Wenn Du ab der 70. Lebenswoche – also im Alter von 16 Monaten – eine Veränderung an Deinem Kleinkind bemerkst, die Dir bekannt vorkommt, dann ist es im 75-Wochen-Schub angekommen. Dieser 10. Wachstumsschub wird oft als der letzte Entwicklungsschub bezeichnet. Warum das so nicht stimmt -und was alles in dieser spannenden Zeit bei Deinem Kind passiert, erfährst Du jetzt.
75 Wochen Schub – Symptome
Die Anzeichen, mit denen sich der Schub mit 75 Wochen ankündigt, kennst Du bereits aus den vorherigen Entwicklungssprüngen. Dein Kind ist häufig quengelig und anhänglich, weint häufig und fremdelt plötzlich sogar gegenüber Papa oder den Großeltern. Nur Mamas Arm ist in Ordnung.
Das Essverhalten ändert sich vielleicht, einige Kinder haben plötzlich riesigen Appetit, andere wollen gar nichts Festes essen, sondern nur an die Brust (und das am liebsten alle 30 Minuten) oder die Flasche. Ein Kind im Schub schläft schlecht ein, schläft nicht mehr durch bzw. wacht häufiger auf als sonst. Auch der Mittagsschlaf kann zur Qual werden, weil die Kleinen einfach nicht zur Ruhe kommen wollen. Was bisher gut funktioniert hat, klappt plötzlich nicht mehr – z.B. Zähneputzen oder Anziehen. Auch Wutanfälle können an der Tagesordnung stehen.
Diese Symptome für den 10. Wachstumsschub fangen bei den meisten Kindern mit etwa 70 Wochen an und dauern insgesamt 5 Wochen – darum auch die Bezeichnung 75-Wochen-Sprung. Es gibt allerdings auch Kinder, die den Sprung in nur einer Woche durchlaufen oder insgesamt 6-8 Wochen brauchen. Mit 75 Wochen, also im Alter von 17 Monaten, erreicht der Sprung und damit auch das schwierige Verhalten der meisten Kinder seinen Höhepunkt – danach ist der Spuk teils über Nacht wieder vorbei. Und was bleibt ist ein Kind mit faszinierenden neuen Fähigkeiten.
Neue Fähigkeiten des 10. Sprungs
Manche Kinder entwickeln im Wachstumsschub mit 17 Monaten eher ihre motorischen Fähigkeiten weiter, andere sind sprachlich vorne mit dabei. Manche Kinder können jetzt ganze Sätze formulieren, andere sprechen nur ein paar Worte – und können dafür toll turnen und klettern oder haben ganz andere, von außen nicht sofort ersichtliche Fähigkeiten und Eigenschaften entwickelt.
Denn im Kopf Deines Kindes passiert in jedem Fall eine ganze Menge in dieser Zeit. Hetty van de Rijt beschreibt in ihrem Buch „Oje, ich wachse!: Von den 10 „Sprüngen“ in der mentalen Entwicklung Ihres Kindes während der ersten 20 Monate und wie Sie damit umgehen können“ die große Veränderung in den kognitiven Fähigkeiten als „Welt der Systeme“: Es werden gezielte Handlungen ausgeführt, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen. Dein Kind kann jetzt also mit viel mehr Kalkül handeln und vorausschauend denken. Viele Eltern beobachten folgende Veränderungen bei ihrem 17 Monate alten Kind:
- Das Kleinkind kann jetzt Regeln verstehen und weiß auch, dass nicht überall dieselben gelten
- wird selbstständiger, will alles selbst machen
- imitiert alles, was es sieht
- spielt länger alleine oder mit anderen Kindern als früher,
- ist unternehmungslustiger, „erwachsener“
- findet Gefallen an Musik
- findet Veränderungen spannend
- kann plötzlich eitel bezüglich Kleidung und Frisur werden
- erkennt deutlich bekannte Menschen und Orte
- entwickelt ein Zeitgefühl
- entwickelt ein Ich-Bewusstsein
Schlafprobleme im 75-Wochen-Schub
Neben dem enorm anhänglichen Verhalten macht vielen Eltern im 10. Schub der Schlaf ihrer Kinder zu schaffen. Viele Kleinkinder mit 16 bzw. 17 Monaten schlafen die meisten Nächte durch – und plötzlich wachen sie nachts wieder weinend und schreiend auf oder wollen morgens um 3 Uhr gerne spielen. Oder erzählen. Auch beim Mittagsschlaf haben sich meist funktionierende Routinen etabliert – und plötzlich macht das Kind einfach kein Auge mehr zu und man muss es förmlich zum Mittagsschlaf „zwingen“.
