen übergriffig wird.
Es dauert nämlich Jahre, bis Kinder einen Sinn für Gerechtigkeit bekommen. Den solltest Du nicht erzwingen, indem Du Dein Kind zum Teilen drängst. Denn wenn ein Kind keine Angst davor haben muss, dass ihm etwas gegen seinen Willen entrissen wird, kann es in Zukunft großzügiger sein. Das wurde bereits in Studien erforscht.
Wie so oft ist von Dir als Elternteil also auch das Verstehen und Nachempfinden Deines Kindes besonders wichtig. Manchmal ist es wichtig, dass Du Dich in bestimmten Situationen in Dein Kind hineinversetzt und zu verstehen versuchst, was Dein Kind denken würde. Denn oft kann es die Dinge noch nicht so sehen wie ein Erwachsener
Wenn ein anderes Kind Deinem Kind also sein Lieblingsspielzeug entreißt, solltest Du es nicht zwingen es abzugeben, sondern mit Empathie reagieren. Und zum Beispiel fragen, ob es gerade wirklich damit spielen möchte oder bereit es, es für einen kurzen Moment abzugeben. Du darfst Dein Kind aber auch verteidigen und dafür das andere Kind mit einer Alternative versorgen.
Schließlich kann Dein Kind nicht genau wissen, ob das andere Kind gut mit seinem geliebten Spielzeug umgeht und es überhaupt zurückgibt. Kinder handeln nicht aus purem Egoismus, sondern eben aus Angst, weil die Situation noch fremd für sie ist. Es ist also wichtig, auch mal Kompromisse zu finden.
Dein Kind will nicht teilen? Findet Kompromisse
Genauso, wie Du Dein Kind fragst, ob es sein Lieblingsspielzeug nicht kurz abgeben kann, kannst Du also auch das andere Kind fragen, ob es unbedingt mit genau diesem Teil spielen muss oder nicht auch eine andere Alternative hat. Auch Trost ist in Momenten des Teilens.
Zeig Deinem Schatz, dass Du seine Wünsche verstehst und ernst nimmst. Und wenn es sein Spielzeug einmal nicht teilen möchte, ist das in Ordnung. Wenn es so sehr an seinem Lieblingsspielzeug oder -kuscheltier hängt, sollte es auch wissen, dass es dieses nicht teilen muss.
Es kommt immer auf die Situation an – und Du solltest Dich davon frei machen, dass Dein Schatz alles teilen muss, sobald jemand danach fragt. Denn das tun selbst wir als Erwachsene nicht mit allen Dingen.