Heute möchte ich gerne über etwas schreiben, was mir persönlich als Neu-Mami große Sorgen bereitet hat und wovon ich glaube, dass ich nicht allein damit bin: der Druck sich mit der Geburt „wie eine glückliche Mama“ zu fühlen. Überall, wo ich von Neugeborenen, Geburtsberichten und der ersten Zeit mit dem eigenen Baby gelesen und gehört habe, wurde mir ein bestimmtes Bild suggeriert: Dass wir Frauen von dem Moment an, in dem wir Mama werden, ein neuer Mensch sind. Dass dieser einzigartige Moment, wenn wir unser Baby zum ersten Mal sehen, unser ganzes Leben verändert und wir von da an die großartigste Mutterliebe verspüren, die alle anderen Gefühle nebensächlich werden lässt. Von da an freuen wir uns beinahe rund um die Uhr über dieses kleine Wunder, das wir hervorgebracht haben. Wir wissen ganz intuitiv, was das kleine Menschlein braucht, wie wir es anfassen und pflegen müssen und sind dabei richtig stolz und erfüllt. Ich habe auf diesen Moment gewartet. Sogar in meinem halb-dämmrigen Zustand nach einer wirklich schlimmen Geburt habe ich auf den Einbruch dieser Muttergefühle gewartet, als mein kleiner Benjamin auf meinen Bauch gelegt wurde. Doch bis auf Verwunderung und Erleichterung fühlte ich mich immer noch so wie vorher: müde und kaputt. Also wartete ich weiter. Nach einem kurzen Erholungsschlaf am Nachmittag wartete ich die ganze Nacht. Betrachtete ihn immer wieder im Schlaf und hoffte, dass dieses Klischee von Mutterliebe auf mich niederprasseln würde. Dieses kleine Wesen war mein Kind, keine Frage. Und ich würde alles für ihn tun und wollte von Anfang an, dass es ihm gut geht. Ein Leben lang. Aber auf diese magischen, mich verändernden Muttergefühle wartete ich vergeblich. Ich war immer noch ich, nur eben mit einem Baby im Arm. Ich hatte immer noch dieselben Ansichten und Ziele im Leben, fühlte mich nicht, als wäre ich einen kleinen Tod gestorben, um als Mama wieder aufzuerstehen. Nach ein paar Tagen begann ich, mir Gedanken zu machen. Irgendwas stimmte doch nicht mit mir. Immerhin hatte jede Mutter, mit der ich gesprochen habe, mir beschrieben, wie unvergleichlich und schön es sein würde. Jeder wünschte uns eine schöne Zeit und riet uns, diese zu genießen. Warum aber war ich vor allem müde? Warum freute ich mich nicht rund um die Uhr? Kurz nach diesen Gedanken kamen die inneren Vorwürfe: Mein Kind würde doch spüren, wenn ich es nicht genug liebe. Kann er sich denn mit so einer Mutter emotional überhaupt ordentlich entwickeln? Ich las im Internet Artikel über Bindungsstörungen. Ich war beinahe der Meinung, professionelle Hilfe zu benötigen. Und dann sprach ich endlich mit meinem Mann. Das hätte ich viel früher tun sollen. Denn schon allein, meine Sorgen auszusprechen, fühlte sich an, als würde eine Last von mir fallen. Er konnte mich zumindest ein wenig beruhigen und riet mir, mir selbst mehr Zeit zu geben. Auch er habe ein oder zwei Tage gebraucht, um emotional mit der neuen Situation fertig zu werden. Ich sei eine tolle Mama und der Kleine habe alles, was er brauche. Die Resonanz auf einen Artikel auf meinem eigenen Blog, scheint ihm vor allem in einem Punkt recht zu geben: offenbar ergeht es vielen Müttern so, aber normalerweise spricht niemand darüber. Wenn ihr also eine dieser sagenhaften Mamis seid, die diesen Wow-ich-bin-Mutter-Moment erleben durften, seid froh und stolz darauf! Wenn ihr aber, so wie ich, ein paar Tage Anlauf gebraucht habt, quält euch nicht mit einem schlechten Gewissen. Denn ihr seid sicherlich nicht allein. Mittlerweile habe ich akzeptiert, dass meine Gefühle für meinen Sohn eben erst wachsen mussten und ich nicht in das gängige Muster der „Mutterliebe auf den ersten Blick“ passe. Seit dieser Druck abgefallen ist, habe ich keinen Zweifel mehr, dass wir drei eine großartige Familie sind und mit uns alles in bester Ordnung ist.