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Wie oft stillen ist normal? Richtwerte für jedes Baby-Alter


Nachdem ich inzwischen über 20 Jahre als Hebamme tätig bin, muss ich sagen, dass ich den Begriff „normal“ im Zusammenhang mit Schwangerschaften, Geburten und Babys eigentlich nicht sonderlich gerne mag. Einfach, weil es keine klare Defintion von Normalität gibt! Gerade in einem so sensiblen Bereich ist es wichtig, sich klar zu machen, dass das, was gemeinhin von der Gesellschaft als „normal“ angesehen wird, nicht unbedingt das ist, was im medizinischen Sinne in den Bereich der Normalität fällt. Und dass – im Umkehrschluss – etwas, das durchaus noch im medizinischen Sinne normal ist, sich für Dich vielleicht ganz und gar nicht so anfühlt.

Aber natürlich bin ich mir auch darüber im Klaren, dass Du, gerade beim ersten Kind, vielleicht auf der Suche nach Antworten bist und Unsicherheiten oder Ängste abbauen möchtest. Und natürlich freue ich mich, wenn ich dazu beitragen kann, Dir Deine Stillzeit mit Deinem Baby in den ersten Tagen, Wochen und Monaten zu erleichtern.

Oder vielleicht bist gar nicht Du als stillende Mama diejenige, die sich fragt, wie oft stillen normal ist – sondern andere Familienmitglieder oder Freunde zweifeln daran, ob Du Dein Baby zu oft (oder zu selten) stillst?

Warum auch immer die Frage aufkam – einfach, weil sie immer wieder gestellt wird, möchte ich mich heute mit dem Thema „Wie oft stillen ist normal?“ befassen. Wobei ich „normal“ gerne in gedachte Anführungszeichen setzen würde.

Stillmahlzeiten pro Tag: Grobe Übersicht

Wie alt ist Dein Baby?Wie oft stillen?
Wenige StundenSo oft das Baby will (2-24 mal in den ersten 24 Lebensstunden)
➜ Bei zaghaften Hungerzeichen sofort anlegen
1-28 Tage (Neugeborenes)So oft das Baby will (6-12 mal in 24h)
➜ Stillabstände richtig zählen (siehe Beispiel)
Älter als 29 Tage (Säugling)So oft das Baby will (6-12 mal in 24h)
➜ längere Pausen / Schläfe dazwischen kommen bei Babys ab 5-6 Wochen öfter vor; Gesamtanzahl der Mahlzeiten ist wichtiger als Frequenz
Beikostalter (frühestens ab 5 Monaten)Schwankt stark abhängig von aufgenommener Beikost-Menge + deren Energiegehalt
➜ häufiges Stillen dient auch als Rückversicherung / Kuschelzeit

Wie oft stillen – in den ersten Stunden nach der Geburt?

In den ersten Stunden nach der Geburt ist Dein Baby vielleicht noch gar nicht so richtig angekommen. Vielleicht ist ihm noch etwas schlecht vom Fruchtwasser oder es ist – ähnlich wie Du – noch erschöpft von seiner Reise zu uns auf die Welt. Das heißt, in den ersten 24 Stunden nach der Geburt ist zum Thema Anlegen und Stillen nahezu alles erlaubt, was Dein Baby entscheidet.

 

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Das bedeutet, wenn Dein Kind direkt nach der Geburt lehrbuchmäßig zur Brust robbt ist das genauso ok, wie wenn es erst einmal total erledigt auf Deinem Bauch einschläft.

Wichtig ist lediglich, dass Du auf frühe Hungerzeichen reagieren und nicht unbedingt warten solltest, bis Dein Baby laut schreit – denn das machen ganz kleine Babys manchmal auch einfach nicht.

Als frühe Hungerzeichen bezeichnet man sanfte Signale, die das Baby aussendet und die Du vielleicht nicht unbedingt gleich als Hunger deutest, weil Du es nicht weißt.

Typische frühe Hungerzeichen beim Baby können sein:

  • Hin- und herdrehen des Köpfchens
  • Herausstrecken der Zunge
  • Schmatzende Geräusche
  • Saugen an der eigenen Hand

Sendet Dein Baby eines dieser Signale, solltest Du versuchen, es an die Brust zu legen. Das kann in den ersten 24 Stunden jede Stunde oder auch nur 2, 3 mal der Fall sein. Beides ist bei einem reifen, gesunden Baby ohne sonstige Probleme in Ordnung.

Das Stillen ist schmerzhaft oder Dein Baby trinkt nicht richtig? Im Beitrag „Stillen nach der Geburt: 6 Probleme, 6 Lösungen“ findest Du schnelle Hilfe.

