Warum Langzeitstillen nicht die Ausnahme sein sollte

Warum Langzeitstillen nicht die Ausnahme sein sollte


Viele der Mütter in meinem direkten Umfeld stillen oder haben gestillt. Allerdings erwarten dann die meisten von ihren Babys, dass sie ab einem Alter von 6-12 Monaten statt Muttermilch auf Brei und / oder Fläschchen umsteigen. Warum ich das nicht möchte und warum „Langzeitstillen“ meiner Meinung nach eine gute Sache ist.

Stillen in Deutschland

Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) empfiehlt, dass Mütter 6 Monate voll, also ausschließlich, stillen und danach neben der Beikost noch mindestens bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes. So ist eine gesunde Entwicklung und ausreichende Versorgung mit allen nötigen Nährstoffen gewährleistet. Die Realität in Deutschland spricht leider eine andere Sprache: Die Website www.still-lexikon.de zitiert hierzu aus aktuellen Forschungsdaten: In Deutschland liegt die durchschnittliche Stilldauer bei 8 Monaten. Langzeitgestillt, also länger als 12 Monate, werden nur 16 % der Kinder. 

Was spricht gegen Langzeitstillen?

Stillen, und vor allem Langzeitstillen, scheint in Deutschland also ziemlich unbeliebt. Das mag unter anderem an den vielen Gerüchten liegen, die sich zum Thema Stillen hartnäckig in unseren Köpfen festgesetzt haben. Dass das Kind z.B. nach 6 Monaten von der Milch nicht mehr satt werde; dass es durchschlafen würde, wenn es einen Abendbrei bekäme; oder dass ein Eisenmangel drohe, wenn nicht zusätzlich Brei gefüttert werde. Tatsächlich ist es so, dass die Muttermilch um ein Vielfaches nahrhafter ist als jeder Brei, den wir kochen oder kaufen. Wer sich also Sorgen macht um Babys Gewichtszunahme, ob es satt wird und ob es alle Nährstoffe hat, die es braucht, der sollte erst recht länger stillen.

Das einzige wirkliche „Gegenargument“ ist unterm Strich unsere Gesellschaft. Denn welche stillende Mutter hat nicht nach kürzester Zeit schon diese Frage gehört: „Stillst du noch?“ Noch. Schon alleine dieses Wort suggeriert, dass dieser Zustand wohl länger als gewöhnlich wäre bzw. ein Abstillen zu jedem Zeitpunkt denkbar und normal. Tatsächlich braucht man als Langzeit-Still-Mama also ein richtig dickes Fell gegen doofe Fragen, Kommentare und Blicke.

Was spricht für Langzeitstillen?

Doch wenn man sich einmal die Vorteile vor Augen hält, lohnt sich dieses dicke Fell vielleicht. Denn offensichtlich entspricht es der Natur des Säuglings, mehrere Jahre gestillt zu werden. Nach anthropologischen Erkenntnissen liegt das natürliche Abstillalter, je nach Kind, zwischen 2,5 und 7 Jahren. Das erkennt man auch daran, dass das Saugbedürfnis nicht nach ein paar Monaten, sondern erst nach einigen Lebensjahren nachlässt. Ein Abstillen nach 6 Monaten ist also eigentlich nicht natürlich.

 

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Die Muttermilch bietet nicht nur in den ersten Monaten eine gute Unterstützung für das Immunsystem, vor allem im zweiten Lebensjahr ist die Konzentration an Antikörpern in der Muttermilch extrem hoch. Das kann z.B. KiTa-Kindern vor lästigen Infektionen schützen.

Der Faktor, der für mich am meisten zählt: Langzeitstillen tut meinem Baby gut. Immerhin ist Stillen nicht nur Nahrungsaufnahme, sondern auch und vor allem eine Form von Nähe und Geborgenheit, die ich ihm anders schwer geben kann. Durch diese Nähe kann mein Kleiner eine sichere Bindung aufbauen und genug Selbstbewusstsein entwickeln, um später alleine die Welt zu erkunden. Und wenn ihm doch mal etwas zu viel wird, wenn er sich verletzt hat oder krank ist, oder einfach nur zu lange von mir getrennt war, habe ich mit dem Stillen sozusagen ein Allheilmittel, das ich ihm gerne länger als ein paar Monate seines Lebens bieten möchte. Es wird noch früh genug der Moment kommen, an dem die Nähe zu seiner Mama ihm, vor allem in der Öffentlichkeit, unangenehm ist und er mich einfach nicht mehr so sehr braucht. Bis dahin möchte ich die Zeit noch genießen.