Schlafmangel ist nicht umsonst als Foltermethode bekannt, darum würde ich in diesem Fall nicht auf stur auf Routinen und Prinzipien beharren, sondern nutzen, was immer Dir zur Verfügung steht. Vielleicht hilft es, den Mittagsschlaf nicht mehr im Bett zu versuchen, sondern in der Trage oder im Buggy? Lass Dich von Verwandten oder Freunden unterstützen und leg Dich zumindest am Wochenende einfach mal mittags hin, um Schlaf nachzuholen. Hol Dein Kleinkind nachts ins Elternbett, bis der Spuk vorüber ist.
Das Wichtigste jetzt ist, die Wochen bis zum Ende des Schubs gut über die Bühne zu bekommen. Denn danach legt sich das schwierige Schlafverhalten in den allermeisten Fällen von selbst wieder.
Wann ist der letzte Wachstumsschub beim Kleinkind?
Hetty van de Rijt und Dr. Frans X. Plooij beschreiben in „Oje, ich wachse“, das es auch als kostenpflichtige App gibt, insgesamt 10 Entwicklungssprünge in den ersten 17 Lebensmonaten. Innerhalb dieser Systematik ist der 10. Sprung der letzte. Allerdings entwickeln sich Kinder auch weiterhin in Schüben – nur sind diese eben noch von niemandem detailliert beobachtet und beschrieben worden. Allerdings bin ich mir nach zwei Kindern in diesem Alter sehr sicher, dass es einen Entwicklungsschub mit 22 Monaten gibt.
>> Lies hier über alle Wachstumsschübe beim Kleinkind
Der 10. Wachstumsschub: Meine Erfahrungen
Mittlerweile haben alle drei meiner Kinder den 75-Wochen-Schub durchlaufen, der letzte erst vor wenigen Wochen. In diesen Wochen mussten wir ihn zum Mittagsschlaf draußen in der Trage tragen, während er vorher ohne Probleme im Bett beim Stillen eingeschlafen war. Aber plötzlich konnte er im Bett gar nicht mehr zur Ruhe kommen, machte Akrobatikübungen während des Trinkens oder war irgendwann einfach fertig, ohne eingeschlafen zu sein. Als ich mich schon fast damit abgefunden hatte, wollte er von sich aus unbedingt wieder mit mir ins Bett – und schläft seitdem auch wieder ein.
Sein anhängliches Verhalten tagsüber machte nicht nur mir, sondern vor allem seinem Papa zu schaffen. Denn während er sonst gerne Zeit mit seinem Papa verbrachte, ergriff er jetzt die Flucht, sobald er ihn nur sah, rief „Mama, Mama“ und klammerte sich an mich. Anderen gegenüber war er weniger ablehnend, aber oft wollte er einfach nicht von mir weg. Das ging viele Wochen so, änderte sich dann aber innerhalb weniger Tage wieder. Jetzt gibt es sogar Situationen, in denen er lieber beim Papa ist als bei mir.
Belohnt wurde die schwierige Phase des 10. Entwicklungssprungs für uns mit einem grundfröhlichen Kleinkind, das immer längere Phasen selbstständig und zufrieden spielt. Für ihn gibt es jetzt nichts Schöneres, als draußen den Hof und die Natur zu erkunden. Wenn er mitbekommt, dass jemand mit dem Auto fährt, muss er mit und weint fürchterlich, wenn es nicht klappt.
Er klettert, rennt und springt sogar ein bisschen – motorisch ist es also super entwickelt. Sprachlich dagegen lässt er sich Zeit und kann nur einzelne Wörter – vor allem „Nein“ und einzelne Tierlaute. Allerdings merken wir seit dem letzten Sprung, dass er diese mehr geworden sind und er sie sehr viel sicherer und korrekter einsetzen kann.
Welche Erfahrungen hast Du mit Deinem Kind im 75-Wochen-Schub gemacht? Welcher war der schlimmste Sprung bei euch? Schreib es mir in die Kommentare!
Quellen:
- Ojeichwachse.de (2023): Sprung 10