Dieses Jahr wird das erste Jahr seit langem sein, dass mein Sohn und ich Weihnachten in Deutschland feiern. Auf der einen Seite freue ich mich natürlich sehr darauf, die Zeit mal wieder mit unserer Familie zu verbringen. Auf der anderen Seite werde ich unser Weihnachten in Goa, Indien aber auch sehr vermissen. In den letzten 8 Jahren hat sich unser Weihnachtsfest mit vielen Traditionen gefüllt.
Zeit für Besinnlichkeit: der 24. Dezember
Am 24. Dezember treffen wir uns bei meiner Freundin Anne und ihrer Familie im Garten. Das Wetter ist in der Regel sehr gut, um die 30 Grad und sonnig. Wir stellen eine lange Tafel in den Garten, die festlich gedeckt wird. Es gibt Kaffee, Tee, Kuchen und natürlich selbstgebackene Weihnachtskekse. Wir sind meistens so um die 15 Menschen, die zusammen feiern. Manchmal sind es Gäste aus Annes Gästehaus und unsere Freunde. Die Gruppe ist ein Mix aus vielen Nationalitäten. Wir sitzen zusammen, quatschen, trinken Kaffee und essen Kekse bei 30 Grad im Schatten.
Irgendwann gibt Anne dann den Startschuss zum Weihnachtslieder singen. Die liebevoll angelegten Gesangshefte werden verteilt und wir singen deutsche und englische Weihnachtslieder (ich muss es nochmal schreiben: bei 30 Grad im Schatten). In den letzten Jahren wurden wir auch von immer mehr Instrumenten begleitet: Gitarre, Flöte, Geige und Sitar (traditionelles, indisches Instrument). Ich sage mal so: es ist nicht schön, aber selten. Nein, in Wirklichkeit ist es wunderschön. Das Singen zum Beispiel, kenne ich aus meinem Elternhaus gar nicht, aber ich werde dieses Jahr probieren, das auch bei meinen Eltern durchzusetzen.
“Stille Nacht” ist das letzte Lied und dann kommt der Weihnachtsmann. Vor der Geburt meines Sohnes, habe ich die Ehre gehabt, seitdem Theo auf der Welt ist, übernimmt Annes Tochter, Luana, das. Der Weihnachtsmann bringt auch uns Geschenke, die wir vorher in einem Sack sammeln. Jeder bekommt ein oder zwei Kleinigkeiten. Und der Weihnachtsmann bittet jeden/jede etwas darzubieten, um sein/ihr Geschenk zu bekommen. Es kann ein Lied, ein Witz, ein Gedicht oder alles andere sein. Und wir haben da schon tolle Sachen erlebt: von einem italienischen Zauberer, der eine Palme als Affe hochklettert über selbstgeschriebene, sarkastische Gedichte zur politischen und sozialen Lage der Nation, bis hin zu 2 jodelnden Harfenspielern. Ja, in 8 Jahren kommt schon einiges zusammen.
Nachdem der Weihnachtsmann sich wieder verabschiedet hat, gehen wir zum noch gemütlicheren Teil über: Glühwein. Ja, auch bei 30 Grad im Schatten. Denn was sein muss, muss sein. Den Abend lassen wir dann meistens am Strand ausklingen.
Was macht man eigentlich in Goa?
Am 24. Dezember geht Weihnachten ja eigentlich erst um Mitternacht, mit der Geburt Jesus´ los. In Goa sind sehr viele Leute katholisch und feiern das Weihnachtsfest traditionell. Am Abend geht es zur Mitternachtsmesse in die Kirche. Diese geht so ca. bis um 2 nachts. Danach geht es mit der ganzen Familie nach Hause um Tee zu trinken und zu essen. Ab ca. 3 Uhr nachts öffnen die Gemeindehallen ihre Tore zum Weihnachtstanz. Diese finden in den meisten Dörfern statt, manchmal drinnen, manchmal draußen. Daran teilnehmen darf aber nur, wer sich richtig herausgeputzt hat. Und damit meine ich Anzug und Ballkleidchen oder Kostüm. Dann wird bis in die Morgenstunden getanzt und gefeiert, morgens dann noch Frühstück am Strand und ab nach Hause.
Life is better at the beach – am 25. Dezember
Seit Theo auf der Welt ist kommt der Weihnachtsmann auch noch einmal bei uns zu Hause vorbei und bringt in der Nacht zum 25. Dezember noch die Geschenke von der Familie aus Deutschland. Dann liegen am Morgen die Geschenke unter unserem geschmückten Weihnachtsbaum. Der sieht übrigens aus, wie die meisten deutschen Weihnachtsbäume auch: Plastikbaum mit Lichtern, traditionellem Schmuck und Discokugeln.
Dann frühstücken wir mit unseren Mitbewohnern, die zu der Zeit wahrscheinlich gerade von ihrer langen Nacht des Weihnachtstanzes zurückkommen. Danach fahren wir mit Freunden und deren Familien an den Strand und verbringen dort den Tag in einer Strandbar. Besonders schön finde ich, dass wir alle zusammen sind. So ist natürlich unser Freundeskreis dabei, aber wenn jemand von den Eltern, der Oma oder anderen Verwandten Besuch hat, kommen diese natürlich mit. Wir sind immer eine bunte Gruppe zwischen 1 und 85 Jahren. Wir sitzen dann zusammen, quatschen, essen, schwimmen, spielen und machen eigentlich einfach alles, worauf wir Lust haben. Und verbringen einen wunderschönen Tag zusammen. Meistens sitzen wir bis in die Abendstunden am Strand.
Partytime! 26. Dezember
Der 26. Dezember verläuft meistens relativ ruhig und wir sind zu Hause. Das liegt vor allem daran, dass wir die Kraft für den Abend und die Nacht brauchen. Denn am 26. Dezember veranstalten wir eine Weihnachtsparty. Und wieder geht es einfach darum zusammen zu sein. Jeder ist willkommen. Das Haus ist weihnachtlich geschmückt, es gibt Essen und Trinken. Jeder bringt etwas mit. Letztes Jahr haben wir bis in den Morgen getanzt und Pantomime gespielt.
Was wirklich zählt 2020
Dieses Jahr ist alles anders: Mein Sohn und ich sind in Deutschland und werden ein ganz anderes, aber trotzdem wunderschönes Weihnachtsfest mit unserer Familie feiern. Und wenn ich eines in den letzten Jahren gelernt habe: Traditionen hin oder her – es kommt auf die Gesellschaft an. Natürlich werde ich jeden Einzelnen in Goa vermissen, sowie auch den Strand, die Wärme, die Leichtigkeit und unsere Weihnachtstraditionen. Aber: ich bin dankbar, dass wir dieses Jahr mit unserer Familie feiern können und vielleicht kann ich sie ja auch zum Singen überreden.
Wie feierst Du Weihnachten? Kannst Du Dir Weihnachten ohne Kälte und Schnee vorstellen? Erzähl uns doch in den Kommentaren, wie Du Weihnachten feierst!
Erstveröffentlichung: 19. Dezember 2020