Positive Nebeneffekte

Nicht zuletzt hat das lange Stillen dann auch für mich zwei unschlagbare Vorteile: ich brauche mir nie Sorgen um meine Figur machen, zumindest nicht, dass ich in die Breite gehe. Vielmehr kann ich Tag für Tag so richtig „reinhaun“ und einen Teil der Kalorien gebe ich ohnehin wieder an ihn ab. Zum anderen scheint es so, dass meine Histaminintoleranz genau so lange ‚Pause‘ macht, wie ich häufig stille. Ein Traum.

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5 Kommentare zu “Warum Langzeitstillen nicht die Ausnahme sein sollte

  1. Hallo Hanna,
    zunächst danke, toller Beitrag, und so richtig ausholen muss ich auch nicht. Denn grundsätzlich vertrete auch ich als Kerl die Meinung „nur das Beste fĂĽr unser Kind, da ist mir die gesellschaftliche Sichtweise betont wurscht“. Meine Frau macht das spitze, stillt unsere Tochter seit nunmehr ĂĽber einem Jahr mit einer unvergleichlichen Seelenruhe. Auch mich als Vater macht Ihr -in allen „Mama-Belangen“ – gewissenhafter Umgang unheimlich stolz. Es stellt sich daher weniger die Frage „was ist gesellschaftlich anerkannt“, sondern „was ist das Beste fĂĽr unser Kind“.
    Die ernährungswissenschaftliche Bewertung ist für mich persönlich das ausschlaggebende Argument und hier stützt jede Studie die Vorgehensweise meiner Frau…mit dem zusätzlich positiven Effekt auf die Entwicklung der Persönlichkeit unserer Tochter. Also win-win-win.

    Dennoch, und endlich komme ich mal zum Punkt :D stellt sich mir folgende Frage:
    Gibt es klare Anzeichen, wann es meiner Tochter am Leichtesten fallen wird, diesen Schritt einzuleiten? Mit einem Jahr ist sie auch in einer sehr beiß-freudigen Phase, ohne ihr gleich mit Worten erklären zu können, dass das Stillen eigentlich nur ohne Kauen für Mama und Kind vereinbar sind. Ich gebe zu, allein die Vorstellung, welche Schmerzen es beudetet, macht mich hin und wieder irre. Muss man hier „einfach“ über Monate durch oder gibts einen einfachen Trick?
    Jeder Schrei geht durch Mark und Bein.

    Ich möchte durch meine Formulierungen auch nicht den Eindruck erwecken, ich habe hier als Mann „ja leicht reden“ und möchte mir auch nicht anmaßen in dieser Thematik einzugreifen… aber neben den überragenden Gefühlen für mein Kind, empfinde ich auch maximale Empathie für meine Frau.

    Danke und schöne Grüße.
    Dex.

  2. Ich lese mich gerade durch den Block weil das Thema abstillen mal wieder in meinem Kopf herumspukt :/ die Wahrheit ist, es ist mit sehr unangenehm weil (fast) alle in meinem Umfeld finden das ich es tun sollte. Ganz typisch eben. Meine Tochter ist letzten Monat 2 Jahre alt geworden. Sie liebt es so sehr und ich störe mich eigentlich gar nicht daran. Ich finde es sogar schön. So unter uns macht es mich sogar richtig stolz. So ein Zaubermittel… ich werde also in naher Zukunft nicht abstillen. Weil mir gerade wieder bewusst wird das wir beide nicht nicht soweit sind. Danke für diese vielen tollen Artikel die mir helfen, mich mit dem Thema auseinander zu setzen :) <3

  3. Mein Kind ist jetzt 2,3 Jahre und wird immer noch gestillt. In der Nacht ist es sehr viel da hängt sie fast alle 1,5 std an der Brust für ca 45 min ich Stille sie gern und genieße es noch aber manchmal kann ich nicht mehr

  4. Ich habe auch 1,5 Jahre gestillt, was ok ist. Ich weiß aber nicht, ob ich es nochmal machen würde.Denn irgendwann ist die Mama wirklich ausgelaugt und starken Eisenmangel hatte mein Kleiner auch.Beim nächsten Kind werde ich nicht länger als 6 bis 9 Monate stillen.

    1. Hallo liebe Ela,

      ja, richtige Ernährung ist sehr, sehr wichtig beim Langzeitstillen. Das ist in meinem Artikel vielleicht etwas zu kurz gekommen. Ich bin mir sicher, deinem Sohn hat die Nähe trotzdem sehr gut getan!

      Liebe GrĂĽĂźe,
      Hanna

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