Wie oft stillen: Neugeborenes

Babys im Alter ab der Geburt bis zu 4 Wochen (oder ganz konkret bis zum 28. Lebenstag) bezeichnet man als Neugeborene.

In dieser Zeit entsteht die Grundlage für Eure Stillbeziehung, das heißt: Die Neugeborenen-Phase ist in punkto Stillen eine wichtige, wenn nicht sogar die wichtigste Zeit.

Hier gilt normalerweise der Grundsatz des Stillens „ad libitum“, oder zu deutsch des Stillens nach Bedarf. Das bedeutet, dass Du bei einem reif geborenen Kind, das keine Einschränkungen oder gesundheitliche Probleme hat, das Baby bei Hungerzeichen immer anlegen solltest.

Häufiges Anlegen kurbelt die Milchbildung an

In den ersten Tagen, um die Milchproduktion anzuregen und auch den kleinen Magen-Darm-Trakt nicht zu überfordern, ist relativ häufiges Anlegen „normal“ – danach in unterschiedlichen Phasen eventuell auch schwankend.

Wie Du Deine Milchproduktion am besten förderst, erklärt Hebamme & Stillberaterin Alexandra in Milchbildung anregen von Anfang an: Die besten Hebammen-Tipps, Hausmittel und Medikamente

NICHT zu erwarten ist ein Stillrhythmus, nach dem Du die Uhr stellen könntest. Das gibt es zwar auch, aber ist eher die absolute Ausnahme als die Regel.

12 Mahlzeiten pro Tag sind bei Neugeborenen „normal“

Wenn Du mich auf eine Zahl festnageln möchtest, gilt bei Stillkindern generell die Regel, dass innerhalb von 24 Stunden 6-12 Mahlzeiten zu erwarten sind, wobei wir uns bei Neugeborenen meist näher an den 12 als an den 6 Mahlzeiten befinden.

Als Stillmahlzeit gilt im Prinzip jedes Anlegen an die Brust, bei dem ordentlich gesaugt wird und das länger als 10 Minuten dauert (in Ausnahmefällen und bei kleinen „Piranhas“ sind auch mal 5 Minuten absolut ok und zählen als volle Mahlzeit).

Was immer mal wieder zu Missverständnissen führt und die Wahrnehmung der Stillhäufigkeit massiv verzerrt, ist die Tatsache, dass immer vom Beginn einer Stillmahlzeit bis zum Beginn der nächsten gezählt wird.

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Dein Baby meldet sich um 0:00 Uhr zum Trinken. Mit Stillen an beiden Seiten, einem kleinen Powernap von ein paar Minuten nach der ersten Seite und einem Ausflug auf die Wickelkommode seid Ihr bis 01:15 beschäftigt.

Um 2:00 Uhr meldet sich Dein Baby wieder zum Trinken. Und während Du denkst „das kann doch nicht normal sein“, ist es völlig im Rahmen – denn zwischen 0:00 und 02:00 Uhr liegen genau die 2 Stunden, die bei einem Neugeborenen normal sind.

Und das ist genau das, was ich zu Beginn meines Artikels meinte: Nicht alles, was medizinisch gesehen „normal“ ist, erscheint Dir und Deinem Umfeld zwangsläufig so.

Du hast den Eindruck, Dein Baby bekommt nicht ausreichend Milch und hat nach dem Stillen noch Hunger? In meinem Artikel „Mein Baby wird nicht satt – Anzeichen und schnelle Hilfe“ befasse ich mich mit genau dieser Problematik.

Wie oft stillen ist bei Babys ab 1-2 Monaten die Regel?

Ab dem 29. Lebenstag, also ab dem 2. Lebensmonat ist Dein Baby ein Säugling. Viele Abläufe werden sich schon ein bisschen eingependelt haben und Du kennst Dein Kind inzwischen so gut, dass Du Bedürfnisse wie Hunger oder Durst ganz gut erkennen kannst.

Nimmt Dein Baby gut zu und und Hebamme und Kinderarzt sind mit der Entwicklung Deines Kindes zufrieden, musst Du an Eurem bestehenden Stillverhalten und dem Stillen nach Bedarf nichts ändern.

Im vorherigen Absatz habe ich erwähnt, dass ein regelmäßiger Stillrhythmus bei einem Neugeborenen noch nicht zu erwarten ist. Das kann 4 Wochen später bereits ein bisschen anders sein. Aber die Betonung liegt hier auf KANN, denn „normal“ ist es auch, wenn es weiterhin keinerlei Rhythmus gibt.

