Bis vor kurzem war Mathilda (3,5 Jahre) im Umgang mit anderen Kindern immer freundlich, vorsichtig und fair. Bereitwillig hat sie ihre Spielzeuge mit allen geteilt, äußerst friedlich und fast emotionslos. Seit einigen Wochen stellen wir bei ihr wieder Veränderungen in ihrer Kommunikation und allgemein in ihrem Sozialverhalten fest. Hauptsächlich beziehen sich diese Veränderungen auf ihre Sprache, aber auch auf ihr Sozialverhalten. Sie verteidigt ihre Sachen, teilweise sehr rabiat und leider auch ständig gegenüber ihrer kleinen Schwester Pauline (1 Jahr).
Konflikte und Bewältigung
Mitten im Spiel wird sie manchmal handgreiflich, schubst, zieht und haut. Manchmal wird sie dabei auch laut oder weinerlich, auf jeden Fall sehr emotional und täglich (auch uns Eltern gegenüber) fallen Sätze wie „Du bist nicht mehr mein Freund!“, „Ich lade Dich nicht zu meinem Geburtstag ein!“. Ein paar Minuten später sieht die Sache dann oft schon wieder anders aus. Es gab aber auch schon Begegnungen, bei denen wir schnell dazwischen gehen mussten, damit nichts Schlimmeres passiert. Ansonsten halten wir uns immer sehr zurück, ich denke, wir sollten sie ihre Konflikte austragen und ihre eigenen Erfahrungen im Umgang mit anderen machen lassen. Wir sprechen auf jeden Fall immer mit ihr darüber, gerade wenn es um Gewalt oder Konflikte geht.
Sozialverhalten entwickelt sich
Offensichtlich macht sie gerade wieder einen weiteren wichtigen Entwicklungsschritt durch, muss sich vielleicht im Kindergarten (neu) behaupten und eventuell empfindet sie ihre Schwester vermehrt als Konkurrenz. Pauline kann sich nun ja gut fortbewegen und kommt an nahezu alle Spielzeuge. Gerne zerstört sie auch die schönsten Türme, fegt den eben gebauten Tierpark vom Tisch, rupft den Puppen die Kleidung vom Körper und so weiter. Dass das bei Mathilda keine Begeisterungsstürme hervorruft, ist auch klar. Natürlich braucht man ihr auch noch nicht wirklich mit Vernunft und Rücksichtnahme kommen, aber wir machen ihr immer wieder klar, dass Gewalt nicht akzeptabel ist und wir das nicht möchten. Wir möchten nicht dass sie jemanden schlägt, genauso wenig wie wir möchten, dass sie geschlagen wird. Keine Ahnung was von unseren Gesprächen beziehungsweise Ansagen bei ihr hängen bleibt, ich hoffe einfach, dass wir sie damit ein bisschen in die richtige Richtung lenken können.
Unsere Vorbildfunktion
Manchmal geht es uns ja sogar so, dass wir durchaus nachvollziehen können, warum sie in bestimmten Situationen oder bestimmten Kindern gegenüber aggressiv wird (wir finden ja auch nicht alle Mitmenschen sympathisch), wir vermeiden natürlich das zu zeigen, vielleicht spürt sie es aber trotzdem. Vor allem kann ich mir vorstellen, dass man sich in Konfliktsituationen als dreieinhalbjähriges Persönchen einfach noch nicht so im Griff haben kann wie ein Erwachsener. Die verfügen schließlich meistens über ein geschultes Sozialverhalten, können sich zurücknehmen, über Dinge hinwegsehen/ignorieren, diplomatisch sein, alles Verhaltensweisen, die man aber erstmal erlernen muss.
Machtkämpfe? Hilflosigkeit?
Besonders schwierig finde ich es, wenn sie voller Wut auf einen von uns Eltern losgeht und harte Sachen sagt, a la „Du darfst nicht mehr in mein Zimmer!“ oder „Ich will dich nie wieder sehen!“ Solche Sätze tun mir schon weh und ich weiß im ersten Moment gar nicht was ich sagen oder machen soll. Ich nehme sie in dem Fall Ernst und versuche sie zu beruhigen und mit ihr darüber zu reden. Wenn sie sich schon sehr in ihre Wut gesteigert hat, wird es schwieriger. Noch schwieriger wird es, wenn sie anfängt, nach uns zu hauen. Das ist dann der Punkt, wo ich mich auch machtlos fühle und nicht weiß, was eine angemessene Reaktion darauf ist. Meistens halte ich ihre Hand fest und sage „Stopp, ich möchte nicht, dass Du mich haust!“ In Mathildas Fall kann ich mir nicht vorstellen, dass es an mangelnder Sprachentwicklung liegt, denn die hat sie, zumindest für ihr Alter, absolut nicht. Ich denke eher, dass es, wie im Kindergarten, um Machtkämpfe / Machtlosigkeit / Hilflosigkeit geht und vielleicht manchmal auch ein bisschen um Trauer, weil sie uns nun mit Pauline teilen muss.
Beruhigung und Neuanfang
Wenn ich sie nach solchen Momenten fest in den Arm nehme, ist meistens schnell alles wieder gut, manchmal aber auch nicht. Dann weint sie, weil sie sich vielleicht ungerecht behandelt gefühlt hat oder alles gerade zu stressig für sie ist. Nur durch Ablenkung, kuscheln und positive Aussichten (gemeinsames Basteln, Spielplatzbesuch, zu zweit ein Buch lesen) können wir sie dann „runterfahren“ und aus der Situation befreien. Danach geht es ihr immer besser, was sich auch sofort in ihrem Verhalten niederschlägt. Dann sind wir wieder ihre „liebsten Eltern“, Pauline ist ihre „süße kleine Schwester“, die sie für immer beschützen will.