In den meisten Fällen ist bei Babys ab dem 2. Monat aber eine Tendenz erkennbar. Z.B., dass Dein Baby vormittags oder nachmittags seltener trinkt und dafür abends durchgehend an der Brust hängt – oder andersherum (sog. Cluster-Feeding).

Aber in Wachstumsschüben, bei kleineren Infekten oder Überforderung (z.B. durch Ausflüge, Besuch oder Veränderungen im Alltag) kann sich auch ein bereits gut eingespielter Rhythmus wieder komplett verschieben. Auch das ist normal und gehört zum Stillen nach Bedarf dazu.

Viele Babys halten im Alter von 5, 6 Wochen auch mal ein bisschen länger durch als 2 oder 3 Stunden. Bei gutem Gedeihen und normaler Gewichtsentwicklung darf Dein Kind auch mal 5, 6 Stunden oder auch länger schlafen, wenn es danach (oder davor) kürzere Stillpausen gibt und Du es öfter anlegst.

So lange es auf 6-12 Mahlzeiten in 24 Stunden kommt, sind die Stillabstände bei gutem Gedeihen des Babys irrelevant!

Wie oft stillen – bei Babys im Beikostalter?

Die Einführung der Beikost verändert das Stillverhalten Deines Babys natürlich enorm. Denn ab dem Moment, wo Dein Kind zusätzliche Nahrung in Form von Brei oder auch mit Hilfe von Baby led weaning aufnimmt, ist das Stillen nicht mehr alleine für das Wachsen und Gedeihen verantwortlich.

Wie schnell Du das an Dauer, Häufigkeit oder Intensität der Stillmahlzeiten merkst, ist von mehreren Faktoren abhängig, z.B. von:

  • Beikostreife: Ist Dein Baby wirklich schon bereit, eine nennenswerte Menge an Nahrung aufzunehmen und dadurch einen Teil seines Hungers zu stillen?
  • Alter des Babys: Natürlich macht es einen Unterschied, ob Dein Baby 5 oder 9 Monate alt ist, was die Nahrungsmenge angeht.
  • Menge an Beikost: Je mehr Brei oder sonstige Nahrung aufgenommen wird, umso weniger Hunger muss durch die Aufnahme von Muttermilch gestillt werden.
  • Gewicht: Auch hier ist es natürlich ein Unterschied, ob Dein Baby schon bei Geburt eher groß und schwer war und entsprechend seiner Kurve weiter gewachsen ist, oder ob Du eher ein leichteres, zarteres Kind hast, das wahrscheinlich einfach ein bisschen weniger große Portionen braucht.

Mein Baby isst schon regelmäßig Brei – ist häufiges Stillen noch normal?

Auf jeden Fall. Denn: Stillen ist weitaus mehr als Nahrungsaufnahme. Das bedeutet, dass Babys in wichtigen Entwicklungsphasen, unabhängig davon, welche Menge an zusätzlicher Nahrung sie bereits bekommen, eventuell auch wieder deutlich öfter an die Brust wollen.

Z.B. ist eine größere Mobilität häufig ein Grund für eine Rückkehr an die Brust, weil Babys durch Drehen, Robben, Krabbeln und Laufen lernen bewusst wird, wie groß die Welt ist. Da ist es einfach schön, sich bei Mama eine extra Portion Sicherheit abzuholen.

Mein Fazit zum Thema „Wie oft Stillen“

Ich hatte es bereits ganz zu Anfang gesagt: Ich verstehe, dass Du Antworten auf die Frage „Wie oft stillen ist normal“ suchst – allerdings weiß ich nicht, ob ich sie Dir mit meinen vagen Zahlenangaben liefern konnte. Ehrlicherweise wüsste ich das aber auch nicht, ob ich das als Deine betreuende Hebamme könnte. Denn ich habe in der Begleitung junger Familien manchmal auch das Gefühl, dass man vielleicht gerne hören würde, etwas sei nicht „normal“, um die „Erlaubnis“ zu bekommen, etwas zu verändern.

Deshalb ist die Frage in Bezug auf die Stillhäufigkeit oder auch auf die Stilldauer vielleicht gar nicht so sehr, was „normal“ ist. Denn „normal“ ist platt gesagt alles, was dazu führt, dass das Kind gedeiht und Du keine medizinisch relevanten Einschränkungen oder Beschwerden hast.

Ich denke, die Frage ist oft vielmehr, was für Dich und Dein Baby ok und machbar ist. Und das ist eine sehr individuelle Sache.

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